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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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her nur zu sehr von den Particularisten und Reactionären ausgebeutet wurde,
anfängt, sich einen unabhängigen Weg zu bahnen. Sie zeigt zunächst. da>z
Deutschland dem Uebermuth des Kaiser Napoleon mit den Waffen begegnen,
daß aber die Initiative von Preußen ausgehn müsse. "Da die Mittclstaaten
aus Gründen, die sich leicht begreifen, wenn auch schwerlich rechtfertigen
lassen, unbedingt zu Oestreich halten und ihm am Bunde die Majorität sichern,
so stellt sich die Frage so: soll Oestreich oder soll Preußen entscheiden, wann
die Action Deutschlands zu beginnen hat?" "Oestreich würde nicht das min-
deste Bedenken tragen, auch ohne Noth die Hauptlast und Hauptgefahr des
Krieges von seinen Schultern aus die unsrigen abzuwälzen und lieber unsere
Fluren von feindlichen Rossen zerstampfen zu lassen, als die seiner rtawm,chen
Provinzen. Auch seine finanzielle Bedrängniß ist sehr dazu angethan, es zu
Schritten der Ueberstürzung hinzureißen. Dazu kommt, daß es durch ern
schleuniges Eintreten Deutschlands in den Kampf der leidigen
Nothwendigkeit überhoben würde, uns und unserer Selbststän-
digkeit auch nur die für eine ersprießliche Kriegführung unum-
gänglichsten Zugestündnisse zu machen." -- "Preußen allein hat die
Macht und den Willen, zu verhindern, daß Oestreich uns als sein bloßes Vor¬
land behandle. Preußen allein kann uns Gewähr dafür bieten, daß wir acht
als Vasallen, sondern als Bundesgenossen Oestreichs in den Kampf ziehn."

"Jedes andere Volk, bedroht in der Fronte wie im Rücken, würde nchts
Eiligeres zu thun wissen, als sich sofort über eine Dictatur zu verewigen.
Diese Dictatur kann nur entweder an Oestreich oder an Preußen verliehen
werden. Geben wir sie an Oestreich, so steht es dann in seiner Hand, den
Krieg zu beginnen und zu führen, wann, wie und wo. und Frieden zu schlie¬
ßen, unter welchen Umständen und Bedingungen es will. Also die Dictatur
Preußens im Kriege!" "Wir wollen keinen Bundeskriegsrath. Wir wollen
nicht auch die Erfahrung machen, daß ohne strenge Einheit der Leitung und
unter der Herrschaft conträrer Einflüsse auch die beste Armee geschlagen wer¬
den muß. Die Kriegsverfassung des deutschen Bundes ist für jeden andern
als einen lahmen Scheinkrieg absolut unbrauchbar." "Die Oberleitung
muß Preußen frei übertragen werden, nicht etwa durch den Bund und die
Wahl eines Preußen zum Bundesfeldherrn, denn das hieße dem Widerruf
eine Hinterthür lassen. Derselbe Bundestag, welcher den Bundesfeldherrn er¬
nennt, könnte ihn auch wieder absetzen. Es muß Preußen das Recht zuge¬
standen werden, unbeschränkt und nach freiem Ermessen über die deutschen
Wehrkräfte zu verfügen, wie und wann es ihm beliebt. Truppenkörper durch¬
einanderzuwerfen u. s. w. Nur aus diesem Wege können wir ein deutsches
Nationalheer bekommen; auf jedem andern werden wir nichts haben als eine
neue Auflage der Reichstruppen traurigen Angedenkens."


her nur zu sehr von den Particularisten und Reactionären ausgebeutet wurde,
anfängt, sich einen unabhängigen Weg zu bahnen. Sie zeigt zunächst. da>z
Deutschland dem Uebermuth des Kaiser Napoleon mit den Waffen begegnen,
daß aber die Initiative von Preußen ausgehn müsse. „Da die Mittclstaaten
aus Gründen, die sich leicht begreifen, wenn auch schwerlich rechtfertigen
lassen, unbedingt zu Oestreich halten und ihm am Bunde die Majorität sichern,
so stellt sich die Frage so: soll Oestreich oder soll Preußen entscheiden, wann
die Action Deutschlands zu beginnen hat?" „Oestreich würde nicht das min-
deste Bedenken tragen, auch ohne Noth die Hauptlast und Hauptgefahr des
Krieges von seinen Schultern aus die unsrigen abzuwälzen und lieber unsere
Fluren von feindlichen Rossen zerstampfen zu lassen, als die seiner rtawm,chen
Provinzen. Auch seine finanzielle Bedrängniß ist sehr dazu angethan, es zu
Schritten der Ueberstürzung hinzureißen. Dazu kommt, daß es durch ern
schleuniges Eintreten Deutschlands in den Kampf der leidigen
Nothwendigkeit überhoben würde, uns und unserer Selbststän-
digkeit auch nur die für eine ersprießliche Kriegführung unum-
gänglichsten Zugestündnisse zu machen." — „Preußen allein hat die
Macht und den Willen, zu verhindern, daß Oestreich uns als sein bloßes Vor¬
land behandle. Preußen allein kann uns Gewähr dafür bieten, daß wir acht
als Vasallen, sondern als Bundesgenossen Oestreichs in den Kampf ziehn."

„Jedes andere Volk, bedroht in der Fronte wie im Rücken, würde nchts
Eiligeres zu thun wissen, als sich sofort über eine Dictatur zu verewigen.
Diese Dictatur kann nur entweder an Oestreich oder an Preußen verliehen
werden. Geben wir sie an Oestreich, so steht es dann in seiner Hand, den
Krieg zu beginnen und zu führen, wann, wie und wo. und Frieden zu schlie¬
ßen, unter welchen Umständen und Bedingungen es will. Also die Dictatur
Preußens im Kriege!" „Wir wollen keinen Bundeskriegsrath. Wir wollen
nicht auch die Erfahrung machen, daß ohne strenge Einheit der Leitung und
unter der Herrschaft conträrer Einflüsse auch die beste Armee geschlagen wer¬
den muß. Die Kriegsverfassung des deutschen Bundes ist für jeden andern
als einen lahmen Scheinkrieg absolut unbrauchbar." „Die Oberleitung
muß Preußen frei übertragen werden, nicht etwa durch den Bund und die
Wahl eines Preußen zum Bundesfeldherrn, denn das hieße dem Widerruf
eine Hinterthür lassen. Derselbe Bundestag, welcher den Bundesfeldherrn er¬
nennt, könnte ihn auch wieder absetzen. Es muß Preußen das Recht zuge¬
standen werden, unbeschränkt und nach freiem Ermessen über die deutschen
Wehrkräfte zu verfügen, wie und wann es ihm beliebt. Truppenkörper durch¬
einanderzuwerfen u. s. w. Nur aus diesem Wege können wir ein deutsches
Nationalheer bekommen; auf jedem andern werden wir nichts haben als eine
neue Auflage der Reichstruppen traurigen Angedenkens."


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/45>, abgerufen am 13.05.2024.