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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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Persönlichkeit würde sich deutlicher gestalten lassen als jetzt" wo man es nur
aus Andeutungen zusammensetzen kann.



Die Schwefelbande.

Vogt hat die Actenstücke seines Processes gegen die allgemeine Zeitung
veröffentlicht und einige Enthüllungen über die Correspondenzen deutscher Zeitungen
im Ausland hinzugefügt. Mau kann sich nicht leicht eine peinlichere Lectüre denken,
und doch ist es gut, daß uns einmal eine Perspective in diese unheimliche Region
eröffnet wird. Freilich konnte man sich über die Art und Weise, wie ein großer
Theil der Flüchtlinge das zu Hause angefangene Geschäft des Conspirirens fortsetzt,
schon nach der Natur der Dinge eine Vorstellung bilden. Zwar sind so manche
brave und selbst edle Männer in das wilde Treiben jener Jahre verwickelt und von
dem darauf folgenden Unglück betroffen worden. Die eigentliche Masse der Revo¬
lutionärs aber gehört zu allen Zeiten und bei allen Völkern dem schlechtesten Theil
der Gesellschaft an, und die ungeordnete Existenz, in die sie durch ihre Thätigkeit
getrieben werden, der Mangel jedes ernsten zweckvollen Lebensbcrufs, die unausge¬
setzte Nothwendigkeit, dem Pöbel, um ihn für die angeblichen höhern Zwecke zu ge-
winnen, zu schmeicheln und ihn zu belügen, dient eben nicht dazu, ihren Charakter
zu veredeln. Nun im Ausland auf ihre eigene schlechte Gesellschaft angewiesen, ohne
andern Unterhalt, als den ihre Federgewandtheit ihnen verspricht, kommt ihre Thä¬
tigkeit theils darauf heraus, Komplotte und Intriguen zu schmieden, in den geheimen
Gesellschaften einander den Rang abzulaufen, bald durch gegenseitige Verdächtigung, bald
durch Ueberbictcn des revolutionären Tons ; theils darauf, über diese Misere und, wenns
verlangt wird, auch über andere Dinge an deutsche Zeitungen zu berichten. Ein
dritter Ausweg, der, wie wir aus diesem Buch erfahren, nicht selten angewandt
wird, ist, in den Dienst der geheimen Polizei zu treten. Die schmuzige Geschichte,
die hier von Hafner und Engländer erzählt wird, mag sich unter den Flücht¬
lingen nicht selten wiederholen. -- Daß ein Blatt wie die Augsburger Zeitung
neben den Grafen und Baronen, deren sie sich rühmt, auch viele dieser Flüchtlinge
in ihrem Geschäft hat, ist an sich nicht unnatürlich; denn es sind zum Theil sehr
gewandte Schreiber, in allen Sätteln gerecht, für die rothe Republick und für den
christlichen Staat, für den Bonapartismus und die heilige Allianz. Aber es ist doch
zweckmäßig, daß dem Volk einmal die Augen darüber geöffnet werden, wo sich ein
großer Theil dieser Ansichten und Nachrichten herschreibt, mit denen man das Volt
bearbeitet. Es ist ein hartes Gesetz, welches in Frankreich jeden Schriftsteller zwingt,
seine Artikel zu unterzeichnen, und es erfüllt seine Bestimmungen nicht ganz; aber
ob nicht in mancher Beziehung die Vertheile dieses Gesetzes seine Nachtheile über¬
wiegen, ist noch sehr zweifelhaft. -- Der Stoff des Büchleins ist reichhaltig genug,
t t noch zu weitern Betrachtungen Veranlassung zu geben.

-- Heute nur "och einige unbedeutende Zusätze.

In dem Proceß selbst behauptete die Anklage, die A. Z. sei principlvs; die


Persönlichkeit würde sich deutlicher gestalten lassen als jetzt» wo man es nur
aus Andeutungen zusammensetzen kann.



Die Schwefelbande.

Vogt hat die Actenstücke seines Processes gegen die allgemeine Zeitung
veröffentlicht und einige Enthüllungen über die Correspondenzen deutscher Zeitungen
im Ausland hinzugefügt. Mau kann sich nicht leicht eine peinlichere Lectüre denken,
und doch ist es gut, daß uns einmal eine Perspective in diese unheimliche Region
eröffnet wird. Freilich konnte man sich über die Art und Weise, wie ein großer
Theil der Flüchtlinge das zu Hause angefangene Geschäft des Conspirirens fortsetzt,
schon nach der Natur der Dinge eine Vorstellung bilden. Zwar sind so manche
brave und selbst edle Männer in das wilde Treiben jener Jahre verwickelt und von
dem darauf folgenden Unglück betroffen worden. Die eigentliche Masse der Revo¬
lutionärs aber gehört zu allen Zeiten und bei allen Völkern dem schlechtesten Theil
der Gesellschaft an, und die ungeordnete Existenz, in die sie durch ihre Thätigkeit
getrieben werden, der Mangel jedes ernsten zweckvollen Lebensbcrufs, die unausge¬
setzte Nothwendigkeit, dem Pöbel, um ihn für die angeblichen höhern Zwecke zu ge-
winnen, zu schmeicheln und ihn zu belügen, dient eben nicht dazu, ihren Charakter
zu veredeln. Nun im Ausland auf ihre eigene schlechte Gesellschaft angewiesen, ohne
andern Unterhalt, als den ihre Federgewandtheit ihnen verspricht, kommt ihre Thä¬
tigkeit theils darauf heraus, Komplotte und Intriguen zu schmieden, in den geheimen
Gesellschaften einander den Rang abzulaufen, bald durch gegenseitige Verdächtigung, bald
durch Ueberbictcn des revolutionären Tons ; theils darauf, über diese Misere und, wenns
verlangt wird, auch über andere Dinge an deutsche Zeitungen zu berichten. Ein
dritter Ausweg, der, wie wir aus diesem Buch erfahren, nicht selten angewandt
wird, ist, in den Dienst der geheimen Polizei zu treten. Die schmuzige Geschichte,
die hier von Hafner und Engländer erzählt wird, mag sich unter den Flücht¬
lingen nicht selten wiederholen. — Daß ein Blatt wie die Augsburger Zeitung
neben den Grafen und Baronen, deren sie sich rühmt, auch viele dieser Flüchtlinge
in ihrem Geschäft hat, ist an sich nicht unnatürlich; denn es sind zum Theil sehr
gewandte Schreiber, in allen Sätteln gerecht, für die rothe Republick und für den
christlichen Staat, für den Bonapartismus und die heilige Allianz. Aber es ist doch
zweckmäßig, daß dem Volk einmal die Augen darüber geöffnet werden, wo sich ein
großer Theil dieser Ansichten und Nachrichten herschreibt, mit denen man das Volt
bearbeitet. Es ist ein hartes Gesetz, welches in Frankreich jeden Schriftsteller zwingt,
seine Artikel zu unterzeichnen, und es erfüllt seine Bestimmungen nicht ganz; aber
ob nicht in mancher Beziehung die Vertheile dieses Gesetzes seine Nachtheile über¬
wiegen, ist noch sehr zweifelhaft. — Der Stoff des Büchleins ist reichhaltig genug,
t t noch zu weitern Betrachtungen Veranlassung zu geben.

— Heute nur »och einige unbedeutende Zusätze.

In dem Proceß selbst behauptete die Anklage, die A. Z. sei principlvs; die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/211>, abgerufen am 28.04.2024.