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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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sein Amt. Er starb 167Z. 74 Jahr alt. nachdem er 47 Jahr ein Leben ge¬
führt hatte, dem man das Prädicat "friedlich" nicht geben kann. Heubach
war eine neue Pfarre, welche Herzog Ernst der Fromme von Gotha ein¬
gerichtet hatte. Bötzinger der erste Pfarrer. Er mußte in dem fürstlichen
Jagdhause wohnen. welches Herzog Casimir am Walde sich für die Zeit der
Auerhahnsbalz gebauet hatte. In dem Forsthaus nebenan hauste ein
trotziger Förster, die Gegend war wild, wenig bewohnt und das Volk
durch den Krieg und gesetzloses Waldleben roh. Es scheint, daß der neue
Pfarrer den Waldmenschen nicht besonders willkommen war; besonders der
Förster wurde sein heftiger Gegner, und verstohlen klagt der Pfarrer in latei¬
nischen Distichen, die er in das Kirchenbuch schrieb, seinem Nachfolger das
bittere Leid, welches ihm dieser Diener des Waldes zufüge. Er warnt
den zukünftigen Pastor brüderlich vor der Schlechtigkeit des Mannes und vor
dessen böser Frau. Aber trotz dieser Händel läßt sich schließen, daß der viel-
geplagte Dulder nicht ganz unglücklich gewesen ist. .eine harmlose Selbst¬
beschaulichkeit ist auch aus seinen lateinischen Versen zu erkennen. Als er endlich
starb, wurden, wie damals Sitte war. von ansehnlichen Amtsbrüdern rüh¬
mende Verse auf ihn gemacht, von denen uns lateinische und deutsche erhalten
sind. Sogar Herr Andreas Bachmann, Hofprediger zu Gotha, ein vornehmer
Mann, gönnte "seinem lieben, alten, nunmehr seligen Amtsbruder" die Krone
der Ehre, welche folgendermaßen anfängt und hier schließen soll!


"Martinus Bötzingcr, ein treuer Gottcsknecht.
Im Pfarramt lange Zeit, wie Hiob schlecht und recht,
Doch nimmer ohne Kreuz, ein wohlgeplagter Mann,
Wie seines Lebens Laus des Weitem zeugen kann/ --



Der deutsche Dualismus.
Gothaischcs geschichtliches Jahrbuch 185". Der europäischen Chronik neue
Folge. Im Verein mit mehreren Publicisten herausgegeben von Dr. AurcUv
Buddeus, Mit 82 politischen Aktenstücken. - Gotha. Schcuvc. --
Unser Jahrbundert. Gallerie politischer und literarischer Persönlichkeiten. Bio¬
graphien und Charakteristiken. I. Bd. Stein. Fichte. Brück. -- Gothn.
Scheuvc. --
Das Leben des Generals Friedrich von Gagern. Von Heinrich von Gagern,
- Zweiter Band 1. und 2, Abth. - Leipzig und Heidelberg, Winter.

Greuzb^en I. >,-^,

sein Amt. Er starb 167Z. 74 Jahr alt. nachdem er 47 Jahr ein Leben ge¬
führt hatte, dem man das Prädicat „friedlich" nicht geben kann. Heubach
war eine neue Pfarre, welche Herzog Ernst der Fromme von Gotha ein¬
gerichtet hatte. Bötzinger der erste Pfarrer. Er mußte in dem fürstlichen
Jagdhause wohnen. welches Herzog Casimir am Walde sich für die Zeit der
Auerhahnsbalz gebauet hatte. In dem Forsthaus nebenan hauste ein
trotziger Förster, die Gegend war wild, wenig bewohnt und das Volk
durch den Krieg und gesetzloses Waldleben roh. Es scheint, daß der neue
Pfarrer den Waldmenschen nicht besonders willkommen war; besonders der
Förster wurde sein heftiger Gegner, und verstohlen klagt der Pfarrer in latei¬
nischen Distichen, die er in das Kirchenbuch schrieb, seinem Nachfolger das
bittere Leid, welches ihm dieser Diener des Waldes zufüge. Er warnt
den zukünftigen Pastor brüderlich vor der Schlechtigkeit des Mannes und vor
dessen böser Frau. Aber trotz dieser Händel läßt sich schließen, daß der viel-
geplagte Dulder nicht ganz unglücklich gewesen ist. .eine harmlose Selbst¬
beschaulichkeit ist auch aus seinen lateinischen Versen zu erkennen. Als er endlich
starb, wurden, wie damals Sitte war. von ansehnlichen Amtsbrüdern rüh¬
mende Verse auf ihn gemacht, von denen uns lateinische und deutsche erhalten
sind. Sogar Herr Andreas Bachmann, Hofprediger zu Gotha, ein vornehmer
Mann, gönnte „seinem lieben, alten, nunmehr seligen Amtsbruder" die Krone
der Ehre, welche folgendermaßen anfängt und hier schließen soll!


