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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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Englische Geschichte

vornehmlich im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert, von Leopold Ranke. I.Bd.
Berlin, Dunker und Humblot. 185V. --

Professor Ranke nimmt eine so hohe Stellung unter den Historikern unserer
Zeit ein, daß, wenn er ein Buch schreibt, die gebildete Welt es mit Spannung
erwartet. Wir dürfen von ihm nur etwas Vorzügliches erwarten, zumal da
er weiß, daß etwas Mittelmäßiges ihm wenigstens einen Theil seines Ruh¬
mes kosten würde. Für die ersten fünfzehn Jahrhunderte seiner englischen
Geschichte hat er freilich wenig Raum. Aber gerade solche gedrängte Dar¬
stellungen gewähren besonders interessante Ueberblicke. wenn sie mit sicherer
Hand gezeichnet sind. Halten doch viele die Einleitung von Machiavelli zu
seiner florentinischen Geschichte für das Beste, was dieser große Meister ge¬
schrieben hat. Von Professor Ranke können wir indessen nicht dasselbe rühmen.
Er ist ein gebildeter Mann. Eine Masse von Ideen, in denen die Gegenwart
lebt, sind ihm vollkommen geläufig. Der Leser ist erfreut, sie, in das Gewand
von Geschichte gekleidet, bei ihm wiederzufinden. Und doch ist nur das Ge¬
wand historisch. Sobald der Verfasser von der Höhe seines gezimmerten Sy¬
stems herabsteigt, um auf englische Geschichte einzugehen, zeigt er zwar das
volle Selbstvertrauen eines Mannes, der zu leiten gewohnt, zugleich aber auch
die Hilflosigkeit eines Führers, der des Landes unkundig ist. Sein Grund¬
fehler ist, daß er für das Wachsthum und die allmälige Entwicklung des Lan¬
des kein Auge hat. Er sieht jext England groß und reich und civilisirt und
kann sich nicht zur Vorstellung bequemen, daß es früher anders als groß und
reich und civilisirt gewesen sei. " . . Die südlichen Küsten galten schon in
den frühesten Zeiten für reich und gebildet. Sie standen inmitten der Welt-
Verhältnisse" (S. e). An dem bekannten römischen Adlerträger, der ins
Wasser springt, erkennen wir, daß Professor N. Julius Cäsar meint. Wahrlich
kein schlechter Gewährsmann. Was war nach Cäsar aber die Weltstellung
der Briten? Sie standen außer allem Weltverkehr, da sie sogar auf der ihnen
zunächst liegenden gallischen Küste fast unbekannt waren, ... geirris Iwminum ...
loof., xoi'of, acliws ... yuas oirmig, lors VaUis c-rallt ineoZnitg. (as lz. 6. IV.


Grenz boten I. 1L(!0, 1(i
Englische Geschichte

vornehmlich im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert, von Leopold Ranke. I.Bd.
Berlin, Dunker und Humblot. 185V. —

