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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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Kleie genug kaufen können zu Brot. Mein Superintendent H. Grams starb
wegen schwedischen Trunks aus dem Schloß etwa vier oder fünf Wochen nach
diesem Tumult.

Weil nun die Exactivnes und Pressuren immer fort gingen, ich keine
Besoldung haben konnte, und doch neben meiner Pfarre auch die Pfarre zu
Heldburg mußte helfen versehen, ging ich can wstimvirio <K cvuLilio Dr. Kes-
lers und mit Recommandationschreiben gen Eisenach zu Herzog Albert, und
trug Unterschiedlichen im Consistorio meine Armuth vor. Bekam Vergünstigung
und andere Recommandativn an Ihro Fürstl. Gnaden beide Herren Brüder, ob
ich in Dero Landen konnte befördert werden. Also kam ich von Eisenach
nach Gotha. eben als unser Gu> Fürst und Herr Herzog Ernst das
Kaufhaus zur Residenz machen ließ. Denn ich habe die Huldigung zu
Gotha und angesehen. Das Fürstl. Konsistorium ließ mir bald die Pfarre
Röllchen vorschlagen. Weil aber die Notleber mit ihrem alten Pfarrer
disceptirtcn, und vier Wochen Aufschub hatten, ihren Krieg auszuführen,
suadirte H. Dr. Glaß, ich sollte indol-im mit meiner Recommandation nach
Weimar gehen und für meine arme Hausgenossen etwas colligiren. Mein
Vagiren aber währete bis anno 1641. Ich kam Dienstags d. 18. Jan.
wieder nach Gotha, und stand die Pfarre für mich noch offen, welche ich in
höchster Unterthänigkeit und Dankbarkeit angenommen, und W Matth. 20 vom
Weinberg die Probepredigt gethan habe. Ich habe aber zu Röllchen nicht allein
unsicher gelebt, da man täglich ans die Flucht handeln mußte, sondern auch
Streitigkeiten mit den Bauern gehabt, die in Kirchen- und Schulsachen das
Maul immer nach Erfurt hingen, und alle Fürstl. Ordnungen wegen des
Catechrsmi bei ihnen odios waren. Ich Pfarrer mußte das bei dem Rath
und Bauern entgelten, und weil alle Besoldung in der Ländern stak, dazu
ich weder Hofmeister noch andere Mittel haben konnte, daß ich zurecht
gekommen wäre, suchte ich unterthänig an um eine Translocation. Und hat
unser Gu. Fürst und Herr, sobald er nach der Erbtheilung die Pfarre Crock,
und dies Dorf (Heubach) betrachtet, mich zum Pfarrer hierher vorgeschlagen,
welches ich länger, als ein Jahr zuvor erfuhr. Habe also anno 47. diese
Versetzung unterthänig angenommen, und am Sonntage Judica meine Probe¬
predigt gethan, in Gegenwart der H. Commissarien und Eingepsarrten. Die
Voccttion bekam ich des andern Tages, und bin also im Namen Gottes heraus¬
gezogen mit Weib und Kind. Und dies wäre mein vierter Kirchendienst, wo
ich für meine Person begehre zu sterben, so es Gottes Wille wäre, aber mein
Weib sehnet sich weg, wegen großen beschwerlichen Mangels an Dienstboten,
an einen bessern und ebenern Ort. Ich stells Gott und der Obrigkeit heim."

So weit reicht, was von der Biographie Bötzingers erhalten ist. -- In
Heubach endlich erlebte er den Frieden, und verwaltete dort noch 2" Jahre


Kleie genug kaufen können zu Brot. Mein Superintendent H. Grams starb
wegen schwedischen Trunks aus dem Schloß etwa vier oder fünf Wochen nach
diesem Tumult.

