Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Das Ministerium Derby und die ostindische Verumltung.

Es geht nichts über die Gewalt der Thatsachen! Derselbe D'Jsraeli,
welcher als einfaches Parlamentsmitglied die ostindischen Verhältnisse gebraucht
hat, um dem Palmerstonschen Ministerium so viele Wunden beizubringen als
irgend möglich, der tuend einer Veränderung oder gar einer Aufhebung der
ostindischen Gesellschaft als einer verkehrten, ja schädlichen Maßregel wider¬
sprochen hat, und der jeder weitern Gesetzgebung eine gründliche Untersuchung
ostindischer Zustände an Ort und Stelle vorausgehen lassen wollte, -- kaum
hat der Zufall ihm auf die Ministerbank geholfen, als er dieser Vergangen¬
heit zum Trotz selbst die Grundzüge einer Bill einbringt, welche nicht im
Grundgedanken, sondern nur in den Einzelheiten von dem abweicht, was er
früher so eifrig bekämpfte. Eine neue Verfassung für,Ostindien ohne vorherige
Untersuchung, eine Aushebung der ostindischen Gesellschaft und deren Ersetzung
durch eine Regierungsbehörde, das hat Palmerston vorgeschlagen, und das
schlagt Lord Ellenborough im Verein mit D'Jsraeli vor. Und was hat diese
so rasche und so gründliche Sinnesänderung bewirkt? Der jetzige Führer des
Unterhauses hat in seiner Rede die Ursachen selber angegeben: einmal die
frühere, unter dem Palmerstonschen Ministerium gefaßte Resolution des Unter¬
hauses, welche auf eine Abschaffung der East Jndia Company hinausging,
sodann die Uebernahme der Ministerstclle selbst. Wunderliche Motive! Wäre
also die Verwicklung mit Frankreich einige Tage früher erfolgt, und demnach
auch Palmerston ebenso viel früher gestürzt worden, so daß er jene Resolution
dem Unterhause nicht hätte vorlegen können, so würde D'Jsraeli sich in
seinem staatsmännischen Gewissen nicht sür verpflichtet erachtet haben, auf
jene Maßregeln zu kommen? Das glaube, wer das Unmögliche sür möglich
erachtet. Nach dem allem, was das letzte Jahr in Ostindien sich zugetragen,
war ein einfaches Bestehenlassen des hergebrachten Zustandes, war vor allem
die Aufrechthaltung jener alles energische Handeln und jede wirkliche Verant¬
wortlichkeit aufhebenden Doppelregierung nothwendig ausgeschlossen. Ware
jene Resolution nicht vorangegangen, so hätte D'Jsraeli in seiner Rede hoch.


Grenzbotc" II. 18S8. H
Das Ministerium Derby und die ostindische Verumltung.

Es geht nichts über die Gewalt der Thatsachen! Derselbe D'Jsraeli,
welcher als einfaches Parlamentsmitglied die ostindischen Verhältnisse gebraucht
hat, um dem Palmerstonschen Ministerium so viele Wunden beizubringen als
irgend möglich, der tuend einer Veränderung oder gar einer Aufhebung der
ostindischen Gesellschaft als einer verkehrten, ja schädlichen Maßregel wider¬
sprochen hat, und der jeder weitern Gesetzgebung eine gründliche Untersuchung
ostindischer Zustände an Ort und Stelle vorausgehen lassen wollte, — kaum
hat der Zufall ihm auf die Ministerbank geholfen, als er dieser Vergangen¬
heit zum Trotz selbst die Grundzüge einer Bill einbringt, welche nicht im
Grundgedanken, sondern nur in den Einzelheiten von dem abweicht, was er
früher so eifrig bekämpfte. Eine neue Verfassung für,Ostindien ohne vorherige
Untersuchung, eine Aushebung der ostindischen Gesellschaft und deren Ersetzung
durch eine Regierungsbehörde, das hat Palmerston vorgeschlagen, und das
schlagt Lord Ellenborough im Verein mit D'Jsraeli vor. Und was hat diese
so rasche und so gründliche Sinnesänderung bewirkt? Der jetzige Führer des
Unterhauses hat in seiner Rede die Ursachen selber angegeben: einmal die
frühere, unter dem Palmerstonschen Ministerium gefaßte Resolution des Unter¬
hauses, welche auf eine Abschaffung der East Jndia Company hinausging,
sodann die Uebernahme der Ministerstclle selbst. Wunderliche Motive! Wäre
also die Verwicklung mit Frankreich einige Tage früher erfolgt, und demnach
auch Palmerston ebenso viel früher gestürzt worden, so daß er jene Resolution
dem Unterhause nicht hätte vorlegen können, so würde D'Jsraeli sich in
seinem staatsmännischen Gewissen nicht sür verpflichtet erachtet haben, auf
jene Maßregeln zu kommen? Das glaube, wer das Unmögliche sür möglich
erachtet. Nach dem allem, was das letzte Jahr in Ostindien sich zugetragen,
war ein einfaches Bestehenlassen des hergebrachten Zustandes, war vor allem
die Aufrechthaltung jener alles energische Handeln und jede wirkliche Verant¬
wortlichkeit aufhebenden Doppelregierung nothwendig ausgeschlossen. Ware
jene Resolution nicht vorangegangen, so hätte D'Jsraeli in seiner Rede hoch.


