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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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das Ziel, wohin man auf diesem Wege gelangt; bei dem Geheimniß, das über
seine Verhandlungen bewahrt wurde, ist manches weniger bekannt.

Wenn auch jene Abgeordneten nicht von der Negierung ernannt wurden,
"folgte die Wahl doch unter ihrem Einfluß und mußte vom Kaiser bestätigt
werden. Hiervon blieben nur die Bischöfe und Prälaten ausgenommen, deren
Sitz und Stimme auf der geistlichen Bank mit ihrer Würde verbunden war.
Die Anstellung erstreckte sich auf Lebensdauer, sie sicherte daher das dafür bestimmte
Honorar als jährliche Rente, und die Vorliebe für diesen bequemen Erwerb ging
so weit, daß sich ein vom Schlage gerührter und taub gewordener Vertreter
Noch von zwei seiner College" in die Sitzung schleppen ließ. Vermaß sich
je einer offen und frei zu sprechen, wie der selige Innsbrucker Bürgermeister
Dr. Maurer gegen die Vertreibung der zillerthaler Dissidenten, so wurde er gleich
von einem Jesuitenkvadjutor verketzert und war gezwungen seine Rechtgläubig¬
st öffentlich zu erhärten. Daraus ergab es sich dann auch von selbst, daß
diese Volksvertreter den Wünschen der Hofstellen stets entgegenkamen und
'h"er das Regieren wirklich erleichterten. So gerade in der zillerthaler An¬
gelegenheit. Der Kaiser hatte zwar durch Entschließung vom 21. Februar
!832 ausgesprochen, daß das Tolcranzpatcnt in den alten und neuen Provin¬
zen seines'Reiches gleiche Geltung habe, allein es kam ihm dabei wohl nicht
den Sinn, den zillerthaler Dissidenten ein Zugeständniß zu machen, im katho-
"sehen Tirol eine protestantische Gemeinde zu gründen. Als sie um die Er-
'"ubniß zur Errichtung einer solchen Filialgemeinde baten, erhoben sich Clerus
und Adel und suchten, sogar gegen den kaiserlichen Erlaß, zu beweisen,
das Toleranzgesetz sei in Tirol nie kundgemacht worden; denn selbst den
Dringen Besitz, den jene im armen Zillerthale inne hatten, mißgönnten sie
'buen. und dieser zum mindesten schien ihnen durch das Patent gewährleistet,
das den Protestanten die zum Gütererwcrbe nöthige Dispens der Landesstelle
"ohne Me Erschwerung" zu ertheilen vorschrieb. Der Bescheid vom 2. April
^"4 lautete abschlägig für die Dissidenten, sie wurden angewiesen "in eine
""dere Provinz des Reiches zu übersiedeln, wo schon von vorher akatholische Ge¬
meinden sind " Nun baten sie um Pässe ins Ausland, worauf ihnen am
März 1835 eröffnet wurde: "daß ihnen ohne alle Unkosten unmittelbar
^res die Behörden selbst die ausländische Aufnahme zum Behuf der form-
''6)en Auswanderung bewirkt werden kann." Einige Jahre später rühmte es
^ Gouverneur Graf Brandis bei seiner Jungfernrede an die Vertreter Tirols.
^ auf ihre Bitten der höchstwichtige Entschluß gefaßt wurde, wodurch
''ledern fremden Cultus die Aussicht benommen wurde, sich neben der katholi-
7'" Kirche in Tirol festzusetzen." Die Stunde bewilligten Geidvorschüsse an
Käufer der Güter der Dissidenten, um ihre Auswanderung zu befördern,
""d widmeten ein Kapital von 1500 Gulden zur Erbauung eines katholischen


das Ziel, wohin man auf diesem Wege gelangt; bei dem Geheimniß, das über
seine Verhandlungen bewahrt wurde, ist manches weniger bekannt.

Wenn auch jene Abgeordneten nicht von der Negierung ernannt wurden,
"folgte die Wahl doch unter ihrem Einfluß und mußte vom Kaiser bestätigt
werden. Hiervon blieben nur die Bischöfe und Prälaten ausgenommen, deren
Sitz und Stimme auf der geistlichen Bank mit ihrer Würde verbunden war.
Die Anstellung erstreckte sich auf Lebensdauer, sie sicherte daher das dafür bestimmte
Honorar als jährliche Rente, und die Vorliebe für diesen bequemen Erwerb ging
so weit, daß sich ein vom Schlage gerührter und taub gewordener Vertreter
Noch von zwei seiner College« in die Sitzung schleppen ließ. Vermaß sich
je einer offen und frei zu sprechen, wie der selige Innsbrucker Bürgermeister
Dr. Maurer gegen die Vertreibung der zillerthaler Dissidenten, so wurde er gleich
von einem Jesuitenkvadjutor verketzert und war gezwungen seine Rechtgläubig¬
st öffentlich zu erhärten. Daraus ergab es sich dann auch von selbst, daß
diese Volksvertreter den Wünschen der Hofstellen stets entgegenkamen und
'h"er das Regieren wirklich erleichterten. So gerade in der zillerthaler An¬
gelegenheit. Der Kaiser hatte zwar durch Entschließung vom 21. Februar
!832 ausgesprochen, daß das Tolcranzpatcnt in den alten und neuen Provin¬
zen seines'Reiches gleiche Geltung habe, allein es kam ihm dabei wohl nicht
den Sinn, den zillerthaler Dissidenten ein Zugeständniß zu machen, im katho-
"sehen Tirol eine protestantische Gemeinde zu gründen. Als sie um die Er-
'"ubniß zur Errichtung einer solchen Filialgemeinde baten, erhoben sich Clerus
und Adel und suchten, sogar gegen den kaiserlichen Erlaß, zu beweisen,
das Toleranzgesetz sei in Tirol nie kundgemacht worden; denn selbst den
Dringen Besitz, den jene im armen Zillerthale inne hatten, mißgönnten sie
'buen. und dieser zum mindesten schien ihnen durch das Patent gewährleistet,
das den Protestanten die zum Gütererwcrbe nöthige Dispens der Landesstelle
»ohne Me Erschwerung" zu ertheilen vorschrieb. Der Bescheid vom 2. April
^»4 lautete abschlägig für die Dissidenten, sie wurden angewiesen „in eine
""dere Provinz des Reiches zu übersiedeln, wo schon von vorher akatholische Ge¬
meinden sind " Nun baten sie um Pässe ins Ausland, worauf ihnen am
März 1835 eröffnet wurde: „daß ihnen ohne alle Unkosten unmittelbar
^res die Behörden selbst die ausländische Aufnahme zum Behuf der form-
''6)en Auswanderung bewirkt werden kann." Einige Jahre später rühmte es
^ Gouverneur Graf Brandis bei seiner Jungfernrede an die Vertreter Tirols.
^ auf ihre Bitten der höchstwichtige Entschluß gefaßt wurde, wodurch
''ledern fremden Cultus die Aussicht benommen wurde, sich neben der katholi-
7'" Kirche in Tirol festzusetzen." Die Stunde bewilligten Geidvorschüsse an
Käufer der Güter der Dissidenten, um ihre Auswanderung zu befördern,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/361>, abgerufen am 22.05.2024.