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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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weise der Papst seine Zustimmung dazu gäbe, so wäre dies doch nur eine
halbe Maßregel, wenigstens vom nationalen Standpunkt aus. wie wir im
nächsten Artikel sehen werden. Von andrer Seite dagegen wird als wirkliche
Lösung die Aufhebung der weltlichen Herrschaft des Papstes vorgeschlagen
und zwar sowol von Feinden wie von Freunden der katholischen Kirche.
Doch glauben wir. daß letztere wesentlich Idealisten sind, selbst wenn sie nicht
auf so wunderliche Sprünge kommen, wie der Abb6 Michre, der den Papst
nach Jerusalem setzen will, sondern auch wenn sie ihm die ewige Stadt
als neutrales Gebiet lassen wollen und ihn mit einer reichen Civilliste aus¬
statten, um den Glanz des Oberhauptes der Kirche aufrecht zu erhalten. Der
Katholicismus kann einer starken Beimischung von weltlicher Macht nicht
leicht entbehren, die Bestimmungen des östreichischen Concordats wären wesent¬
lich machtlos, wenn der Staat nicht die Verpflichtung übernommen, ihre
Ausführung zu erzwingen. Wir zweifeln, daß die Zurückführung der päpst¬
lichen Macht auf eine blos geistige Herrschaft zu ihrer Stärkung beitragen
werde, aber eine andere Frage ist es, ob die Großmächte und namentlich die
drei nichtkatholischen, ein Interesse haben, dies Resultat deshalb zu verhindern.

Wir werden diese letzten Gesichtspunkte im folgenden Artikel berühren.
Wo wir versuchen wollen, die möglichen Lösungen der italienischen Frage an-
zudeuten.




Varnhagens Denkwürdigkeiten.

Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften von K. A. Varnhagen von Ense.
Achter Band. Leipzig, F. A. Brockhaus.

Indem wir uns vorbehalten, von dem Verstorbenen nach der Anleitung
seiner Denkwürdigkeiten, so weit er in das sociale und literarische Leben
seiner Zeit eingriff, ein umfassendes Charaktergemälde zu geben, beschränken
wir uns hier auf die Angabe dessen, was der soeben erschienene 8. Band
Neues enthält.

Die Herausgeberin, Ludmilla Ussing. Varnhagens Nichte, erklärt in
der Vorrede, der Band sei bis aus einige Kritiken schon seit einer Reihe von
wahren druckfähig gewesen, und nur die Rücksicht auf Persönlichkeiten habe
Varnhagen bestimmt, die Veröffentlichung bis zu seinem Tode hinauszuschie¬
ben. Es ist natürlich, daß man sich zunächst mit besonderer Neugierde nach
demjenigen Abschnitt umsieht, welcher solche Rücksichten geboten haben mag.


Grenzboten II. 1859. 24

weise der Papst seine Zustimmung dazu gäbe, so wäre dies doch nur eine
halbe Maßregel, wenigstens vom nationalen Standpunkt aus. wie wir im
nächsten Artikel sehen werden. Von andrer Seite dagegen wird als wirkliche
Lösung die Aufhebung der weltlichen Herrschaft des Papstes vorgeschlagen
und zwar sowol von Feinden wie von Freunden der katholischen Kirche.
Doch glauben wir. daß letztere wesentlich Idealisten sind, selbst wenn sie nicht
auf so wunderliche Sprünge kommen, wie der Abb6 Michre, der den Papst
nach Jerusalem setzen will, sondern auch wenn sie ihm die ewige Stadt
als neutrales Gebiet lassen wollen und ihn mit einer reichen Civilliste aus¬
statten, um den Glanz des Oberhauptes der Kirche aufrecht zu erhalten. Der
Katholicismus kann einer starken Beimischung von weltlicher Macht nicht
leicht entbehren, die Bestimmungen des östreichischen Concordats wären wesent¬
lich machtlos, wenn der Staat nicht die Verpflichtung übernommen, ihre
Ausführung zu erzwingen. Wir zweifeln, daß die Zurückführung der päpst¬
lichen Macht auf eine blos geistige Herrschaft zu ihrer Stärkung beitragen
werde, aber eine andere Frage ist es, ob die Großmächte und namentlich die
drei nichtkatholischen, ein Interesse haben, dies Resultat deshalb zu verhindern.

