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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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und noch in den Jahren 1820 und 1840 durch Erdbeben beträchtliche Ver¬
heerungen anrichteten.

Cerigo, einst Cythera, die Insel, bei der Aphrodite dem Schaume des
Meeres entstieg, und auf welcher sie später am liebsten weilte, ist großentheils
ein oder Felsen, hat indeß mehre fruchtbare Thalkessel und wird von etwa
10,000 Menschen bewohnt. Im Alterthum war es meist von Sparta ab¬
hängig, doch wurde es im peloponnesischen Kriege von Niklas besetzt und erst
mehre Jahre später herausgegeben. Die alte Hauptstadt lag auf der Kap
Malea zugekehrten Seite, der Haupthafen hieß Skandea und ist wahrscheinlich
identisch mit dem von San Nikolo, wo jetzt der beste Ankerplatz sich findet.
Der jetzige Hauptort ist Kapsali, welches an der Südküste hoch über dem eben
genannten Hafen liegt. Daneben ragt auf steilem Kegelberg eine mittelalter¬
liche Burg, welche jetzt eine kleine britische Besatzung hat. Die Hauptmerk¬
würdigkeiten Cerigos sind zwei Stalaktitenhohlen, von denen die eine in der
Schlucht von Mylopotamos, die andere, an welcher sich eine Kapelle der
heiligen Sophia befindet, in einem Thale zwei Stunden von Kapsali liegt.




.

Die Kreuzzeitung und ihre Partei ist seit der neuen Wendung in der selt¬
samsten Lage von der Welt. Wie Richard III. ausrief, ein Königreich für ein
Pferd! so möchte sie setzt sagen: ein Königreich für .einen Wühler! Ihre ganze
Speculation war darauf berechnet, daß die vermeintlichen Sklaven, denen man die
Kette löste, in aller Eile einen Unfug begehn würden, der sofort energische Repressiv¬
maßregeln hervorrufen müßte; statt dessen bewahrt das Land die ruhigste Haltung;
Gothaer und Demokraten wetteifern in dem Feldgeschrei: nur nicht drängen! Um
dem Ministerium nur ja keine Verlegenheit zu bereiten, sind sie sogar nicht abge¬
neigt, die gerechtfertigtsten Ansprüche ruhen zu lassen. Der Grund liegt nicht in
irgend einem weit hergeholten Plan; es ist vielmehr die aus bitterer Erfahrung
hervorgegangene Erkenntniß, daß man vor zehn Jahren sich zu viel vermessen hat;
daß man mehr verlangte, als das preußische Volk tragen kann, und der feste Ent¬
schluß, in schrittweiser Arbeit allmälig die Güter zu verdienen, die man sich weder
schenken lassen noch rauben kann. Die Haltung des preußischen Volks in den letzten
Monaten ist ein günstigeres Zeichen für seine Reife, als alles, was seit zehn Jahren
geschehen.

Aber die Kreuzzeitung braucht Jakobiner; sie erfindet sie daher. In demselben
Augenblick, wo sie mit hämischen Seitenblicken den Regenten verfolgt, verklagt sie
das gesammte preußische Volk, das nicht zu der Fahne der Engel und Viceengel
schwört, Haß und Verachtung gegen das Königthum zu erregen. Die Formen,
in denen sie diese Anklage wiederholt, sind von der Art, daß eine Entgegnung


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und noch in den Jahren 1820 und 1840 durch Erdbeben beträchtliche Ver¬
heerungen anrichteten.

Cerigo, einst Cythera, die Insel, bei der Aphrodite dem Schaume des
Meeres entstieg, und auf welcher sie später am liebsten weilte, ist großentheils
ein oder Felsen, hat indeß mehre fruchtbare Thalkessel und wird von etwa
10,000 Menschen bewohnt. Im Alterthum war es meist von Sparta ab¬
hängig, doch wurde es im peloponnesischen Kriege von Niklas besetzt und erst
mehre Jahre später herausgegeben. Die alte Hauptstadt lag auf der Kap
Malea zugekehrten Seite, der Haupthafen hieß Skandea und ist wahrscheinlich
identisch mit dem von San Nikolo, wo jetzt der beste Ankerplatz sich findet.
Der jetzige Hauptort ist Kapsali, welches an der Südküste hoch über dem eben
genannten Hafen liegt. Daneben ragt auf steilem Kegelberg eine mittelalter¬
liche Burg, welche jetzt eine kleine britische Besatzung hat. Die Hauptmerk¬
würdigkeiten Cerigos sind zwei Stalaktitenhohlen, von denen die eine in der
Schlucht von Mylopotamos, die andere, an welcher sich eine Kapelle der
heiligen Sophia befindet, in einem Thale zwei Stunden von Kapsali liegt.




.

Die Kreuzzeitung und ihre Partei ist seit der neuen Wendung in der selt¬
samsten Lage von der Welt. Wie Richard III. ausrief, ein Königreich für ein
Pferd! so möchte sie setzt sagen: ein Königreich für .einen Wühler! Ihre ganze
Speculation war darauf berechnet, daß die vermeintlichen Sklaven, denen man die
Kette löste, in aller Eile einen Unfug begehn würden, der sofort energische Repressiv¬
maßregeln hervorrufen müßte; statt dessen bewahrt das Land die ruhigste Haltung;
Gothaer und Demokraten wetteifern in dem Feldgeschrei: nur nicht drängen! Um
dem Ministerium nur ja keine Verlegenheit zu bereiten, sind sie sogar nicht abge¬
neigt, die gerechtfertigtsten Ansprüche ruhen zu lassen. Der Grund liegt nicht in
irgend einem weit hergeholten Plan; es ist vielmehr die aus bitterer Erfahrung
hervorgegangene Erkenntniß, daß man vor zehn Jahren sich zu viel vermessen hat;
daß man mehr verlangte, als das preußische Volk tragen kann, und der feste Ent¬
schluß, in schrittweiser Arbeit allmälig die Güter zu verdienen, die man sich weder
schenken lassen noch rauben kann. Die Haltung des preußischen Volks in den letzten
Monaten ist ein günstigeres Zeichen für seine Reife, als alles, was seit zehn Jahren
geschehen.

Aber die Kreuzzeitung braucht Jakobiner; sie erfindet sie daher. In demselben
Augenblick, wo sie mit hämischen Seitenblicken den Regenten verfolgt, verklagt sie
das gesammte preußische Volk, das nicht zu der Fahne der Engel und Viceengel
schwört, Haß und Verachtung gegen das Königthum zu erregen. Die Formen,
in denen sie diese Anklage wiederholt, sind von der Art, daß eine Entgegnung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/483>, abgerufen am 05.05.2024.