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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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"Wir können nicht in den Krieg gehn wollen, blos um uns. für die Ver¬
träge von 1815, zu k. k. östreichischen Invaliden zusammenschießen zu lassen.
Ehe Preußen die letzten Schritte vor dem Kriege thut, muß die Einheit der
Action gesichert, müssen die Wehrkräfte Deutschlands in Preußens Hand ver¬
einigt sein. Bevor dies zweifellos feststeht, wollen auch wir keinen
Eintritt in den Krieg! -- Es ist nun die Aufgabe für uns Kleindeütsche,
alles aufzubieten, damit Preußen diese Führerschaft ganz und unverkürzt über¬
tragen wird. Wenn unsere Regierungen uns in diesem Punkt einmüthig und
entschlossen sehn, so werden sie ohne Frage zu diesem Opfer, wenn es eines
ist, sich ohne Zaudern herbeilassen." --

Wohl, das ist eine Sprache, die wir in Preußen verstehn; wenn dann die
Denkschrift sich auch an uns wendet, und von uns Opferwilligkeit verlangt:
wir sind bereit, unsere ganze Existenz bis auf den letzten Blutstropfen daran
zu setzen, wenn es wirklich für Deutschland geht. -- Nur möge man unsere
bisherige Haltung nicht tadeln. -- Vor zwei, drei Monaten klang es in Süd>
deutschland anders; damals hatten in der That die Bamberger die Führung,
und die Liberalen stimmten entweder bethört in das Geschrei der östreichischen
Vasallen ein, oder sie schwiegen. -- Jenem Geschrei Folge zu leisten, wäre
nicht blos für Preußen ein Selbstmord gewesen, es hätte Deutschlands Knecht¬
schaft auf Jahrzehnte, vielleicht auf unübersehbare Zeiten besiegelt. Das "Zu
spät!" ,se ein bedenkliches Wort, aber nicht minder das "Zu früh!" -- Und
allen Respect vor den Unterzeichnern jenes Programms -- noch fehlen einige
dreißig der wichtigsten Unterschriften, und bevor diese sich finden, wird Preu¬
-j- 1- ßen doch nicht in Action treten können.




Blätter aus einem Tagebuch Zohaunes Falls im Jahre IM.

Frau von Staöl erzählte zu Weimar, sie habe zu Wien den General
Sebastiani (den französischen Gesandten) getroffen, der, damals in Ungnade,
bis zum Ueberdruß jede Gelegenheit benutzt, ins Gespräch etwas Verbindliches
für den Kaiser einzufle'edlen. Als einmal von kleinen Händen die Rede war,
sagte er: ^.K Naclame, si, vous xg.rI<Z2 ac Mitvs nnUns, it est ünpcMdlL
als voir ach mains xlus clöUeates, guf celles ac 1'eiiW^cur, woMlf ihm
die Stahl lachend mit angenommenen Ernst erwiederte: cKÄr A<w6ra1, n<z
xarlons plus potiti^us! --

Als Frau von Stael zu Wien die Hagar in der Wüste mit ihrer Tons-


„Wir können nicht in den Krieg gehn wollen, blos um uns. für die Ver¬
träge von 1815, zu k. k. östreichischen Invaliden zusammenschießen zu lassen.
Ehe Preußen die letzten Schritte vor dem Kriege thut, muß die Einheit der
Action gesichert, müssen die Wehrkräfte Deutschlands in Preußens Hand ver¬
einigt sein. Bevor dies zweifellos feststeht, wollen auch wir keinen
Eintritt in den Krieg! — Es ist nun die Aufgabe für uns Kleindeütsche,
alles aufzubieten, damit Preußen diese Führerschaft ganz und unverkürzt über¬
tragen wird. Wenn unsere Regierungen uns in diesem Punkt einmüthig und
entschlossen sehn, so werden sie ohne Frage zu diesem Opfer, wenn es eines
ist, sich ohne Zaudern herbeilassen." —

Wohl, das ist eine Sprache, die wir in Preußen verstehn; wenn dann die
Denkschrift sich auch an uns wendet, und von uns Opferwilligkeit verlangt:
wir sind bereit, unsere ganze Existenz bis auf den letzten Blutstropfen daran
zu setzen, wenn es wirklich für Deutschland geht. — Nur möge man unsere
bisherige Haltung nicht tadeln. — Vor zwei, drei Monaten klang es in Süd>
deutschland anders; damals hatten in der That die Bamberger die Führung,
und die Liberalen stimmten entweder bethört in das Geschrei der östreichischen
Vasallen ein, oder sie schwiegen. — Jenem Geschrei Folge zu leisten, wäre
nicht blos für Preußen ein Selbstmord gewesen, es hätte Deutschlands Knecht¬
schaft auf Jahrzehnte, vielleicht auf unübersehbare Zeiten besiegelt. Das „Zu
spät!" ,se ein bedenkliches Wort, aber nicht minder das „Zu früh!" — Und
allen Respect vor den Unterzeichnern jenes Programms — noch fehlen einige
dreißig der wichtigsten Unterschriften, und bevor diese sich finden, wird Preu¬
-j- 1- ßen doch nicht in Action treten können.