Wir werden diese letzten Gesichtspunkte im folgenden Artikel berühren.
Wo wir versuchen wollen, die möglichen Lösungen der italienischen Frage an-
zudeuten.




Varnhagens Denkwürdigkeiten.

Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften von K. A. Varnhagen von Ense.
Achter Band. Leipzig, F. A. Brockhaus.

Indem wir uns vorbehalten, von dem Verstorbenen nach der Anleitung
seiner Denkwürdigkeiten, so weit er in das sociale und literarische Leben
seiner Zeit eingriff, ein umfassendes Charaktergemälde zu geben, beschränken
wir uns hier auf die Angabe dessen, was der soeben erschienene 8. Band
Neues enthält.

Die Herausgeberin, Ludmilla Ussing. Varnhagens Nichte, erklärt in
der Vorrede, der Band sei bis aus einige Kritiken schon seit einer Reihe von
wahren druckfähig gewesen, und nur die Rücksicht auf Persönlichkeiten habe
Varnhagen bestimmt, die Veröffentlichung bis zu seinem Tode hinauszuschie¬
ben. Es ist natürlich, daß man sich zunächst mit besonderer Neugierde nach
demjenigen Abschnitt umsieht, welcher solche Rücksichten geboten haben mag.


Grenzboten II. 1859. 24
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[0195] weise der Papst seine Zustimmung dazu gäbe, so wäre dies doch nur eine halbe Maßregel, wenigstens vom nationalen Standpunkt aus. wie wir im nächsten Artikel sehen werden. Von andrer Seite dagegen wird als wirkliche Lösung die Aufhebung der weltlichen Herrschaft des Papstes vorgeschlagen und zwar sowol von Feinden wie von Freunden der katholischen Kirche. Doch glauben wir. daß letztere wesentlich Idealisten sind, selbst wenn sie nicht auf so wunderliche Sprünge kommen, wie der Abb6 Michre, der den Papst nach Jerusalem setzen will, sondern auch wenn sie ihm die ewige Stadt als neutrales Gebiet lassen wollen und ihn mit einer reichen Civilliste aus¬ statten, um den Glanz des Oberhauptes der Kirche aufrecht zu erhalten. Der Katholicismus kann einer starken Beimischung von weltlicher Macht nicht leicht entbehren, die Bestimmungen des östreichischen Concordats wären wesent¬ lich machtlos, wenn der Staat nicht die Verpflichtung übernommen, ihre Ausführung zu erzwingen. Wir zweifeln, daß die Zurückführung der päpst¬ lichen Macht auf eine blos geistige Herrschaft zu ihrer Stärkung beitragen werde, aber eine andere Frage ist es, ob die Großmächte und namentlich die drei nichtkatholischen, ein Interesse haben, dies Resultat deshalb zu verhindern. Wir werden diese letzten Gesichtspunkte im folgenden Artikel berühren. Wo wir versuchen wollen, die möglichen Lösungen der italienischen Frage an- zudeuten. Varnhagens Denkwürdigkeiten. Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften von K. A. Varnhagen von Ense. Achter Band. Leipzig, F. A. Brockhaus. Indem wir uns vorbehalten, von dem Verstorbenen nach der Anleitung seiner Denkwürdigkeiten, so weit er in das sociale und literarische Leben seiner Zeit eingriff, ein umfassendes Charaktergemälde zu geben, beschränken wir uns hier auf die Angabe dessen, was der soeben erschienene 8. Band Neues enthält. Die Herausgeberin, Ludmilla Ussing. Varnhagens Nichte, erklärt in der Vorrede, der Band sei bis aus einige Kritiken schon seit einer Reihe von wahren druckfähig gewesen, und nur die Rücksicht auf Persönlichkeiten habe Varnhagen bestimmt, die Veröffentlichung bis zu seinem Tode hinauszuschie¬ ben. Es ist natürlich, daß man sich zunächst mit besonderer Neugierde nach demjenigen Abschnitt umsieht, welcher solche Rücksichten geboten haben mag. Grenzboten II. 1859. 24

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/195>, abgerufen am 03.05.2024.