Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

statten den Mund etwas vollnehmen und daß die Thatsachen den hoch¬
trabenden Worten nicht entsprechen.

Wir wollen diese militärischen Angelegenheiten hier vorläufig bei Seite
lassen und zum Schlüsse dieses Artikels nur noch des weitern diplomatischen
Schrittes gedenken, welchen die vier Länder Anfangs October thaten, um ihre
Vereinigung in beständigem Hinblick auf den Anschluß an Piemont zu voll¬
enden. Um diese Zeit traten Farini für Parma und Modena, Ricasoli
für Toscana, Cipriani und Minghetti für die Romagna zusammen, um
sich über die besten Wege zu dem vollen Anschluß an Piemont zu besprechen.
Hier ward ausgemacht, daß man eine gemeinsame Regentschaft über die
vier Länder aufrichten und dieselbe dem Vetter des Königs Victor Emanuel,
dem Prinzen von Carignan, Eugen von Savoyen antragen wolle. Dieser
Beschluß schließt eine Krisis in der italienischen Angelegenheit in sich, und
wir werden daher späterhin, in der Zeit, da er zur Ausführung kommen
sollte, noch manches von ihm zu reden haben. Für jetzt begnügen wir uns,
ihn zu erwähnen. Im nächsten Artikel werden wir zuvörderst einige Blicke
auf die inneren Angelegenheiten der vier Länder werfen.


W. Rüstow.


Von der preußischen Grenze.

Wenn man diesmal der Session des preußischen Landtags mit größerer Span¬
nung entgegensieht als je, so liegt der Grund zum Theil in dem dunklen aber all¬
gemeinen Gefühl, daß die deutschen Zustände aus dem Dämmerleben, in welchem
sie sich mehr als ein Menschenleben bewegt haben, heraustreten und immer schneller
einer Entscheidung zueilen. Immer lauter wird die Ueberzeugung bei Freunden
wie bei Gegnern, daß die bisherige Stellung Preußens zum übrigen Deutschland
nicht mehr haltbar, und daß nach der einen oder anderen Seite hin eine entschei¬
dende Veränderung eintreten muß.

Als Friedrich der Große 1740 den alten Reichskörpcr zu zertrümmern anfing,
betrachtete man es von östreichischer Seite zwar als eine Rebellion, im deutschen
Volk dagegen wurde der Name des großen Königs, namentlich nach den Thaten des
siebenjährigen Kriegs das Stichwort für den deutschen Nationalruhm. Nach dem
Frieden von Hubertsburg begann Oestreich im Wesentlichen denselben Weg einzu-


statten den Mund etwas vollnehmen und daß die Thatsachen den hoch¬
trabenden Worten nicht entsprechen.

Wir wollen diese militärischen Angelegenheiten hier vorläufig bei Seite
lassen und zum Schlüsse dieses Artikels nur noch des weitern diplomatischen
Schrittes gedenken, welchen die vier Länder Anfangs October thaten, um ihre
Vereinigung in beständigem Hinblick auf den Anschluß an Piemont zu voll¬
enden. Um diese Zeit traten Farini für Parma und Modena, Ricasoli
für Toscana, Cipriani und Minghetti für die Romagna zusammen, um
sich über die besten Wege zu dem vollen Anschluß an Piemont zu besprechen.
Hier ward ausgemacht, daß man eine gemeinsame Regentschaft über die
vier Länder aufrichten und dieselbe dem Vetter des Königs Victor Emanuel,
dem Prinzen von Carignan, Eugen von Savoyen antragen wolle. Dieser
Beschluß schließt eine Krisis in der italienischen Angelegenheit in sich, und
wir werden daher späterhin, in der Zeit, da er zur Ausführung kommen
sollte, noch manches von ihm zu reden haben. Für jetzt begnügen wir uns,
ihn zu erwähnen. Im nächsten Artikel werden wir zuvörderst einige Blicke
auf die inneren Angelegenheiten der vier Länder werfen.


W. Rüstow.


Von der preußischen Grenze.

Wenn man diesmal der Session des preußischen Landtags mit größerer Span¬
nung entgegensieht als je, so liegt der Grund zum Theil in dem dunklen aber all¬
gemeinen Gefühl, daß die deutschen Zustände aus dem Dämmerleben, in welchem
sie sich mehr als ein Menschenleben bewegt haben, heraustreten und immer schneller
einer Entscheidung zueilen. Immer lauter wird die Ueberzeugung bei Freunden
wie bei Gegnern, daß die bisherige Stellung Preußens zum übrigen Deutschland
nicht mehr haltbar, und daß nach der einen oder anderen Seite hin eine entschei¬
dende Veränderung eintreten muß.