Grenzbotc» II. 18S8. H
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0089" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186501"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Das Ministerium Derby und die ostindische Verumltung.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_217" next="#ID_218"> Es geht nichts über die Gewalt der Thatsachen! Derselbe D'Jsraeli,<lb/>
welcher als einfaches Parlamentsmitglied die ostindischen Verhältnisse gebraucht<lb/>
hat, um dem Palmerstonschen Ministerium so viele Wunden beizubringen als<lb/>
irgend möglich, der tuend einer Veränderung oder gar einer Aufhebung der<lb/>
ostindischen Gesellschaft als einer verkehrten, ja schädlichen Maßregel wider¬<lb/>
sprochen hat, und der jeder weitern Gesetzgebung eine gründliche Untersuchung<lb/>
ostindischer Zustände an Ort und Stelle vorausgehen lassen wollte, &#x2014; kaum<lb/>
hat der Zufall ihm auf die Ministerbank geholfen, als er dieser Vergangen¬<lb/>
heit zum Trotz selbst die Grundzüge einer Bill einbringt, welche nicht im<lb/>
Grundgedanken, sondern nur in den Einzelheiten von dem abweicht, was er<lb/>
früher so eifrig bekämpfte. Eine neue Verfassung für,Ostindien ohne vorherige<lb/>
Untersuchung, eine Aushebung der ostindischen Gesellschaft und deren Ersetzung<lb/>
durch eine Regierungsbehörde, das hat Palmerston vorgeschlagen, und das<lb/>
schlagt Lord Ellenborough im Verein mit D'Jsraeli vor. Und was hat diese<lb/>
so rasche und so gründliche Sinnesänderung bewirkt? Der jetzige Führer des<lb/>
Unterhauses hat in seiner Rede die Ursachen selber angegeben: einmal die<lb/>
frühere, unter dem Palmerstonschen Ministerium gefaßte Resolution des Unter¬<lb/>
hauses, welche auf eine Abschaffung der East Jndia Company hinausging,<lb/>
sodann die Uebernahme der Ministerstclle selbst. Wunderliche Motive! Wäre<lb/>
also die Verwicklung mit Frankreich einige Tage früher erfolgt, und demnach<lb/>
auch Palmerston ebenso viel früher gestürzt worden, so daß er jene Resolution<lb/>
dem Unterhause nicht hätte vorlegen können, so würde D'Jsraeli sich in<lb/>
seinem staatsmännischen Gewissen nicht sür verpflichtet erachtet haben, auf<lb/>
jene Maßregeln zu kommen? Das glaube, wer das Unmögliche sür möglich<lb/>
erachtet. Nach dem allem, was das letzte Jahr in Ostindien sich zugetragen,<lb/>
war ein einfaches Bestehenlassen des hergebrachten Zustandes, war vor allem<lb/>
die Aufrechthaltung jener alles energische Handeln und jede wirkliche Verant¬<lb/>
wortlichkeit aufhebenden Doppelregierung nothwendig ausgeschlossen. Ware<lb/>
jene Resolution nicht vorangegangen, so hätte D'Jsraeli in seiner Rede hoch.</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzbotc» II. 18S8. H</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0089] Das Ministerium Derby und die ostindische Verumltung. Es geht nichts über die Gewalt der Thatsachen! Derselbe D'Jsraeli, welcher als einfaches Parlamentsmitglied die ostindischen Verhältnisse gebraucht hat, um dem Palmerstonschen Ministerium so viele Wunden beizubringen als irgend möglich, der tuend einer Veränderung oder gar einer Aufhebung der ostindischen Gesellschaft als einer verkehrten, ja schädlichen Maßregel wider¬ sprochen hat, und der jeder weitern Gesetzgebung eine gründliche Untersuchung ostindischer Zustände an Ort und Stelle vorausgehen lassen wollte, — kaum hat der Zufall ihm auf die Ministerbank geholfen, als er dieser Vergangen¬ heit zum Trotz selbst die Grundzüge einer Bill einbringt, welche nicht im Grundgedanken, sondern nur in den Einzelheiten von dem abweicht, was er früher so eifrig bekämpfte. Eine neue Verfassung für,Ostindien ohne vorherige Untersuchung, eine Aushebung der ostindischen Gesellschaft und deren Ersetzung durch eine Regierungsbehörde, das hat Palmerston vorgeschlagen, und das schlagt Lord Ellenborough im Verein mit D'Jsraeli vor. Und was hat diese so rasche und so gründliche Sinnesänderung bewirkt? Der jetzige Führer des Unterhauses hat in seiner Rede die Ursachen selber angegeben: einmal die frühere, unter dem Palmerstonschen Ministerium gefaßte Resolution des Unter¬ hauses, welche auf eine Abschaffung der East Jndia Company hinausging, sodann die Uebernahme der Ministerstclle selbst. Wunderliche Motive! Wäre also die Verwicklung mit Frankreich einige Tage früher erfolgt, und demnach auch Palmerston ebenso viel früher gestürzt worden, so daß er jene Resolution dem Unterhause nicht hätte vorlegen können, so würde D'Jsraeli sich in seinem staatsmännischen Gewissen nicht sür verpflichtet erachtet haben, auf jene Maßregeln zu kommen? Das glaube, wer das Unmögliche sür möglich erachtet. Nach dem allem, was das letzte Jahr in Ostindien sich zugetragen, war ein einfaches Bestehenlassen des hergebrachten Zustandes, war vor allem die Aufrechthaltung jener alles energische Handeln und jede wirkliche Verant¬ wortlichkeit aufhebenden Doppelregierung nothwendig ausgeschlossen. Ware jene Resolution nicht vorangegangen, so hätte D'Jsraeli in seiner Rede hoch. Grenzbotc» II. 18S8. H

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/89
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/89>, abgerufen am 02.05.2024.