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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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Die Cmlstitilirimii Deiitschlnuds.

Früher hatte der Deutsche, wenn er es schmerzlich einPfand, daß er seinein
mächtigen, unabhängigen politischen Organismus angehörte, einen schwachen
Trost: es gab in Europa noch ein zweites Volk, das dieses Gut entbehrte,
das es trotz der fieberhaftesten Anstrengung nicht erringen konnte, die Italiener.
Auch mit diesem schwachen Trost wird es bald vorbei sein, da kaum mehr ein
Zweifel darüber obwaltet, daß es den Italienern gelingen wird, sich zu einem
unabhängigen Staatskörper zu constituiren.

Als der deutsche Nationalverein in Frankfurt a. M. gegründet wurde,
haben wir uns über unsere Stellung zu ihm offen ausgesprochen. Daß die
Zwecke, die man bei ihm voraussehte, auch die unsrigen seien, darüber halten
wir kaum für nöthig, ein Wort zu verlieren, da wir seit elf Jahren unablässig
bemüht sind, diese Zwecke uusern Lesern deutlich zu machen. Ueber die Mittel
dagegen, mit denen er für dieselben zu arbeiten gedachte, hatten wir mannig¬
fache Bedenken. Es schien uns kein Fortschritt, wenn man, um dem Verein
eine größere Ausdehnung zu geben, den bestimmten Ausdruck der Partei ab¬
schwächte und es ebenso machte wie 1848, wo man sich über Worte einigte,
und in den Sachen das Entgegengesetzte wollte. Die Einheit Deutschlands
ist ein bloßes Wort, die Sache heißt: Aufhebung des Dualismus zwischen
Oestreich und Preußen.

Mit herzlicher Freude haben wir den Brief gelesen, den der Vorsteher des
Vereins Hr. v. Bennigsen in dieser Woche an die Versammlung Rostocker
Liberalen gerichtet hat. Hier ist über die bestimmte Richtung, welche die na¬
tionale Partei zu nehmen hat, wenn sie überhaupt etwas erreichen will, kein
Zweifel gelassen. -- Es wird gezeigt, daß eine Gemeinsamkeit mit Oestreich
schon jetzt nur dem Namen, nicht der That nach, bestanden hat. "Wenn die
Zustände des östreichischen Kaiserstaats es demselben schon unthunlich erschei¬
nen ließen, sich in die losen Formen der Bundesverfassung einzufügen, wie
weit mehr wird es unmöglich sein, die für das übrige Deutschland ebenso
nützliche wie dringend erforderliche größere Einheit der Verfassung und Gcsetz-


Greuzlwten I. 1800, 26
Die Cmlstitilirimii Deiitschlnuds.

Früher hatte der Deutsche, wenn er es schmerzlich einPfand, daß er seinein
mächtigen, unabhängigen politischen Organismus angehörte, einen schwachen
Trost: es gab in Europa noch ein zweites Volk, das dieses Gut entbehrte,
das es trotz der fieberhaftesten Anstrengung nicht erringen konnte, die Italiener.
Auch mit diesem schwachen Trost wird es bald vorbei sein, da kaum mehr ein
Zweifel darüber obwaltet, daß es den Italienern gelingen wird, sich zu einem
unabhängigen Staatskörper zu constituiren.

Als der deutsche Nationalverein in Frankfurt a. M. gegründet wurde,
haben wir uns über unsere Stellung zu ihm offen ausgesprochen. Daß die
Zwecke, die man bei ihm voraussehte, auch die unsrigen seien, darüber halten
wir kaum für nöthig, ein Wort zu verlieren, da wir seit elf Jahren unablässig
bemüht sind, diese Zwecke uusern Lesern deutlich zu machen. Ueber die Mittel
dagegen, mit denen er für dieselben zu arbeiten gedachte, hatten wir mannig¬
fache Bedenken. Es schien uns kein Fortschritt, wenn man, um dem Verein
eine größere Ausdehnung zu geben, den bestimmten Ausdruck der Partei ab¬
schwächte und es ebenso machte wie 1848, wo man sich über Worte einigte,
und in den Sachen das Entgegengesetzte wollte. Die Einheit Deutschlands
ist ein bloßes Wort, die Sache heißt: Aufhebung des Dualismus zwischen
Oestreich und Preußen.