Blätter aus einem Tagebuch Zohaunes Falls im Jahre IM.

Frau von Staöl erzählte zu Weimar, sie habe zu Wien den General
Sebastiani (den französischen Gesandten) getroffen, der, damals in Ungnade,
bis zum Ueberdruß jede Gelegenheit benutzt, ins Gespräch etwas Verbindliches
für den Kaiser einzufle'edlen. Als einmal von kleinen Händen die Rede war,
sagte er: ^.K Naclame, si, vous xg.rI<Z2 ac Mitvs nnUns, it est ünpcMdlL
als voir ach mains xlus clöUeates, guf celles ac 1'eiiW^cur, woMlf ihm
die Stahl lachend mit angenommenen Ernst erwiederte: cKÄr A<w6ra1, n<z
xarlons plus potiti^us! —

Als Frau von Stael zu Wien die Hagar in der Wüste mit ihrer Tons-


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[0046] „Wir können nicht in den Krieg gehn wollen, blos um uns. für die Ver¬ träge von 1815, zu k. k. östreichischen Invaliden zusammenschießen zu lassen. Ehe Preußen die letzten Schritte vor dem Kriege thut, muß die Einheit der Action gesichert, müssen die Wehrkräfte Deutschlands in Preußens Hand ver¬ einigt sein. Bevor dies zweifellos feststeht, wollen auch wir keinen Eintritt in den Krieg! — Es ist nun die Aufgabe für uns Kleindeütsche, alles aufzubieten, damit Preußen diese Führerschaft ganz und unverkürzt über¬ tragen wird. Wenn unsere Regierungen uns in diesem Punkt einmüthig und entschlossen sehn, so werden sie ohne Frage zu diesem Opfer, wenn es eines ist, sich ohne Zaudern herbeilassen." — Wohl, das ist eine Sprache, die wir in Preußen verstehn; wenn dann die Denkschrift sich auch an uns wendet, und von uns Opferwilligkeit verlangt: wir sind bereit, unsere ganze Existenz bis auf den letzten Blutstropfen daran zu setzen, wenn es wirklich für Deutschland geht. — Nur möge man unsere bisherige Haltung nicht tadeln. — Vor zwei, drei Monaten klang es in Süd> deutschland anders; damals hatten in der That die Bamberger die Führung, und die Liberalen stimmten entweder bethört in das Geschrei der östreichischen Vasallen ein, oder sie schwiegen. — Jenem Geschrei Folge zu leisten, wäre nicht blos für Preußen ein Selbstmord gewesen, es hätte Deutschlands Knecht¬ schaft auf Jahrzehnte, vielleicht auf unübersehbare Zeiten besiegelt. Das „Zu spät!" ,se ein bedenkliches Wort, aber nicht minder das „Zu früh!" — Und allen Respect vor den Unterzeichnern jenes Programms — noch fehlen einige dreißig der wichtigsten Unterschriften, und bevor diese sich finden, wird Preu¬ -j- 1- ßen doch nicht in Action treten können. Blätter aus einem Tagebuch Zohaunes Falls im Jahre IM. Frau von Staöl erzählte zu Weimar, sie habe zu Wien den General Sebastiani (den französischen Gesandten) getroffen, der, damals in Ungnade, bis zum Ueberdruß jede Gelegenheit benutzt, ins Gespräch etwas Verbindliches für den Kaiser einzufle'edlen. Als einmal von kleinen Händen die Rede war, sagte er: ^.K Naclame, si, vous xg.rI<Z2 ac Mitvs nnUns, it est ünpcMdlL als voir ach mains xlus clöUeates, guf celles ac 1'eiiW^cur, woMlf ihm die Stahl lachend mit angenommenen Ernst erwiederte: cKÄr A<w6ra1, n<z xarlons plus potiti^us! — Als Frau von Stael zu Wien die Hagar in der Wüste mit ihrer Tons-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/46>, abgerufen am 28.04.2024.