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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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Bilder aus der deutschen Vergangenheit.
Soldatenleben im dreißigjährigen Kriege.
''2.^'.

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Die Heere des großen Krieges hatten im besten Fall die Stärke eines
modernen Armeecorps. Tilly hielt 40,000 Mann für die höchste Truppenzahl-
die sich ein Feldherr wünschen könne.. Nur in einzelnen Fällen hat ein Hee>
diese Stärke erreicht, die meisten großen Schlachten des Krieges wurden durch
kleinere Massen entschieden. Zahlreich waren die Detachirungen, sehr groß
der Abgang durch Gefechte, Krankheiten und Flucht. Und da kein geordnetes
System der Ergänzung bestand, schwankte der wirkliche Bestand der Armee"
in höchst auffälliger Weise.

Das Zahlenverhältniß der einzelnen Waffen änderte sich durch den Krieg-
Beim Beginn war das Verhältniß der Reiterei zum Fußvolk etwa wie 1 zu b'
bald wie 1 zu 3, in der letzten Periode war die Reiterei zuweilen stärker,
als die Fußtruppen. Diese auffallende Thatsache ist zugleich ein Zeugniß fu^
die Verschlechterung der Truppen und der Kriegführung. In den ausgesagt
nen Landschaften war die Erhaltung der Heere nur bei starker Reiterei mög'
lich, welche weiter fouragiren und schneller das Terrain wechseln konnte. U"d
da sich zur Reiterei drängte, wer Selbstgefühl hatte, oder Beute hoffte, ^
erhielt sich die Reiterei verhültnißmäßig in besserem Zustand, als das Fu߬
volk, welches zuletzt in dürftiger Nachlese das verzehrte, was etwa die Reiter
- übriggelassen hatten. Allerdings wurde auch die Cavalerie schlechter. Der
Mangel an guten Kriegspferdcn war zuletzt noch empfindlicher, als der c>"
Menschen. Bei schwachen Pferden und in der Nothwendigkeit behender Be'
wegungen war die Wucht schwerer Reiterei gar nicht zu erhalten, und wat)'
rend sich in der Bandenwirthschaft der letzten Jahre der Dienst der Streu'
corps und Parteigänger zu großer Vollkommenheit ausbildete, wurden ^
Heere wenig geeignet zu entscheidenden Schlachten. Demungeachtet that auch
bei diesen die Reiterei zuletzt das Beste; denn ihr fiel fast ausschließlich ^
Aufgabe zu, das Gefecht durch Drausgehn zur Entscheidung zu bringen.
letzte Armee mit tüchtiger Infanterie und "holländischer Ordnung" war
der Baiern unter Mercy von 1643 bis 1645.

Die Taktik der Armeen hatte sich seit hundert Jahren langsam umgeforw'-
Das alte Landskncchtheer war in drei großen quadratischen Haufen, Avav'
garde, Gewalthaufen, Arrieregarde zur Schlacht gezogen, unbekümmert u
Landstraßen und Saatfelder; vor ihm liefen commandirte Arbeiter, welch
Gräben ausfüllen und Gebüsch niederschlagen mußten, um den unförmlich^


Bilder aus der deutschen Vergangenheit.
Soldatenleben im dreißigjährigen Kriege.
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Die Heere des großen Krieges hatten im besten Fall die Stärke eines
modernen Armeecorps. Tilly hielt 40,000 Mann für die höchste Truppenzahl-
die sich ein Feldherr wünschen könne.. Nur in einzelnen Fällen hat ein Hee>
diese Stärke erreicht, die meisten großen Schlachten des Krieges wurden durch
kleinere Massen entschieden. Zahlreich waren die Detachirungen, sehr groß
der Abgang durch Gefechte, Krankheiten und Flucht. Und da kein geordnetes
System der Ergänzung bestand, schwankte der wirkliche Bestand der Armee«
in höchst auffälliger Weise.

