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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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gebung auch auf Oestreich anzuwenden." -- .Es gibt zwar noch immer Poli¬
tiker, welche glauben. daß zwei große Staaten wie Preußen und Oestreich ihre
beiderseitigen Heere, diplomatischen Kräfte und Gesetzgebungen einer Central-
gewalt unterordnen würden. Aber ... ein großer Staat wird niemals seine
ganze Politik und seine Hilfsmittel einer Gewalt unterordnen, deren wesent¬
liche Leitung nicht in seiner Hand liegt. Wer einen Bundesstaat gründen
wollte mit Preußen und Oestreich zugleich, der würde die nothwendigsten Befug¬
nisse einer Centralgewalt preisgeben oder den Kampf beider großen Machte
und die Auflösung des Bundesstaats schon in seine Gründung legen . . .
Eine Unterordnung Oestreichs und Preußens unter eine gemein¬
same Staatsgewalt mit dem übrigen Deuschland ist ein hohler
Traum." --

Dagegen ist ein enges Bündniß beider Staaten möglich. "Das wollen
wir festhalten und dazu kann das übrige Deutschland Großes beitragen." --

"Die finanzielle Zerrüttung Oestreichs, die aufrührerische Stimmung seiner
Provinzen, seine vollständige Hsolirnng in Europa und die Nothwendigkeit,
einmal an Deutschland einen aufrichtigen und zuverlässigen Bundesgenossen
zu haben, lassen der Hoffnung einigen Raum, daß man bei der deutsch-öst¬
reichischen Bevölkerung den Gedanken ausgibt, länger einer Reform der deut¬
schen Verfassung hindernd in den Weg zu treten.^) Sympathien für eine solche
Reform bei der östreichischen Regierung zu erwarten, würde immer thöricht sein.
Wol aber könnte das eigne wohlverstandene Interesse Oestreich zu einem resi-
gnirten Aufgeben seines bisherigen unheilvollen Einflusses auf die deutscheu
Geschicke veranlassen. Noch sind die Stinnnen vereinzelt in Deutschland, welche
zum Heile Deutschlands die Zertrümmerung Oestreichs nothwendig erklären.
Noch erscheint den "leisten Politikern die Unsicherheit und Gefahr der Zustände,
welche durch eine Auflösung Oestreichs und die daraus hervorgehende Macht-
erweiteruug Rußlands hervorgerufen würde", von überwiegender Bedeutung.
Schon jetzt zeigt sich aber ein bedenklicher Wechsel in der Stimmung, und mit
der wachsenden Zerrüttung Oestreichs könnte, wenn dieses trotzdem fortfährt,
einen Hemmschuh zu bilden für unsere ganze Entwicklung in Deutschland, eine
Auffassung allgemein werden, welche zuletzt in Italien den Kampf gegen Oest¬
reich zur Nationalsache gemacht hat." -- Diesen Gedanken wollen wir etwas
weiter ausführen.

Nach dem Friedensabschluß von Villafranca wurde von der östreichischen Par¬
tei-- wozu, wie wir jetzt von Bogt erfahren, außer den Ultramontanen und
Particularistcn auch die "Schwefelbande" gehörte -- folgende Ansicht so laut
als möglich ausgesprochen. -- Der Zweck Napoleons bei dem italienischen



') Man vergleiche die Broschüre: "Die Lebensfrage Oestreichs, Ist noch eine Vermittlniig
zwischen Oestreich und Ungar" möglich?" Biannschweig, Westermann.

gebung auch auf Oestreich anzuwenden." — .Es gibt zwar noch immer Poli¬
tiker, welche glauben. daß zwei große Staaten wie Preußen und Oestreich ihre
beiderseitigen Heere, diplomatischen Kräfte und Gesetzgebungen einer Central-
gewalt unterordnen würden. Aber ... ein großer Staat wird niemals seine
ganze Politik und seine Hilfsmittel einer Gewalt unterordnen, deren wesent¬
liche Leitung nicht in seiner Hand liegt. Wer einen Bundesstaat gründen
wollte mit Preußen und Oestreich zugleich, der würde die nothwendigsten Befug¬
nisse einer Centralgewalt preisgeben oder den Kampf beider großen Machte
und die Auflösung des Bundesstaats schon in seine Gründung legen . . .
Eine Unterordnung Oestreichs und Preußens unter eine gemein¬
same Staatsgewalt mit dem übrigen Deuschland ist ein hohler
Traum." —

Dagegen ist ein enges Bündniß beider Staaten möglich. „Das wollen
wir festhalten und dazu kann das übrige Deutschland Großes beitragen." —