Weil nun die Exactivnes und Pressuren immer fort gingen, ich keine
Besoldung haben konnte, und doch neben meiner Pfarre auch die Pfarre zu
Heldburg mußte helfen versehen, ging ich can wstimvirio <K cvuLilio Dr. Kes-
lers und mit Recommandationschreiben gen Eisenach zu Herzog Albert, und
trug Unterschiedlichen im Consistorio meine Armuth vor. Bekam Vergünstigung
und andere Recommandativn an Ihro Fürstl. Gnaden beide Herren Brüder, ob
ich in Dero Landen konnte befördert werden. Also kam ich von Eisenach
nach Gotha. eben als unser Gu> Fürst und Herr Herzog Ernst das
Kaufhaus zur Residenz machen ließ. Denn ich habe die Huldigung zu
Gotha und angesehen. Das Fürstl. Konsistorium ließ mir bald die Pfarre
Röllchen vorschlagen. Weil aber die Notleber mit ihrem alten Pfarrer
disceptirtcn, und vier Wochen Aufschub hatten, ihren Krieg auszuführen,
suadirte H. Dr. Glaß, ich sollte indol-im mit meiner Recommandation nach
Weimar gehen und für meine arme Hausgenossen etwas colligiren. Mein
Vagiren aber währete bis anno 1641. Ich kam Dienstags d. 18. Jan.
wieder nach Gotha, und stand die Pfarre für mich noch offen, welche ich in
höchster Unterthänigkeit und Dankbarkeit angenommen, und W Matth. 20 vom
Weinberg die Probepredigt gethan habe. Ich habe aber zu Röllchen nicht allein
unsicher gelebt, da man täglich ans die Flucht handeln mußte, sondern auch
Streitigkeiten mit den Bauern gehabt, die in Kirchen- und Schulsachen das
Maul immer nach Erfurt hingen, und alle Fürstl. Ordnungen wegen des
Catechrsmi bei ihnen odios waren. Ich Pfarrer mußte das bei dem Rath
und Bauern entgelten, und weil alle Besoldung in der Ländern stak, dazu
ich weder Hofmeister noch andere Mittel haben konnte, daß ich zurecht
gekommen wäre, suchte ich unterthänig an um eine Translocation. Und hat
unser Gu. Fürst und Herr, sobald er nach der Erbtheilung die Pfarre Crock,
und dies Dorf (Heubach) betrachtet, mich zum Pfarrer hierher vorgeschlagen,
welches ich länger, als ein Jahr zuvor erfuhr. Habe also anno 47. diese
Versetzung unterthänig angenommen, und am Sonntage Judica meine Probe¬
predigt gethan, in Gegenwart der H. Commissarien und Eingepsarrten. Die
Voccttion bekam ich des andern Tages, und bin also im Namen Gottes heraus¬
gezogen mit Weib und Kind. Und dies wäre mein vierter Kirchendienst, wo
ich für meine Person begehre zu sterben, so es Gottes Wille wäre, aber mein
Weib sehnet sich weg, wegen großen beschwerlichen Mangels an Dienstboten,
an einen bessern und ebenern Ort. Ich stells Gott und der Obrigkeit heim."

So weit reicht, was von der Biographie Bötzingers erhalten ist. — In
Heubach endlich erlebte er den Frieden, und verwaltete dort noch 2« Jahre


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[0072] Kleie genug kaufen können zu Brot. Mein Superintendent H. Grams starb wegen schwedischen Trunks aus dem Schloß etwa vier oder fünf Wochen nach diesem Tumult. Weil nun die Exactivnes und Pressuren immer fort gingen, ich keine Besoldung haben konnte, und doch neben meiner Pfarre auch die Pfarre zu Heldburg mußte helfen versehen, ging ich can wstimvirio <K cvuLilio Dr. Kes- lers und mit Recommandationschreiben gen Eisenach zu Herzog Albert, und trug Unterschiedlichen im Consistorio meine Armuth vor. Bekam Vergünstigung und andere Recommandativn an Ihro Fürstl. Gnaden beide Herren Brüder, ob ich in Dero Landen konnte befördert werden. Also kam ich von Eisenach nach Gotha. eben als unser Gu> Fürst und Herr Herzog Ernst das Kaufhaus zur Residenz machen ließ. Denn ich habe die Huldigung zu Gotha und angesehen. Das Fürstl. Konsistorium ließ mir bald die Pfarre Röllchen vorschlagen. Weil aber die Notleber mit ihrem alten Pfarrer disceptirtcn, und vier Wochen Aufschub hatten, ihren Krieg auszuführen, suadirte H. Dr. Glaß, ich sollte indol-im mit meiner Recommandation nach Weimar gehen und für meine arme Hausgenossen etwas colligiren. Mein Vagiren aber währete bis anno 1641. Ich kam Dienstags d. 18. Jan. wieder nach Gotha, und stand die Pfarre für mich noch offen, welche ich in höchster Unterthänigkeit und Dankbarkeit angenommen, und W Matth. 20 vom Weinberg die Probepredigt gethan habe. Ich habe aber zu Röllchen nicht allein unsicher gelebt, da man täglich ans die Flucht handeln mußte, sondern auch Streitigkeiten mit den Bauern gehabt, die in Kirchen- und Schulsachen das Maul immer nach Erfurt hingen, und alle Fürstl. Ordnungen wegen des Catechrsmi bei ihnen odios waren. Ich Pfarrer mußte das bei dem Rath und Bauern entgelten, und weil alle Besoldung in der Ländern stak, dazu ich weder Hofmeister noch andere Mittel haben konnte, daß ich zurecht gekommen wäre, suchte ich unterthänig an um eine Translocation. Und hat unser Gu. Fürst und Herr, sobald er nach der Erbtheilung die Pfarre Crock, und dies Dorf (Heubach) betrachtet, mich zum Pfarrer hierher vorgeschlagen, welches ich länger, als ein Jahr zuvor erfuhr. Habe also anno 47. diese Versetzung unterthänig angenommen, und am Sonntage Judica meine Probe¬ predigt gethan, in Gegenwart der H. Commissarien und Eingepsarrten. Die Voccttion bekam ich des andern Tages, und bin also im Namen Gottes heraus¬ gezogen mit Weib und Kind. Und dies wäre mein vierter Kirchendienst, wo ich für meine Person begehre zu sterben, so es Gottes Wille wäre, aber mein Weib sehnet sich weg, wegen großen beschwerlichen Mangels an Dienstboten, an einen bessern und ebenern Ort. Ich stells Gott und der Obrigkeit heim." So weit reicht, was von der Biographie Bötzingers erhalten ist. — In Heubach endlich erlebte er den Frieden, und verwaltete dort noch 2« Jahre

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/72>, abgerufen am 15.05.2024.