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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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Selbst der gemeine Bergmann ist in der Regel gebildet genug, um den
Nullen der besonders im freiberger Revier strengen Mannszucht einzusehen. Man
wird nicht leicht einen Soldaten mit mehr Ehrerbietung und Zuneigung von
seinen Vorgesetzten reden hören, als diese Bergleute von ihren Steigern,
Schichtmeistern, oder wol gar von ihrem genialen und wohlwollenden Ober-
bcrghauptmcinn.

Für die Unterstützung nothleidender Mitglieder sorgt die Knappschaft viel'
leicht mehr als jede andere Corporation. An mehren Orten bestehen Speise-
anstalten, die erstaunlich billige, gute Kost liefern. Im freiberger Revier er¬
halten die armen Bergleute Unterstützung zum Ankaufe des Brennholzes.
Mehre Bcrgmagazine gewähren in theurer Zeit das Getreide zu ermäßigten
Preisen. Für Kranke und Verunglückte ist durch Krankenkassen Sorge getragen,
arbeitsunfähig Gewordene erhalten Gnadengehalte; Leichenkassen bieten die
Mittel zur Beerdigung der Angehörigen. Die sämmtlichen Knappschaftskassen,
welche durch die Beitrüge der Arbeiter und Gewerken gebildet werden, verab¬
reichten im Jahre 1856: 66,723 Thaler "Berglllmosen" an invalide und kranke
Bergleute und deren Angehörige.

So sehr aber die Knappschaftsverfassung durch die Wohlthaten der Asso¬
ciation dahin wirkt, daß immer neue, kräftige Arbeiter zu dem wenig einträg¬
lichen, beschwerte- und gefahrvollen Berufe zutreten, so sehr trägt sie durch
ihre strenge Zucht bei, den alten guten Geist der erzgebirger Bergleute zu be¬
wahren. Sie erhält den religiösen Sinn wach durch gemeinsame Gesänge,
Gebete und Gottesdienste, sie wacht über die Sitten durch Aufrechthaltung
der straffen Mannszucht; sie nährt und weckt das Ehrgefühl; sie fördert das
innige Bewußtsein der kameradschaftlichen Zusammengehörigkeit; sie befähigt
den Arbeiter zu dem Ausruf: "Ich bin nur ein armer Mann, aber ich bin
ein erzgebirger Knappe!"




Das Händeldenkmal in Halle.

Am 1. Juli wurde das Händelstandbild auf dem Marktplatz zu Halle-
der Vaterstadt des Meisters, feierlich enthüllt. Die erste Anregung zu einer
festlichen Begehung des, eigentlich auf den 13. April 1859 fallenden hundert¬
jährigen Todestages Händels, ging schon vor mehren Jahren von Gcrvinvs
aus. Seine betreffenden, an Hallenser Privatleute gerichteten Anfragen möge"
zuerst wol unberücksichtigt geblieben sein; im Dec. 1855 trat jedoch unter Vor¬
sitz des Geh. Commerzienraths Wucherer ein Kreis von Männern zusammen-
die diese Angelegenheit zunächst in die Hand nahmen. Anfänglich hatte man


Selbst der gemeine Bergmann ist in der Regel gebildet genug, um den
Nullen der besonders im freiberger Revier strengen Mannszucht einzusehen. Man
wird nicht leicht einen Soldaten mit mehr Ehrerbietung und Zuneigung von
seinen Vorgesetzten reden hören, als diese Bergleute von ihren Steigern,
Schichtmeistern, oder wol gar von ihrem genialen und wohlwollenden Ober-
bcrghauptmcinn.

Für die Unterstützung nothleidender Mitglieder sorgt die Knappschaft viel'
leicht mehr als jede andere Corporation. An mehren Orten bestehen Speise-
anstalten, die erstaunlich billige, gute Kost liefern. Im freiberger Revier er¬
halten die armen Bergleute Unterstützung zum Ankaufe des Brennholzes.
Mehre Bcrgmagazine gewähren in theurer Zeit das Getreide zu ermäßigten
Preisen. Für Kranke und Verunglückte ist durch Krankenkassen Sorge getragen,
arbeitsunfähig Gewordene erhalten Gnadengehalte; Leichenkassen bieten die
Mittel zur Beerdigung der Angehörigen. Die sämmtlichen Knappschaftskassen,
welche durch die Beitrüge der Arbeiter und Gewerken gebildet werden, verab¬
reichten im Jahre 1856: 66,723 Thaler „Berglllmosen" an invalide und kranke
Bergleute und deren Angehörige.

So sehr aber die Knappschaftsverfassung durch die Wohlthaten der Asso¬
ciation dahin wirkt, daß immer neue, kräftige Arbeiter zu dem wenig einträg¬
lichen, beschwerte- und gefahrvollen Berufe zutreten, so sehr trägt sie durch
ihre strenge Zucht bei, den alten guten Geist der erzgebirger Bergleute zu be¬
wahren. Sie erhält den religiösen Sinn wach durch gemeinsame Gesänge,
Gebete und Gottesdienste, sie wacht über die Sitten durch Aufrechthaltung
der straffen Mannszucht; sie nährt und weckt das Ehrgefühl; sie fördert das
innige Bewußtsein der kameradschaftlichen Zusammengehörigkeit; sie befähigt
den Arbeiter zu dem Ausruf: „Ich bin nur ein armer Mann, aber ich bin
ein erzgebirger Knappe!"




Das Händeldenkmal in Halle.

Am 1. Juli wurde das Händelstandbild auf dem Marktplatz zu Halle-
der Vaterstadt des Meisters, feierlich enthüllt. Die erste Anregung zu einer
festlichen Begehung des, eigentlich auf den 13. April 1859 fallenden hundert¬
jährigen Todestages Händels, ging schon vor mehren Jahren von Gcrvinvs
aus. Seine betreffenden, an Hallenser Privatleute gerichteten Anfragen möge"
zuerst wol unberücksichtigt geblieben sein; im Dec. 1855 trat jedoch unter Vor¬
sitz des Geh. Commerzienraths Wucherer ein Kreis von Männern zusammen-
die diese Angelegenheit zunächst in die Hand nahmen. Anfänglich hatte man


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/166>, abgerufen am 28.04.2024.