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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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Die Vertrauensmänner und der tiroler Landtag.
Ans Tirol,

Die Berufung von Vertrauensmännern statt
einer wirklichen Volksvertretung kommt in Oestreich immer mehr in Schwung-
Zuerst war es der Erzherzog-Statthalter von Tirol, der, als die Sturm¬
wolken des Krieges Näher rückten, und Tirol, wie die Times sagte, in seinem
Leben zum ersten Mal unzufrieden wurde, das Bedürfniß fühlte, sich mit
Männern seines Vertrauens zu berathen; er berief einen verstärkten stän¬
dischen Ausschuß und wählte dazu außer der aus 4 Mitgliedern bestehenden
Activität je drei aus dem Clerus, Adel, den Städtern und Bauern. Ein Paar
der aus Wälschtirol Berufenen entsprachen diesem Vertrauen nicht unbedingt;
Baron Moll folgte erst der zweiten Aufforderung, und Romano Nongi, der
Bürger von Trient, erschien noch später, nicht um an den Verhandlungen
Theil zu, nehmen, sondern mit einer Bittschrift der dortigen Jtalianissimi
um Lostrennung vom deutschen Vaterlande*). Von den geheimen Verhand¬
lungen, die unter dem persönlichen Vorsitz das Erzherzogs gepflogen wurden,
vernahm man manche Anträge, die kaum als die Wünsche des ganzen Lan¬
des gelten dürften, vor allem den Protest gegen die Ansässigmachung der
Akatholiken. die Bitte um Aufbesserung der Ruhegehalte der Geistlichen, die Wie¬
deraufnahme des alten Landtags mit seiner feudalen Gliederung, ja sogar das
Selbstgouvernement der Gemeinden, das zumeist die Schwarzröcke ihrer selbst
willen wünschen. Man könnte die Probe eine gelungene nennen, wenn es
darauf ankäme, das intime Verhältniß zur Geistlichkeit noch enger zu knüpfen
und jede Anregung des Fortschrittes von einem Lande möglichst ferne zu halten,
in dem die Regierung verglichen mit jenen, die sich als Stimmführer des
Volkes ausgeben, einen fast liberalen Anstrich gewinnt. Es wurde uns in Aus¬
sicht gestellt, daß dieser verstärkte ständische Ausschuß auch über das künftige
Landesstatut berathen solle, ja so viel wir aus anderen Provinzen des Kaiser-
^class vernehmen, scheint sich das Mittel, durch solche Vertauensmänner die
Stimme des Volkes vertreten zu lassen, so bequem herauszustellen, daß man
auch für die Vorschläge des Gcmeiudegesetzes allenthalben die rechten Männer
herausgefunden hat. Uns in Tirol erinnern sie sehr an den alten Postulatenland¬
tag, und weil es scheint, daß man darauf zurückkommen will, dürfte es zeit'
gemäß sein, einige seiner glänzendsten Thaten vorzuführen. Sie zeigen genau



^ Weil jene nicht durchdrang, stellten die Trienter in einer soeben erschienenen Bro¬
schüre : "die Reform der politischen Verwaltungsbehörden Oestreichs" ein neues Programm "us,
das die Aufhebung der Statthaltcreim und die Theilung der Provinzen nach ihren Nation
knellen unter selbstständigen nur vom Ministerium abhängigen Krcisregicrungcn bezweckt-
Die Vertrauensmänner und der tiroler Landtag.
Ans Tirol,

Die Berufung von Vertrauensmännern statt
einer wirklichen Volksvertretung kommt in Oestreich immer mehr in Schwung-
Zuerst war es der Erzherzog-Statthalter von Tirol, der, als die Sturm¬
wolken des Krieges Näher rückten, und Tirol, wie die Times sagte, in seinem
Leben zum ersten Mal unzufrieden wurde, das Bedürfniß fühlte, sich mit
Männern seines Vertrauens zu berathen; er berief einen verstärkten stän¬
dischen Ausschuß und wählte dazu außer der aus 4 Mitgliedern bestehenden
Activität je drei aus dem Clerus, Adel, den Städtern und Bauern. Ein Paar
der aus Wälschtirol Berufenen entsprachen diesem Vertrauen nicht unbedingt;
Baron Moll folgte erst der zweiten Aufforderung, und Romano Nongi, der
Bürger von Trient, erschien noch später, nicht um an den Verhandlungen
Theil zu, nehmen, sondern mit einer Bittschrift der dortigen Jtalianissimi
um Lostrennung vom deutschen Vaterlande*). Von den geheimen Verhand¬
lungen, die unter dem persönlichen Vorsitz das Erzherzogs gepflogen wurden,
vernahm man manche Anträge, die kaum als die Wünsche des ganzen Lan¬
des gelten dürften, vor allem den Protest gegen die Ansässigmachung der
Akatholiken. die Bitte um Aufbesserung der Ruhegehalte der Geistlichen, die Wie¬
deraufnahme des alten Landtags mit seiner feudalen Gliederung, ja sogar das
Selbstgouvernement der Gemeinden, das zumeist die Schwarzröcke ihrer selbst
willen wünschen. Man könnte die Probe eine gelungene nennen, wenn es
darauf ankäme, das intime Verhältniß zur Geistlichkeit noch enger zu knüpfen
und jede Anregung des Fortschrittes von einem Lande möglichst ferne zu halten,
in dem die Regierung verglichen mit jenen, die sich als Stimmführer des
Volkes ausgeben, einen fast liberalen Anstrich gewinnt. Es wurde uns in Aus¬
sicht gestellt, daß dieser verstärkte ständische Ausschuß auch über das künftige
Landesstatut berathen solle, ja so viel wir aus anderen Provinzen des Kaiser-
^class vernehmen, scheint sich das Mittel, durch solche Vertauensmänner die
Stimme des Volkes vertreten zu lassen, so bequem herauszustellen, daß man
auch für die Vorschläge des Gcmeiudegesetzes allenthalben die rechten Männer
herausgefunden hat. Uns in Tirol erinnern sie sehr an den alten Postulatenland¬
tag, und weil es scheint, daß man darauf zurückkommen will, dürfte es zeit'
gemäß sein, einige seiner glänzendsten Thaten vorzuführen. Sie zeigen genau