„Martinus Bötzingcr, ein treuer Gottcsknecht.
Im Pfarramt lange Zeit, wie Hiob schlecht und recht,
Doch nimmer ohne Kreuz, ein wohlgeplagter Mann,
Wie seines Lebens Laus des Weitem zeugen kann/ —



Der deutsche Dualismus.
Gothaischcs geschichtliches Jahrbuch 185«. Der europäischen Chronik neue
Folge. Im Verein mit mehreren Publicisten herausgegeben von Dr. AurcUv
Buddeus, Mit 82 politischen Aktenstücken. - Gotha. Schcuvc. —
Unser Jahrbundert. Gallerie politischer und literarischer Persönlichkeiten. Bio¬
graphien und Charakteristiken. I. Bd. Stein. Fichte. Brück. — Gothn.
Scheuvc. —
Das Leben des Generals Friedrich von Gagern. Von Heinrich von Gagern,
- Zweiter Band 1. und 2, Abth. - Leipzig und Heidelberg, Winter.

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[0073] sein Amt. Er starb 167Z. 74 Jahr alt. nachdem er 47 Jahr ein Leben ge¬ führt hatte, dem man das Prädicat „friedlich" nicht geben kann. Heubach war eine neue Pfarre, welche Herzog Ernst der Fromme von Gotha ein¬ gerichtet hatte. Bötzinger der erste Pfarrer. Er mußte in dem fürstlichen Jagdhause wohnen. welches Herzog Casimir am Walde sich für die Zeit der Auerhahnsbalz gebauet hatte. In dem Forsthaus nebenan hauste ein trotziger Förster, die Gegend war wild, wenig bewohnt und das Volk durch den Krieg und gesetzloses Waldleben roh. Es scheint, daß der neue Pfarrer den Waldmenschen nicht besonders willkommen war; besonders der Förster wurde sein heftiger Gegner, und verstohlen klagt der Pfarrer in latei¬ nischen Distichen, die er in das Kirchenbuch schrieb, seinem Nachfolger das bittere Leid, welches ihm dieser Diener des Waldes zufüge. Er warnt den zukünftigen Pastor brüderlich vor der Schlechtigkeit des Mannes und vor dessen böser Frau. Aber trotz dieser Händel läßt sich schließen, daß der viel- geplagte Dulder nicht ganz unglücklich gewesen ist. .eine harmlose Selbst¬ beschaulichkeit ist auch aus seinen lateinischen Versen zu erkennen. Als er endlich starb, wurden, wie damals Sitte war. von ansehnlichen Amtsbrüdern rüh¬ mende Verse auf ihn gemacht, von denen uns lateinische und deutsche erhalten sind. Sogar Herr Andreas Bachmann, Hofprediger zu Gotha, ein vornehmer Mann, gönnte „seinem lieben, alten, nunmehr seligen Amtsbruder" die Krone der Ehre, welche folgendermaßen anfängt und hier schließen soll! „Martinus Bötzingcr, ein treuer Gottcsknecht. Im Pfarramt lange Zeit, wie Hiob schlecht und recht, Doch nimmer ohne Kreuz, ein wohlgeplagter Mann, Wie seines Lebens Laus des Weitem zeugen kann/ — Der deutsche Dualismus. Gothaischcs geschichtliches Jahrbuch 185«. Der europäischen Chronik neue Folge. Im Verein mit mehreren Publicisten herausgegeben von Dr. AurcUv Buddeus, Mit 82 politischen Aktenstücken. - Gotha. Schcuvc. — Unser Jahrbundert. Gallerie politischer und literarischer Persönlichkeiten. Bio¬ graphien und Charakteristiken. I. Bd. Stein. Fichte. Brück. — Gothn. Scheuvc. — Das Leben des Generals Friedrich von Gagern. Von Heinrich von Gagern, - Zweiter Band 1. und 2, Abth. - Leipzig und Heidelberg, Winter. Greuzb^en I. >,-^,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/73>, abgerufen am 29.04.2024.