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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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Werner, seinem ersten Drama nach dem Vorbild Kotzebues: "Wir alle sind des
Staubes schwache Söhne und niemand ist, der sich rühmen könnte, die Ge¬
danken Gottes zu errathen."

Aber der Dichter hat noch einen höhern Zweck. >

Der erste Band ist nur das Vorspiel: "die nachfolgende Dichtung will,
so weit dem Wort eine Wirkung zukommen kann, beitragen helfen, die vater¬
ländische Einheit zu fördern ... sie will einem großen sehnsüchtigen, auch
von ihr heilig gehaltenen Hang und Drang der christlichen Völker würdige
Ziele zeigen, sie will für jede heraufziehende Entscheidung den germanischen
Kampfesmuth schüren, tausendjährigen Siegerstolz nähren helfen" . . .


"Der Verfasser widmet das Buch seinem Volke und
seiner Zeit."

Also Einheit des Vaterlandes! höheres Christenthum! germanischer Kam¬
pfesmuth! --

Als Heine im Wintermärchen die Hamburger Zustünde bespricht, erzählt
er, wie ihn die Göttin Hammonia vor eine runde Oeffnung führt, in welche
er den Kopf stecken foll:


Was ich gesehn, verrathe ich nicht,
Ich habe zu schweigen versprochen,
Erlaubt ist mir zu sagen kaum,
O Gott! was ich gerochen -- -- --
Ich denke mit Widerwillen noch
An jene schnöden, verfluchten
Vorspielgerüche, das schien ein Gemisch
Von altem Kohl und Juchten u. f. w.



Das europäische Gleichgewicht der Zukunft.

Es ist natürlich, daß, wenn ein Staat an einem Wendepunkt seiner Lauf¬
bahn angekommen zu sein scheint, denkende Männer die Frage erörtern, wel¬
ches ihr Fortgang sein wird. Diese Erörterung kann öffentlich oder geheim
geführt werden. Allgemeine Erwägungen über die Zukunft wird man in einem
wohlgeordneten Staatswesen in unserer Zeit schwerlich tadeln, sie sind der
unwillkürliche Ausdruck der geistigen Bewegung und nicht nur unschädlich,
sondern nothwendig. Anders verhält es sich mit bestimmten praktischen Vor-


Werner, seinem ersten Drama nach dem Vorbild Kotzebues: „Wir alle sind des
Staubes schwache Söhne und niemand ist, der sich rühmen könnte, die Ge¬
danken Gottes zu errathen."

Aber der Dichter hat noch einen höhern Zweck. >

Der erste Band ist nur das Vorspiel: „die nachfolgende Dichtung will,
so weit dem Wort eine Wirkung zukommen kann, beitragen helfen, die vater¬
ländische Einheit zu fördern ... sie will einem großen sehnsüchtigen, auch
von ihr heilig gehaltenen Hang und Drang der christlichen Völker würdige
Ziele zeigen, sie will für jede heraufziehende Entscheidung den germanischen
Kampfesmuth schüren, tausendjährigen Siegerstolz nähren helfen" . . .


„Der Verfasser widmet das Buch seinem Volke und
seiner Zeit."

Also Einheit des Vaterlandes! höheres Christenthum! germanischer Kam¬
pfesmuth! --

Als Heine im Wintermärchen die Hamburger Zustünde bespricht, erzählt
er, wie ihn die Göttin Hammonia vor eine runde Oeffnung führt, in welche
er den Kopf stecken foll:


Was ich gesehn, verrathe ich nicht,
Ich habe zu schweigen versprochen,
Erlaubt ist mir zu sagen kaum,
O Gott! was ich gerochen — — —
Ich denke mit Widerwillen noch
An jene schnöden, verfluchten
Vorspielgerüche, das schien ein Gemisch
Von altem Kohl und Juchten u. f. w.



Das europäische Gleichgewicht der Zukunft.

Es ist natürlich, daß, wenn ein Staat an einem Wendepunkt seiner Lauf¬
bahn angekommen zu sein scheint, denkende Männer die Frage erörtern, wel¬
ches ihr Fortgang sein wird. Diese Erörterung kann öffentlich oder geheim
geführt werden. Allgemeine Erwägungen über die Zukunft wird man in einem
wohlgeordneten Staatswesen in unserer Zeit schwerlich tadeln, sie sind der
unwillkürliche Ausdruck der geistigen Bewegung und nicht nur unschädlich,
sondern nothwendig. Anders verhält es sich mit bestimmten praktischen Vor-


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[0200] Werner, seinem ersten Drama nach dem Vorbild Kotzebues: „Wir alle sind des Staubes schwache Söhne und niemand ist, der sich rühmen könnte, die Ge¬ danken Gottes zu errathen." Aber der Dichter hat noch einen höhern Zweck. > Der erste Band ist nur das Vorspiel: „die nachfolgende Dichtung will, so weit dem Wort eine Wirkung zukommen kann, beitragen helfen, die vater¬ ländische Einheit zu fördern ... sie will einem großen sehnsüchtigen, auch von ihr heilig gehaltenen Hang und Drang der christlichen Völker würdige Ziele zeigen, sie will für jede heraufziehende Entscheidung den germanischen Kampfesmuth schüren, tausendjährigen Siegerstolz nähren helfen" . . . „Der Verfasser widmet das Buch seinem Volke und seiner Zeit." Also Einheit des Vaterlandes! höheres Christenthum! germanischer Kam¬ pfesmuth! -- Als Heine im Wintermärchen die Hamburger Zustünde bespricht, erzählt er, wie ihn die Göttin Hammonia vor eine runde Oeffnung führt, in welche er den Kopf stecken foll: Was ich gesehn, verrathe ich nicht, Ich habe zu schweigen versprochen, Erlaubt ist mir zu sagen kaum, O Gott! was ich gerochen — — — Ich denke mit Widerwillen noch An jene schnöden, verfluchten Vorspielgerüche, das schien ein Gemisch Von altem Kohl und Juchten u. f. w. Das europäische Gleichgewicht der Zukunft. Es ist natürlich, daß, wenn ein Staat an einem Wendepunkt seiner Lauf¬ bahn angekommen zu sein scheint, denkende Männer die Frage erörtern, wel¬ ches ihr Fortgang sein wird. Diese Erörterung kann öffentlich oder geheim geführt werden. Allgemeine Erwägungen über die Zukunft wird man in einem wohlgeordneten Staatswesen in unserer Zeit schwerlich tadeln, sie sind der unwillkürliche Ausdruck der geistigen Bewegung und nicht nur unschädlich, sondern nothwendig. Anders verhält es sich mit bestimmten praktischen Vor-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/200>, abgerufen am 05.05.2024.