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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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Doctrin, daß das uneingeschränkte Wahlrecht unter allen Umständen verwerflich sei,
glauben wir doch nicht, daß in seiner gegenwärtigen Lage der preußische Staat die
Gefahren desselben ertragen kann. Wer aber diesen Glauben mit uns theilt, scheint
uns, wenn er befragt wird, zu einem offnen Aussprechen desselben verpflichtet
zu sein.

Die Kreuzzeitung verheißt uns das wunderbare Schauspiel, daß ihre Partei
"gegen Liberalismus, Demokratie und Bureaukratie" die Fahne der Freiheit erheben
wird. Wir sehen dieser Wendung mit stillem Behagen entgegen, fürchten aber, wie
früher, im entscheidenden Augenblick darüber belehrt zu werden, daß "Freiheit" so
viel heißt als "Knechtschaft". Immerhin wird der Reiz der Neuheit nicht ausbleiben;
nur täuscht sich die "kleine aber mächtige" Partei, wenn sie ihre parlamentarischen
Größen, etwa Stahl, Wagner und Herrn v. Gerlach (den in der Kammer)
für ihre Führer hält; ihre Führer waren der andere Herr v. Gerlach und etwa
Herr v. Westphalen. Nicht die Doctrin, nicht der Witz hat die "kleine aber mäch¬
-j- 5 tige" Partei zusammengehalten.




Historische Schriften.

Geschichte der Stadt und Universität Freiburg im Breisgau von
Heinrich Schreiber. Freiburg, Wangler. -- Mit der sechsten Lieferung, welche
die Periode vom ryswvker Frieden bis zum Uebergang der Stadt an das großher¬
zogliche Haus Baden behandelt, ist nun die Geschichte der Stadt abgeschlossen; zur
Vollendung des Werks sehlt noch die Geschichte der Universität seit der Reformation.
Unter den zahlreichen Stadtgeschichten, die in den letzten Jahren erschienen sind und
einen sehr wichtigen Beitrag für die Entwicklung der deutschen Cultur enthalten,
zeichnet sich dies Werk durch gründliche Studien und eine geschickte Form der Er¬
zählung aus. -- Als einen interessante" Nachtrag dazu erwähnen wir: Freiburgs
gesellschaftliche, theatralische und musikalische Institute und Unterhaltungen und deren
Entwicklung von 1770 bis zur Gegenwart. Ein Beitrag zur Culturgeschichte Süd¬
deutschlands von I. B. Trenklc. Freiburg, Wangler. Die culturhistorisch inter¬
essanteste Partie des Buchs ist der Kampf zwischen den Jesuiten und Illuminaten
auf dem Theater. --

Selbsterlebtes während der Belagerung von Lucknow von Ruutz Rech.
Leipzig, Lorck. (Deutsche Originalausgabe). -- Eine der wichtigsten Episoden des
furchtbaren indischen Aufstandes wird von einem verständigen Augenzeugen sachgemäß
und ergreifend dargestellt. --

Männer der Zeit. Biographisches Lexicon der Gegenwart. Leipzig, Lorck.
-- Die Sammlung, zum großen Theil aus Originalmitthcilungen der charakte-
risirten Personen basirt, aber von verständigen Bearbeitern kritisch gesichtet, ent¬
spricht einem wesentlichen Bedürfniß. --


Doctrin, daß das uneingeschränkte Wahlrecht unter allen Umständen verwerflich sei,
glauben wir doch nicht, daß in seiner gegenwärtigen Lage der preußische Staat die
Gefahren desselben ertragen kann. Wer aber diesen Glauben mit uns theilt, scheint
uns, wenn er befragt wird, zu einem offnen Aussprechen desselben verpflichtet
zu sein.

Die Kreuzzeitung verheißt uns das wunderbare Schauspiel, daß ihre Partei
„gegen Liberalismus, Demokratie und Bureaukratie" die Fahne der Freiheit erheben
wird. Wir sehen dieser Wendung mit stillem Behagen entgegen, fürchten aber, wie
früher, im entscheidenden Augenblick darüber belehrt zu werden, daß „Freiheit" so
viel heißt als „Knechtschaft". Immerhin wird der Reiz der Neuheit nicht ausbleiben;
nur täuscht sich die „kleine aber mächtige" Partei, wenn sie ihre parlamentarischen
Größen, etwa Stahl, Wagner und Herrn v. Gerlach (den in der Kammer)
für ihre Führer hält; ihre Führer waren der andere Herr v. Gerlach und etwa
Herr v. Westphalen. Nicht die Doctrin, nicht der Witz hat die „kleine aber mäch¬
-j- 5 tige" Partei zusammengehalten.




Historische Schriften.