Als Friedrich der Große 1740 den alten Reichskörpcr zu zertrümmern anfing,
betrachtete man es von östreichischer Seite zwar als eine Rebellion, im deutschen
Volk dagegen wurde der Name des großen Königs, namentlich nach den Thaten des
siebenjährigen Kriegs das Stichwort für den deutschen Nationalruhm. Nach dem
Frieden von Hubertsburg begann Oestreich im Wesentlichen denselben Weg einzu-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0163" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/108885"/>
          <p xml:id="ID_447" prev="#ID_446"> statten den Mund etwas vollnehmen und daß die Thatsachen den hoch¬<lb/>
trabenden Worten nicht entsprechen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_448"> Wir wollen diese militärischen Angelegenheiten hier vorläufig bei Seite<lb/>
lassen und zum Schlüsse dieses Artikels nur noch des weitern diplomatischen<lb/>
Schrittes gedenken, welchen die vier Länder Anfangs October thaten, um ihre<lb/>
Vereinigung in beständigem Hinblick auf den Anschluß an Piemont zu voll¬<lb/>
enden. Um diese Zeit traten Farini für Parma und Modena, Ricasoli<lb/>
für Toscana, Cipriani und Minghetti für die Romagna zusammen, um<lb/>
sich über die besten Wege zu dem vollen Anschluß an Piemont zu besprechen.<lb/>
Hier ward ausgemacht, daß man eine gemeinsame Regentschaft über die<lb/>
vier Länder aufrichten und dieselbe dem Vetter des Königs Victor Emanuel,<lb/>
dem Prinzen von Carignan, Eugen von Savoyen antragen wolle. Dieser<lb/>
Beschluß schließt eine Krisis in der italienischen Angelegenheit in sich, und<lb/>
wir werden daher späterhin, in der Zeit, da er zur Ausführung kommen<lb/>
sollte, noch manches von ihm zu reden haben. Für jetzt begnügen wir uns,<lb/>
ihn zu erwähnen. Im nächsten Artikel werden wir zuvörderst einige Blicke<lb/>
auf die inneren Angelegenheiten der vier Länder werfen.</p><lb/>
          <note type="byline"> W. Rüstow.</note><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Von der preußischen Grenze.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_449"> Wenn man diesmal der Session des preußischen Landtags mit größerer Span¬<lb/>
nung entgegensieht als je, so liegt der Grund zum Theil in dem dunklen aber all¬<lb/>
gemeinen Gefühl, daß die deutschen Zustände aus dem Dämmerleben, in welchem<lb/>
sie sich mehr als ein Menschenleben bewegt haben, heraustreten und immer schneller<lb/>
einer Entscheidung zueilen. Immer lauter wird die Ueberzeugung bei Freunden<lb/>
wie bei Gegnern, daß die bisherige Stellung Preußens zum übrigen Deutschland<lb/>
nicht mehr haltbar, und daß nach der einen oder anderen Seite hin eine entschei¬<lb/>
dende Veränderung eintreten muß.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_450" next="#ID_451"> Als Friedrich der Große 1740 den alten Reichskörpcr zu zertrümmern anfing,<lb/>
betrachtete man es von östreichischer Seite zwar als eine Rebellion, im deutschen<lb/>
Volk dagegen wurde der Name des großen Königs, namentlich nach den Thaten des<lb/>
siebenjährigen Kriegs das Stichwort für den deutschen Nationalruhm. Nach dem<lb/>
Frieden von Hubertsburg begann Oestreich im Wesentlichen denselben Weg einzu-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0163] statten den Mund etwas vollnehmen und daß die Thatsachen den hoch¬ trabenden Worten nicht entsprechen. Wir wollen diese militärischen Angelegenheiten hier vorläufig bei Seite lassen und zum Schlüsse dieses Artikels nur noch des weitern diplomatischen Schrittes gedenken, welchen die vier Länder Anfangs October thaten, um ihre Vereinigung in beständigem Hinblick auf den Anschluß an Piemont zu voll¬ enden. Um diese Zeit traten Farini für Parma und Modena, Ricasoli für Toscana, Cipriani und Minghetti für die Romagna zusammen, um sich über die besten Wege zu dem vollen Anschluß an Piemont zu besprechen. Hier ward ausgemacht, daß man eine gemeinsame Regentschaft über die vier Länder aufrichten und dieselbe dem Vetter des Königs Victor Emanuel, dem Prinzen von Carignan, Eugen von Savoyen antragen wolle. Dieser Beschluß schließt eine Krisis in der italienischen Angelegenheit in sich, und wir werden daher späterhin, in der Zeit, da er zur Ausführung kommen sollte, noch manches von ihm zu reden haben. Für jetzt begnügen wir uns, ihn zu erwähnen. Im nächsten Artikel werden wir zuvörderst einige Blicke auf die inneren Angelegenheiten der vier Länder werfen. W. Rüstow. Von der preußischen Grenze. Wenn man diesmal der Session des preußischen Landtags mit größerer Span¬ nung entgegensieht als je, so liegt der Grund zum Theil in dem dunklen aber all¬ gemeinen Gefühl, daß die deutschen Zustände aus dem Dämmerleben, in welchem sie sich mehr als ein Menschenleben bewegt haben, heraustreten und immer schneller einer Entscheidung zueilen. Immer lauter wird die Ueberzeugung bei Freunden wie bei Gegnern, daß die bisherige Stellung Preußens zum übrigen Deutschland nicht mehr haltbar, und daß nach der einen oder anderen Seite hin eine entschei¬ dende Veränderung eintreten muß. Als Friedrich der Große 1740 den alten Reichskörpcr zu zertrümmern anfing, betrachtete man es von östreichischer Seite zwar als eine Rebellion, im deutschen Volk dagegen wurde der Name des großen Königs, namentlich nach den Thaten des siebenjährigen Kriegs das Stichwort für den deutschen Nationalruhm. Nach dem Frieden von Hubertsburg begann Oestreich im Wesentlichen denselben Weg einzu-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/163
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/163>, abgerufen am 28.04.2024.