Mit herzlicher Freude haben wir den Brief gelesen, den der Vorsteher des
Vereins Hr. v. Bennigsen in dieser Woche an die Versammlung Rostocker
Liberalen gerichtet hat. Hier ist über die bestimmte Richtung, welche die na¬
tionale Partei zu nehmen hat, wenn sie überhaupt etwas erreichen will, kein
Zweifel gelassen. — Es wird gezeigt, daß eine Gemeinsamkeit mit Oestreich
schon jetzt nur dem Namen, nicht der That nach, bestanden hat. „Wenn die
Zustände des östreichischen Kaiserstaats es demselben schon unthunlich erschei¬
nen ließen, sich in die losen Formen der Bundesverfassung einzufügen, wie
weit mehr wird es unmöglich sein, die für das übrige Deutschland ebenso
nützliche wie dringend erforderliche größere Einheit der Verfassung und Gcsetz-


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[0213] Die Cmlstitilirimii Deiitschlnuds. Früher hatte der Deutsche, wenn er es schmerzlich einPfand, daß er seinein mächtigen, unabhängigen politischen Organismus angehörte, einen schwachen Trost: es gab in Europa noch ein zweites Volk, das dieses Gut entbehrte, das es trotz der fieberhaftesten Anstrengung nicht erringen konnte, die Italiener. Auch mit diesem schwachen Trost wird es bald vorbei sein, da kaum mehr ein Zweifel darüber obwaltet, daß es den Italienern gelingen wird, sich zu einem unabhängigen Staatskörper zu constituiren. Als der deutsche Nationalverein in Frankfurt a. M. gegründet wurde, haben wir uns über unsere Stellung zu ihm offen ausgesprochen. Daß die Zwecke, die man bei ihm voraussehte, auch die unsrigen seien, darüber halten wir kaum für nöthig, ein Wort zu verlieren, da wir seit elf Jahren unablässig bemüht sind, diese Zwecke uusern Lesern deutlich zu machen. Ueber die Mittel dagegen, mit denen er für dieselben zu arbeiten gedachte, hatten wir mannig¬ fache Bedenken. Es schien uns kein Fortschritt, wenn man, um dem Verein eine größere Ausdehnung zu geben, den bestimmten Ausdruck der Partei ab¬ schwächte und es ebenso machte wie 1848, wo man sich über Worte einigte, und in den Sachen das Entgegengesetzte wollte. Die Einheit Deutschlands ist ein bloßes Wort, die Sache heißt: Aufhebung des Dualismus zwischen Oestreich und Preußen. Mit herzlicher Freude haben wir den Brief gelesen, den der Vorsteher des Vereins Hr. v. Bennigsen in dieser Woche an die Versammlung Rostocker Liberalen gerichtet hat. Hier ist über die bestimmte Richtung, welche die na¬ tionale Partei zu nehmen hat, wenn sie überhaupt etwas erreichen will, kein Zweifel gelassen. — Es wird gezeigt, daß eine Gemeinsamkeit mit Oestreich schon jetzt nur dem Namen, nicht der That nach, bestanden hat. „Wenn die Zustände des östreichischen Kaiserstaats es demselben schon unthunlich erschei¬ nen ließen, sich in die losen Formen der Bundesverfassung einzufügen, wie weit mehr wird es unmöglich sein, die für das übrige Deutschland ebenso nützliche wie dringend erforderliche größere Einheit der Verfassung und Gcsetz- Greuzlwten I. 1800, 26

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/213>, abgerufen am 28.04.2024.