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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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Bilder aus der deutschen Vergangenheit.
Der deutsche Teufel im 1<>. Jahrhundert.

Die folgenden Blätter sollen in kurzen Strichen das Bild einer Phantasie¬
gestalt skizziren, welche 150" Jahre das Gemüth der Deutschen beschäftigt
hat, wie nur wenige wirkliche Existenzen. Auch die Wahngebilde des Menschen¬
geschlechts haben eine Geschichte, sie formen sich um und entwickeln sich
wie die Persönlichkeit der Völker, denen sie wichtig sind. Noch fehlt eine
Geschichte des Teufels. Wer sie aber auch mit wissenschaftlichem Sinn
schreibe, er wird immer an das anknüpfen müssen, was Jakob Grimm in
seiner Mythologie gefunden hat.

Die ältesten jüdischen Urkunden kennen den Teufel nicht. Die Schlange
Evas ist erst durch spätere Deutungen, welche auch in unsern Glauben über¬
gingen, zum Satan geworden; der Versucher gibt weder Kain den Gedanken des
Brudermordes ein, noch nimmt er dem jüdischen Gott die Mühe ab, die
Zauberer Pharaos durch das massenhafte Erzeugen von Ungeziefer und Krank¬
heiten zu schlagen. Erst nach der babylonischen Gefangenschaft kam sein
Bild aus der Religion der Perser zu den Juden. Der Teufel verdankt feinen
Ursprung keiner Volksreligion d. h. keinem Gottesglauben, in welchem noch
die Seele eines ganzen Volkes sich schaffend und umformend abspiegelt, denn
er kam auch den Persern erst durch Zarathustra und dessen geoffenbarte Reli¬
gion. Erst in der Seele des Einzelnen spannen sich die Gegensätze zwischen
gut und böse, hell und dunkel, heilbringend und schädlich zu einem conse-
quent durchgeführten Dualismus, Gegensätze, welche in jeder Volksreligion
durch die Fülle der Bildungen immer von neuem erzeugt und immer wieder
verwischt werden. Durch die verständige Reflexion und den dürren Schema¬
tismus eines Priesterglaubens werden dann die durch Speculntion vergeistigter
Persönlichkeiten der Götter genauer bestimmt und in ein System gebracht.
Die dunkle Gestalt eines bösen Princips, welches dem Lichte, dem Leben, der
Sittlichkeit des Menschen entgegenarbeite, erschien bereits den Persern als
Fürst eines Reiches böser Geister. Nur allmälig gewann diese Gestalt bei
den Juden eine entsprechende Bedeutung. Im Buche Hiob gehört Satan
noch zum Hofstaat Jehovas, der jüdische Gott unterhält sich mit ihm etwa


Grenzboten II. 1356. 46
Bilder aus der deutschen Vergangenheit.
Der deutsche Teufel im 1<>. Jahrhundert.

Die folgenden Blätter sollen in kurzen Strichen das Bild einer Phantasie¬
gestalt skizziren, welche 150« Jahre das Gemüth der Deutschen beschäftigt
hat, wie nur wenige wirkliche Existenzen. Auch die Wahngebilde des Menschen¬
geschlechts haben eine Geschichte, sie formen sich um und entwickeln sich
wie die Persönlichkeit der Völker, denen sie wichtig sind. Noch fehlt eine
Geschichte des Teufels. Wer sie aber auch mit wissenschaftlichem Sinn
schreibe, er wird immer an das anknüpfen müssen, was Jakob Grimm in
seiner Mythologie gefunden hat.