Geschichte der Stadt und Universität Freiburg im Breisgau von
Heinrich Schreiber. Freiburg, Wangler. — Mit der sechsten Lieferung, welche
die Periode vom ryswvker Frieden bis zum Uebergang der Stadt an das großher¬
zogliche Haus Baden behandelt, ist nun die Geschichte der Stadt abgeschlossen; zur
Vollendung des Werks sehlt noch die Geschichte der Universität seit der Reformation.
Unter den zahlreichen Stadtgeschichten, die in den letzten Jahren erschienen sind und
einen sehr wichtigen Beitrag für die Entwicklung der deutschen Cultur enthalten,
zeichnet sich dies Werk durch gründliche Studien und eine geschickte Form der Er¬
zählung aus. — Als einen interessante« Nachtrag dazu erwähnen wir: Freiburgs
gesellschaftliche, theatralische und musikalische Institute und Unterhaltungen und deren
Entwicklung von 1770 bis zur Gegenwart. Ein Beitrag zur Culturgeschichte Süd¬
deutschlands von I. B. Trenklc. Freiburg, Wangler. Die culturhistorisch inter¬
essanteste Partie des Buchs ist der Kampf zwischen den Jesuiten und Illuminaten
auf dem Theater. —

Selbsterlebtes während der Belagerung von Lucknow von Ruutz Rech.
Leipzig, Lorck. (Deutsche Originalausgabe). — Eine der wichtigsten Episoden des
furchtbaren indischen Aufstandes wird von einem verständigen Augenzeugen sachgemäß
und ergreifend dargestellt. —

Männer der Zeit. Biographisches Lexicon der Gegenwart. Leipzig, Lorck.
— Die Sammlung, zum großen Theil aus Originalmitthcilungen der charakte-
risirten Personen basirt, aber von verständigen Bearbeitern kritisch gesichtet, ent¬
spricht einem wesentlichen Bedürfniß. —


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[0287] Doctrin, daß das uneingeschränkte Wahlrecht unter allen Umständen verwerflich sei, glauben wir doch nicht, daß in seiner gegenwärtigen Lage der preußische Staat die Gefahren desselben ertragen kann. Wer aber diesen Glauben mit uns theilt, scheint uns, wenn er befragt wird, zu einem offnen Aussprechen desselben verpflichtet zu sein. Die Kreuzzeitung verheißt uns das wunderbare Schauspiel, daß ihre Partei „gegen Liberalismus, Demokratie und Bureaukratie" die Fahne der Freiheit erheben wird. Wir sehen dieser Wendung mit stillem Behagen entgegen, fürchten aber, wie früher, im entscheidenden Augenblick darüber belehrt zu werden, daß „Freiheit" so viel heißt als „Knechtschaft". Immerhin wird der Reiz der Neuheit nicht ausbleiben; nur täuscht sich die „kleine aber mächtige" Partei, wenn sie ihre parlamentarischen Größen, etwa Stahl, Wagner und Herrn v. Gerlach (den in der Kammer) für ihre Führer hält; ihre Führer waren der andere Herr v. Gerlach und etwa Herr v. Westphalen. Nicht die Doctrin, nicht der Witz hat die „kleine aber mäch¬ -j- 5 tige" Partei zusammengehalten. Historische Schriften. Geschichte der Stadt und Universität Freiburg im Breisgau von Heinrich Schreiber. Freiburg, Wangler. — Mit der sechsten Lieferung, welche die Periode vom ryswvker Frieden bis zum Uebergang der Stadt an das großher¬ zogliche Haus Baden behandelt, ist nun die Geschichte der Stadt abgeschlossen; zur Vollendung des Werks sehlt noch die Geschichte der Universität seit der Reformation. Unter den zahlreichen Stadtgeschichten, die in den letzten Jahren erschienen sind und einen sehr wichtigen Beitrag für die Entwicklung der deutschen Cultur enthalten, zeichnet sich dies Werk durch gründliche Studien und eine geschickte Form der Er¬ zählung aus. — Als einen interessante« Nachtrag dazu erwähnen wir: Freiburgs gesellschaftliche, theatralische und musikalische Institute und Unterhaltungen und deren Entwicklung von 1770 bis zur Gegenwart. Ein Beitrag zur Culturgeschichte Süd¬ deutschlands von I. B. Trenklc. Freiburg, Wangler. Die culturhistorisch inter¬ essanteste Partie des Buchs ist der Kampf zwischen den Jesuiten und Illuminaten auf dem Theater. — Selbsterlebtes während der Belagerung von Lucknow von Ruutz Rech. Leipzig, Lorck. (Deutsche Originalausgabe). — Eine der wichtigsten Episoden des furchtbaren indischen Aufstandes wird von einem verständigen Augenzeugen sachgemäß und ergreifend dargestellt. — Männer der Zeit. Biographisches Lexicon der Gegenwart. Leipzig, Lorck. — Die Sammlung, zum großen Theil aus Originalmitthcilungen der charakte- risirten Personen basirt, aber von verständigen Bearbeitern kritisch gesichtet, ent¬ spricht einem wesentlichen Bedürfniß. —

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/287>, abgerufen am 05.05.2024.