^ Weil jene nicht durchdrang, stellten die Trienter in einer soeben erschienenen Bro¬
schüre : „die Reform der politischen Verwaltungsbehörden Oestreichs" ein neues Programm «us,
das die Aufhebung der Statthaltcreim und die Theilung der Provinzen nach ihren Nation
knellen unter selbstständigen nur vom Ministerium abhängigen Krcisregicrungcn bezweckt-
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[0360] Die Vertrauensmänner und der tiroler Landtag. Ans Tirol, Die Berufung von Vertrauensmännern statt einer wirklichen Volksvertretung kommt in Oestreich immer mehr in Schwung- Zuerst war es der Erzherzog-Statthalter von Tirol, der, als die Sturm¬ wolken des Krieges Näher rückten, und Tirol, wie die Times sagte, in seinem Leben zum ersten Mal unzufrieden wurde, das Bedürfniß fühlte, sich mit Männern seines Vertrauens zu berathen; er berief einen verstärkten stän¬ dischen Ausschuß und wählte dazu außer der aus 4 Mitgliedern bestehenden Activität je drei aus dem Clerus, Adel, den Städtern und Bauern. Ein Paar der aus Wälschtirol Berufenen entsprachen diesem Vertrauen nicht unbedingt; Baron Moll folgte erst der zweiten Aufforderung, und Romano Nongi, der Bürger von Trient, erschien noch später, nicht um an den Verhandlungen Theil zu, nehmen, sondern mit einer Bittschrift der dortigen Jtalianissimi um Lostrennung vom deutschen Vaterlande*). Von den geheimen Verhand¬ lungen, die unter dem persönlichen Vorsitz das Erzherzogs gepflogen wurden, vernahm man manche Anträge, die kaum als die Wünsche des ganzen Lan¬ des gelten dürften, vor allem den Protest gegen die Ansässigmachung der Akatholiken. die Bitte um Aufbesserung der Ruhegehalte der Geistlichen, die Wie¬ deraufnahme des alten Landtags mit seiner feudalen Gliederung, ja sogar das Selbstgouvernement der Gemeinden, das zumeist die Schwarzröcke ihrer selbst willen wünschen. Man könnte die Probe eine gelungene nennen, wenn es darauf ankäme, das intime Verhältniß zur Geistlichkeit noch enger zu knüpfen und jede Anregung des Fortschrittes von einem Lande möglichst ferne zu halten, in dem die Regierung verglichen mit jenen, die sich als Stimmführer des Volkes ausgeben, einen fast liberalen Anstrich gewinnt. Es wurde uns in Aus¬ sicht gestellt, daß dieser verstärkte ständische Ausschuß auch über das künftige Landesstatut berathen solle, ja so viel wir aus anderen Provinzen des Kaiser- ^class vernehmen, scheint sich das Mittel, durch solche Vertauensmänner die Stimme des Volkes vertreten zu lassen, so bequem herauszustellen, daß man auch für die Vorschläge des Gcmeiudegesetzes allenthalben die rechten Männer herausgefunden hat. Uns in Tirol erinnern sie sehr an den alten Postulatenland¬ tag, und weil es scheint, daß man darauf zurückkommen will, dürfte es zeit' gemäß sein, einige seiner glänzendsten Thaten vorzuführen. Sie zeigen genau ^ Weil jene nicht durchdrang, stellten die Trienter in einer soeben erschienenen Bro¬ schüre : „die Reform der politischen Verwaltungsbehörden Oestreichs" ein neues Programm «us, das die Aufhebung der Statthaltcreim und die Theilung der Provinzen nach ihren Nation knellen unter selbstständigen nur vom Ministerium abhängigen Krcisregicrungcn bezweckt-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/360>, abgerufen am 03.05.2024.