Die ältesten jüdischen Urkunden kennen den Teufel nicht. Die Schlange
Evas ist erst durch spätere Deutungen, welche auch in unsern Glauben über¬
gingen, zum Satan geworden; der Versucher gibt weder Kain den Gedanken des
Brudermordes ein, noch nimmt er dem jüdischen Gott die Mühe ab, die
Zauberer Pharaos durch das massenhafte Erzeugen von Ungeziefer und Krank¬
heiten zu schlagen. Erst nach der babylonischen Gefangenschaft kam sein
Bild aus der Religion der Perser zu den Juden. Der Teufel verdankt feinen
Ursprung keiner Volksreligion d. h. keinem Gottesglauben, in welchem noch
die Seele eines ganzen Volkes sich schaffend und umformend abspiegelt, denn
er kam auch den Persern erst durch Zarathustra und dessen geoffenbarte Reli¬
gion. Erst in der Seele des Einzelnen spannen sich die Gegensätze zwischen
gut und böse, hell und dunkel, heilbringend und schädlich zu einem conse-
quent durchgeführten Dualismus, Gegensätze, welche in jeder Volksreligion
durch die Fülle der Bildungen immer von neuem erzeugt und immer wieder
verwischt werden. Durch die verständige Reflexion und den dürren Schema¬
tismus eines Priesterglaubens werden dann die durch Speculntion vergeistigter
Persönlichkeiten der Götter genauer bestimmt und in ein System gebracht.
Die dunkle Gestalt eines bösen Princips, welches dem Lichte, dem Leben, der
Sittlichkeit des Menschen entgegenarbeite, erschien bereits den Persern als
Fürst eines Reiches böser Geister. Nur allmälig gewann diese Gestalt bei
den Juden eine entsprechende Bedeutung. Im Buche Hiob gehört Satan
noch zum Hofstaat Jehovas, der jüdische Gott unterhält sich mit ihm etwa


Grenzboten II. 1356. 46
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[0369] Bilder aus der deutschen Vergangenheit. Der deutsche Teufel im 1<>. Jahrhundert. Die folgenden Blätter sollen in kurzen Strichen das Bild einer Phantasie¬ gestalt skizziren, welche 150« Jahre das Gemüth der Deutschen beschäftigt hat, wie nur wenige wirkliche Existenzen. Auch die Wahngebilde des Menschen¬ geschlechts haben eine Geschichte, sie formen sich um und entwickeln sich wie die Persönlichkeit der Völker, denen sie wichtig sind. Noch fehlt eine Geschichte des Teufels. Wer sie aber auch mit wissenschaftlichem Sinn schreibe, er wird immer an das anknüpfen müssen, was Jakob Grimm in seiner Mythologie gefunden hat. Die ältesten jüdischen Urkunden kennen den Teufel nicht. Die Schlange Evas ist erst durch spätere Deutungen, welche auch in unsern Glauben über¬ gingen, zum Satan geworden; der Versucher gibt weder Kain den Gedanken des Brudermordes ein, noch nimmt er dem jüdischen Gott die Mühe ab, die Zauberer Pharaos durch das massenhafte Erzeugen von Ungeziefer und Krank¬ heiten zu schlagen. Erst nach der babylonischen Gefangenschaft kam sein Bild aus der Religion der Perser zu den Juden. Der Teufel verdankt feinen Ursprung keiner Volksreligion d. h. keinem Gottesglauben, in welchem noch die Seele eines ganzen Volkes sich schaffend und umformend abspiegelt, denn er kam auch den Persern erst durch Zarathustra und dessen geoffenbarte Reli¬ gion. Erst in der Seele des Einzelnen spannen sich die Gegensätze zwischen gut und böse, hell und dunkel, heilbringend und schädlich zu einem conse- quent durchgeführten Dualismus, Gegensätze, welche in jeder Volksreligion durch die Fülle der Bildungen immer von neuem erzeugt und immer wieder verwischt werden. Durch die verständige Reflexion und den dürren Schema¬ tismus eines Priesterglaubens werden dann die durch Speculntion vergeistigter Persönlichkeiten der Götter genauer bestimmt und in ein System gebracht. Die dunkle Gestalt eines bösen Princips, welches dem Lichte, dem Leben, der Sittlichkeit des Menschen entgegenarbeite, erschien bereits den Persern als Fürst eines Reiches böser Geister. Nur allmälig gewann diese Gestalt bei den Juden eine entsprechende Bedeutung. Im Buche Hiob gehört Satan noch zum Hofstaat Jehovas, der jüdische Gott unterhält sich mit ihm etwa Grenzboten II. 1356. 46

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/369>, abgerufen am 02.05.2024.