Das Zahlenverhältniß der einzelnen Waffen änderte sich durch den Krieg-
Beim Beginn war das Verhältniß der Reiterei zum Fußvolk etwa wie 1 zu b'
bald wie 1 zu 3, in der letzten Periode war die Reiterei zuweilen stärker,
als die Fußtruppen. Diese auffallende Thatsache ist zugleich ein Zeugniß fu^
die Verschlechterung der Truppen und der Kriegführung. In den ausgesagt
nen Landschaften war die Erhaltung der Heere nur bei starker Reiterei mög'
lich, welche weiter fouragiren und schneller das Terrain wechseln konnte. U»d
da sich zur Reiterei drängte, wer Selbstgefühl hatte, oder Beute hoffte, ^
erhielt sich die Reiterei verhültnißmäßig in besserem Zustand, als das Fu߬
volk, welches zuletzt in dürftiger Nachlese das verzehrte, was etwa die Reiter
- übriggelassen hatten. Allerdings wurde auch die Cavalerie schlechter. Der
Mangel an guten Kriegspferdcn war zuletzt noch empfindlicher, als der c>"
Menschen. Bei schwachen Pferden und in der Nothwendigkeit behender Be'
wegungen war die Wucht schwerer Reiterei gar nicht zu erhalten, und wat)'
rend sich in der Bandenwirthschaft der letzten Jahre der Dienst der Streu'
corps und Parteigänger zu großer Vollkommenheit ausbildete, wurden ^
Heere wenig geeignet zu entscheidenden Schlachten. Demungeachtet that auch
bei diesen die Reiterei zuletzt das Beste; denn ihr fiel fast ausschließlich ^
Aufgabe zu, das Gefecht durch Drausgehn zur Entscheidung zu bringen.
letzte Armee mit tüchtiger Infanterie und „holländischer Ordnung" war
der Baiern unter Mercy von 1643 bis 1645.

Die Taktik der Armeen hatte sich seit hundert Jahren langsam umgeforw'-
Das alte Landskncchtheer war in drei großen quadratischen Haufen, Avav'
garde, Gewalthaufen, Arrieregarde zur Schlacht gezogen, unbekümmert u
Landstraßen und Saatfelder; vor ihm liefen commandirte Arbeiter, welch
Gräben ausfüllen und Gebüsch niederschlagen mußten, um den unförmlich^


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[0200] Bilder aus der deutschen Vergangenheit. Soldatenleben im dreißigjährigen Kriege. ''2.^'. , Die Heere des großen Krieges hatten im besten Fall die Stärke eines modernen Armeecorps. Tilly hielt 40,000 Mann für die höchste Truppenzahl- die sich ein Feldherr wünschen könne.. Nur in einzelnen Fällen hat ein Hee> diese Stärke erreicht, die meisten großen Schlachten des Krieges wurden durch kleinere Massen entschieden. Zahlreich waren die Detachirungen, sehr groß der Abgang durch Gefechte, Krankheiten und Flucht. Und da kein geordnetes System der Ergänzung bestand, schwankte der wirkliche Bestand der Armee« in höchst auffälliger Weise. Das Zahlenverhältniß der einzelnen Waffen änderte sich durch den Krieg- Beim Beginn war das Verhältniß der Reiterei zum Fußvolk etwa wie 1 zu b' bald wie 1 zu 3, in der letzten Periode war die Reiterei zuweilen stärker, als die Fußtruppen. Diese auffallende Thatsache ist zugleich ein Zeugniß fu^ die Verschlechterung der Truppen und der Kriegführung. In den ausgesagt nen Landschaften war die Erhaltung der Heere nur bei starker Reiterei mög' lich, welche weiter fouragiren und schneller das Terrain wechseln konnte. U»d da sich zur Reiterei drängte, wer Selbstgefühl hatte, oder Beute hoffte, ^ erhielt sich die Reiterei verhültnißmäßig in besserem Zustand, als das Fu߬ volk, welches zuletzt in dürftiger Nachlese das verzehrte, was etwa die Reiter - übriggelassen hatten. Allerdings wurde auch die Cavalerie schlechter. Der Mangel an guten Kriegspferdcn war zuletzt noch empfindlicher, als der c>" Menschen. Bei schwachen Pferden und in der Nothwendigkeit behender Be' wegungen war die Wucht schwerer Reiterei gar nicht zu erhalten, und wat)' rend sich in der Bandenwirthschaft der letzten Jahre der Dienst der Streu' corps und Parteigänger zu großer Vollkommenheit ausbildete, wurden ^ Heere wenig geeignet zu entscheidenden Schlachten. Demungeachtet that auch bei diesen die Reiterei zuletzt das Beste; denn ihr fiel fast ausschließlich ^ Aufgabe zu, das Gefecht durch Drausgehn zur Entscheidung zu bringen. letzte Armee mit tüchtiger Infanterie und „holländischer Ordnung" war der Baiern unter Mercy von 1643 bis 1645. Die Taktik der Armeen hatte sich seit hundert Jahren langsam umgeforw'- Das alte Landskncchtheer war in drei großen quadratischen Haufen, Avav' garde, Gewalthaufen, Arrieregarde zur Schlacht gezogen, unbekümmert u Landstraßen und Saatfelder; vor ihm liefen commandirte Arbeiter, welch Gräben ausfüllen und Gebüsch niederschlagen mußten, um den unförmlich^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/200>, abgerufen am 28.04.2024.