„Die finanzielle Zerrüttung Oestreichs, die aufrührerische Stimmung seiner
Provinzen, seine vollständige Hsolirnng in Europa und die Nothwendigkeit,
einmal an Deutschland einen aufrichtigen und zuverlässigen Bundesgenossen
zu haben, lassen der Hoffnung einigen Raum, daß man bei der deutsch-öst¬
reichischen Bevölkerung den Gedanken ausgibt, länger einer Reform der deut¬
schen Verfassung hindernd in den Weg zu treten.^) Sympathien für eine solche
Reform bei der östreichischen Regierung zu erwarten, würde immer thöricht sein.
Wol aber könnte das eigne wohlverstandene Interesse Oestreich zu einem resi-
gnirten Aufgeben seines bisherigen unheilvollen Einflusses auf die deutscheu
Geschicke veranlassen. Noch sind die Stinnnen vereinzelt in Deutschland, welche
zum Heile Deutschlands die Zertrümmerung Oestreichs nothwendig erklären.
Noch erscheint den »leisten Politikern die Unsicherheit und Gefahr der Zustände,
welche durch eine Auflösung Oestreichs und die daraus hervorgehende Macht-
erweiteruug Rußlands hervorgerufen würde», von überwiegender Bedeutung.
Schon jetzt zeigt sich aber ein bedenklicher Wechsel in der Stimmung, und mit
der wachsenden Zerrüttung Oestreichs könnte, wenn dieses trotzdem fortfährt,
einen Hemmschuh zu bilden für unsere ganze Entwicklung in Deutschland, eine
Auffassung allgemein werden, welche zuletzt in Italien den Kampf gegen Oest¬
reich zur Nationalsache gemacht hat." — Diesen Gedanken wollen wir etwas
weiter ausführen.

Nach dem Friedensabschluß von Villafranca wurde von der östreichischen Par¬
tei— wozu, wie wir jetzt von Bogt erfahren, außer den Ultramontanen und
Particularistcn auch die „Schwefelbande" gehörte — folgende Ansicht so laut
als möglich ausgesprochen. — Der Zweck Napoleons bei dem italienischen



') Man vergleiche die Broschüre: „Die Lebensfrage Oestreichs, Ist noch eine Vermittlniig
zwischen Oestreich und Ungar» möglich?" Biannschweig, Westermann.
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[0214] gebung auch auf Oestreich anzuwenden." — .Es gibt zwar noch immer Poli¬ tiker, welche glauben. daß zwei große Staaten wie Preußen und Oestreich ihre beiderseitigen Heere, diplomatischen Kräfte und Gesetzgebungen einer Central- gewalt unterordnen würden. Aber ... ein großer Staat wird niemals seine ganze Politik und seine Hilfsmittel einer Gewalt unterordnen, deren wesent¬ liche Leitung nicht in seiner Hand liegt. Wer einen Bundesstaat gründen wollte mit Preußen und Oestreich zugleich, der würde die nothwendigsten Befug¬ nisse einer Centralgewalt preisgeben oder den Kampf beider großen Machte und die Auflösung des Bundesstaats schon in seine Gründung legen . . . Eine Unterordnung Oestreichs und Preußens unter eine gemein¬ same Staatsgewalt mit dem übrigen Deuschland ist ein hohler Traum." — Dagegen ist ein enges Bündniß beider Staaten möglich. „Das wollen wir festhalten und dazu kann das übrige Deutschland Großes beitragen." — „Die finanzielle Zerrüttung Oestreichs, die aufrührerische Stimmung seiner Provinzen, seine vollständige Hsolirnng in Europa und die Nothwendigkeit, einmal an Deutschland einen aufrichtigen und zuverlässigen Bundesgenossen zu haben, lassen der Hoffnung einigen Raum, daß man bei der deutsch-öst¬ reichischen Bevölkerung den Gedanken ausgibt, länger einer Reform der deut¬ schen Verfassung hindernd in den Weg zu treten.^) Sympathien für eine solche Reform bei der östreichischen Regierung zu erwarten, würde immer thöricht sein. Wol aber könnte das eigne wohlverstandene Interesse Oestreich zu einem resi- gnirten Aufgeben seines bisherigen unheilvollen Einflusses auf die deutscheu Geschicke veranlassen. Noch sind die Stinnnen vereinzelt in Deutschland, welche zum Heile Deutschlands die Zertrümmerung Oestreichs nothwendig erklären. Noch erscheint den »leisten Politikern die Unsicherheit und Gefahr der Zustände, welche durch eine Auflösung Oestreichs und die daraus hervorgehende Macht- erweiteruug Rußlands hervorgerufen würde», von überwiegender Bedeutung. Schon jetzt zeigt sich aber ein bedenklicher Wechsel in der Stimmung, und mit der wachsenden Zerrüttung Oestreichs könnte, wenn dieses trotzdem fortfährt, einen Hemmschuh zu bilden für unsere ganze Entwicklung in Deutschland, eine Auffassung allgemein werden, welche zuletzt in Italien den Kampf gegen Oest¬ reich zur Nationalsache gemacht hat." — Diesen Gedanken wollen wir etwas weiter ausführen. Nach dem Friedensabschluß von Villafranca wurde von der östreichischen Par¬ tei— wozu, wie wir jetzt von Bogt erfahren, außer den Ultramontanen und Particularistcn auch die „Schwefelbande" gehörte — folgende Ansicht so laut als möglich ausgesprochen. — Der Zweck Napoleons bei dem italienischen ') Man vergleiche die Broschüre: „Die Lebensfrage Oestreichs, Ist noch eine Vermittlniig zwischen Oestreich und Ungar» möglich?" Biannschweig, Westermann.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/214>, abgerufen am 14.05.2024.