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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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deutschen Kunst zu studiren, um zu sehen, wie gewisse Compositionen als der
Urahn einer großem Zahl von Bildern auftreten, wie einzelne glückliche Mo¬
tive förmlich zu Tode gehetzt werden, eine bestimmte Formengebung gradezu
ansteckend wirkt, wie gewisse Richtungen gleichzeitig an verschiedenen Punkten
sich geltend machen, dann, des allgemeinen Interesses verlustig, plötzlich ab¬
sterben, welchen Einfluß die Mode auch auf die Angelegenheiten der Kunst
übt, wie Manieren herrschend werden, Vorzüge und Mängel sich vererben
u, s. w. Wir empfehlen die Anordnung dieser Abtheilung als Ergänzung
der Ausstellung auch in dem Falle, daß unsre übrigen Vorschläge verworfen
würden. Es haben dieselben, wir leugnen dies nicht ab, einen gefährlichen
Gegner. Sie erfordern einen größern Geldfond, als wahrscheinlich in den
Händen der Unternehmer sich befindet. Als es sich um die Ausstellung in
Manchester handelte, hatten die von uns wegen ihrer Geschmacklosigkeit oft
verhöhnten cotton-Im'AZ in wenigen Tagen die Summe von vielen hundert¬
tausend Thalern als Garantiefond zusammengebracht, es hatte die Bank von
England ohne Zögern dem Unternehmen den reichsten Credit gewährt. Und
in Deutschland sollte sich kein Fürst, kein Reicher finden, der einige tausend
Thaler nicht etwa opfert, sondern blos vorstreckt, bis die Münchner Ausstel¬
lung durch die eingelaufenen Eintrittsgelder ihre Kosten deckt? Erscheint ein
solcher Mäcen in Deutschland undenkbar, dann, fürchten wir, erscheint es
überhaupt unwahrscheinlich, daß die allgemeine deutsche Kunstausstellung die
beabsichtigte Wirkung erreichen und den gewünschten Erfolg erzielen wird.

Die Einladung schließt mit den Worten: "Wir vertrauen dem deutschen
Geiste, daß das Werk gelingen werde und legen es hiermit allen denen ans
Herz, welchen die Liebe zur Kunst, der Ruhm des Vaterlandes, die Erhebung
des Volksgemüthes theuer und werth sind." Wir werden am 15. October,
dem Endpunkte der Ausstellung, diese Worte uns wieder in das Gedächtniß
A. Syr. zurückrufen.




Die Revue Germanique.

Wir haben dem Erscheinen der Revue Gcrmanio,ne mit Spannung ent¬
gegengesehen. Die Theilnahme an dem deutschen Leben und das eingehendere
Studium desselben sind in Frankreich verhältnißmäßig noch gering, und wenn
für manche hervorragende Männer auch das Eis gebrochen ist, so beharrt doch
die große Masse, selbst der Gebildeten, in den meisten Vorurtheilen, welche aus
der Unkenntniß der deutschen Verhältnisse entspringen. Das Haupthinderniß
sich mit den Zuständen andrer Länder vertraut zu machen, ist für die Fran-


Grcnzbvtcn I. 1353. 64

deutschen Kunst zu studiren, um zu sehen, wie gewisse Compositionen als der
Urahn einer großem Zahl von Bildern auftreten, wie einzelne glückliche Mo¬
tive förmlich zu Tode gehetzt werden, eine bestimmte Formengebung gradezu
ansteckend wirkt, wie gewisse Richtungen gleichzeitig an verschiedenen Punkten
sich geltend machen, dann, des allgemeinen Interesses verlustig, plötzlich ab¬
sterben, welchen Einfluß die Mode auch auf die Angelegenheiten der Kunst
übt, wie Manieren herrschend werden, Vorzüge und Mängel sich vererben
u, s. w. Wir empfehlen die Anordnung dieser Abtheilung als Ergänzung
der Ausstellung auch in dem Falle, daß unsre übrigen Vorschläge verworfen
würden. Es haben dieselben, wir leugnen dies nicht ab, einen gefährlichen
Gegner. Sie erfordern einen größern Geldfond, als wahrscheinlich in den
Händen der Unternehmer sich befindet. Als es sich um die Ausstellung in
Manchester handelte, hatten die von uns wegen ihrer Geschmacklosigkeit oft
verhöhnten cotton-Im'AZ in wenigen Tagen die Summe von vielen hundert¬
tausend Thalern als Garantiefond zusammengebracht, es hatte die Bank von
England ohne Zögern dem Unternehmen den reichsten Credit gewährt. Und
in Deutschland sollte sich kein Fürst, kein Reicher finden, der einige tausend
Thaler nicht etwa opfert, sondern blos vorstreckt, bis die Münchner Ausstel¬
lung durch die eingelaufenen Eintrittsgelder ihre Kosten deckt? Erscheint ein
solcher Mäcen in Deutschland undenkbar, dann, fürchten wir, erscheint es
überhaupt unwahrscheinlich, daß die allgemeine deutsche Kunstausstellung die
beabsichtigte Wirkung erreichen und den gewünschten Erfolg erzielen wird.