Professor Ranke nimmt eine so hohe Stellung unter den Historikern unserer
Zeit ein, daß, wenn er ein Buch schreibt, die gebildete Welt es mit Spannung
erwartet. Wir dürfen von ihm nur etwas Vorzügliches erwarten, zumal da
er weiß, daß etwas Mittelmäßiges ihm wenigstens einen Theil seines Ruh¬
mes kosten würde. Für die ersten fünfzehn Jahrhunderte seiner englischen
Geschichte hat er freilich wenig Raum. Aber gerade solche gedrängte Dar¬
stellungen gewähren besonders interessante Ueberblicke. wenn sie mit sicherer
Hand gezeichnet sind. Halten doch viele die Einleitung von Machiavelli zu
seiner florentinischen Geschichte für das Beste, was dieser große Meister ge¬
schrieben hat. Von Professor Ranke können wir indessen nicht dasselbe rühmen.
Er ist ein gebildeter Mann. Eine Masse von Ideen, in denen die Gegenwart
lebt, sind ihm vollkommen geläufig. Der Leser ist erfreut, sie, in das Gewand
von Geschichte gekleidet, bei ihm wiederzufinden. Und doch ist nur das Ge¬
wand historisch. Sobald der Verfasser von der Höhe seines gezimmerten Sy¬
stems herabsteigt, um auf englische Geschichte einzugehen, zeigt er zwar das
volle Selbstvertrauen eines Mannes, der zu leiten gewohnt, zugleich aber auch
die Hilflosigkeit eines Führers, der des Landes unkundig ist. Sein Grund¬
fehler ist, daß er für das Wachsthum und die allmälige Entwicklung des Lan¬
des kein Auge hat. Er sieht jext England groß und reich und civilisirt und
kann sich nicht zur Vorstellung bequemen, daß es früher anders als groß und
reich und civilisirt gewesen sei. „ . . Die südlichen Küsten galten schon in
den frühesten Zeiten für reich und gebildet. Sie standen inmitten der Welt-
Verhältnisse" (S. e). An dem bekannten römischen Adlerträger, der ins
Wasser springt, erkennen wir, daß Professor N. Julius Cäsar meint. Wahrlich
kein schlechter Gewährsmann. Was war nach Cäsar aber die Weltstellung
der Briten? Sie standen außer allem Weltverkehr, da sie sogar auf der ihnen
zunächst liegenden gallischen Küste fast unbekannt waren, ... geirris Iwminum ...
loof., xoi'of, acliws ... yuas oirmig, lors VaUis c-rallt ineoZnitg. (as lz. 6. IV.


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[0133] Englische Geschichte vornehmlich im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert, von Leopold Ranke. I.Bd. Berlin, Dunker und Humblot. 185V. — Professor Ranke nimmt eine so hohe Stellung unter den Historikern unserer Zeit ein, daß, wenn er ein Buch schreibt, die gebildete Welt es mit Spannung erwartet. Wir dürfen von ihm nur etwas Vorzügliches erwarten, zumal da er weiß, daß etwas Mittelmäßiges ihm wenigstens einen Theil seines Ruh¬ mes kosten würde. Für die ersten fünfzehn Jahrhunderte seiner englischen Geschichte hat er freilich wenig Raum. Aber gerade solche gedrängte Dar¬ stellungen gewähren besonders interessante Ueberblicke. wenn sie mit sicherer Hand gezeichnet sind. Halten doch viele die Einleitung von Machiavelli zu seiner florentinischen Geschichte für das Beste, was dieser große Meister ge¬ schrieben hat. Von Professor Ranke können wir indessen nicht dasselbe rühmen. Er ist ein gebildeter Mann. Eine Masse von Ideen, in denen die Gegenwart lebt, sind ihm vollkommen geläufig. Der Leser ist erfreut, sie, in das Gewand von Geschichte gekleidet, bei ihm wiederzufinden. Und doch ist nur das Ge¬ wand historisch. Sobald der Verfasser von der Höhe seines gezimmerten Sy¬ stems herabsteigt, um auf englische Geschichte einzugehen, zeigt er zwar das volle Selbstvertrauen eines Mannes, der zu leiten gewohnt, zugleich aber auch die Hilflosigkeit eines Führers, der des Landes unkundig ist. Sein Grund¬ fehler ist, daß er für das Wachsthum und die allmälige Entwicklung des Lan¬ des kein Auge hat. Er sieht jext England groß und reich und civilisirt und kann sich nicht zur Vorstellung bequemen, daß es früher anders als groß und reich und civilisirt gewesen sei. „ . . Die südlichen Küsten galten schon in den frühesten Zeiten für reich und gebildet. Sie standen inmitten der Welt- Verhältnisse" (S. e). An dem bekannten römischen Adlerträger, der ins Wasser springt, erkennen wir, daß Professor N. Julius Cäsar meint. Wahrlich kein schlechter Gewährsmann. Was war nach Cäsar aber die Weltstellung der Briten? Sie standen außer allem Weltverkehr, da sie sogar auf der ihnen zunächst liegenden gallischen Küste fast unbekannt waren, ... geirris Iwminum ... loof., xoi'of, acliws ... yuas oirmig, lors VaUis c-rallt ineoZnitg. (as lz. 6. IV. Grenz boten I. 1L(!0, 1(i

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/133>, abgerufen am 29.04.2024.