Die Einladung schließt mit den Worten: „Wir vertrauen dem deutschen
Geiste, daß das Werk gelingen werde und legen es hiermit allen denen ans
Herz, welchen die Liebe zur Kunst, der Ruhm des Vaterlandes, die Erhebung
des Volksgemüthes theuer und werth sind." Wir werden am 15. October,
dem Endpunkte der Ausstellung, diese Worte uns wieder in das Gedächtniß
A. Syr. zurückrufen.




Die Revue Germanique.

Wir haben dem Erscheinen der Revue Gcrmanio,ne mit Spannung ent¬
gegengesehen. Die Theilnahme an dem deutschen Leben und das eingehendere
Studium desselben sind in Frankreich verhältnißmäßig noch gering, und wenn
für manche hervorragende Männer auch das Eis gebrochen ist, so beharrt doch
die große Masse, selbst der Gebildeten, in den meisten Vorurtheilen, welche aus
der Unkenntniß der deutschen Verhältnisse entspringen. Das Haupthinderniß
sich mit den Zuständen andrer Länder vertraut zu machen, ist für die Fran-


Grcnzbvtcn I. 1353. 64
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[0513] deutschen Kunst zu studiren, um zu sehen, wie gewisse Compositionen als der Urahn einer großem Zahl von Bildern auftreten, wie einzelne glückliche Mo¬ tive förmlich zu Tode gehetzt werden, eine bestimmte Formengebung gradezu ansteckend wirkt, wie gewisse Richtungen gleichzeitig an verschiedenen Punkten sich geltend machen, dann, des allgemeinen Interesses verlustig, plötzlich ab¬ sterben, welchen Einfluß die Mode auch auf die Angelegenheiten der Kunst übt, wie Manieren herrschend werden, Vorzüge und Mängel sich vererben u, s. w. Wir empfehlen die Anordnung dieser Abtheilung als Ergänzung der Ausstellung auch in dem Falle, daß unsre übrigen Vorschläge verworfen würden. Es haben dieselben, wir leugnen dies nicht ab, einen gefährlichen Gegner. Sie erfordern einen größern Geldfond, als wahrscheinlich in den Händen der Unternehmer sich befindet. Als es sich um die Ausstellung in Manchester handelte, hatten die von uns wegen ihrer Geschmacklosigkeit oft verhöhnten cotton-Im'AZ in wenigen Tagen die Summe von vielen hundert¬ tausend Thalern als Garantiefond zusammengebracht, es hatte die Bank von England ohne Zögern dem Unternehmen den reichsten Credit gewährt. Und in Deutschland sollte sich kein Fürst, kein Reicher finden, der einige tausend Thaler nicht etwa opfert, sondern blos vorstreckt, bis die Münchner Ausstel¬ lung durch die eingelaufenen Eintrittsgelder ihre Kosten deckt? Erscheint ein solcher Mäcen in Deutschland undenkbar, dann, fürchten wir, erscheint es überhaupt unwahrscheinlich, daß die allgemeine deutsche Kunstausstellung die beabsichtigte Wirkung erreichen und den gewünschten Erfolg erzielen wird. Die Einladung schließt mit den Worten: „Wir vertrauen dem deutschen Geiste, daß das Werk gelingen werde und legen es hiermit allen denen ans Herz, welchen die Liebe zur Kunst, der Ruhm des Vaterlandes, die Erhebung des Volksgemüthes theuer und werth sind." Wir werden am 15. October, dem Endpunkte der Ausstellung, diese Worte uns wieder in das Gedächtniß A. Syr. zurückrufen. Die Revue Germanique. Wir haben dem Erscheinen der Revue Gcrmanio,ne mit Spannung ent¬ gegengesehen. Die Theilnahme an dem deutschen Leben und das eingehendere Studium desselben sind in Frankreich verhältnißmäßig noch gering, und wenn für manche hervorragende Männer auch das Eis gebrochen ist, so beharrt doch die große Masse, selbst der Gebildeten, in den meisten Vorurtheilen, welche aus der Unkenntniß der deutschen Verhältnisse entspringen. Das Haupthinderniß sich mit den Zuständen andrer Länder vertraut zu machen, ist für die Fran- Grcnzbvtcn I. 1353. 64

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/513>, abgerufen am 29.04.2024.