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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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wir keine Veranlassung. -- Unter dem illegaler Weg verstehen wir aber nicht
eine Revolution, sondern einen Krieg des einen deutschen Staats gegen den
andern. -- Und die Gefahr dieses Ausgangs liegt nahe genug; nur ein Blin¬
der kann dagegen die Augen verschließen. Jeder, der es wohl mit dem
Batcrlaude meint, muß mit der äußersten Kraftanstrengung alles befördern,
was diese Gefahr einigermaßen entfernt: gleichviel ob man sie heute, morgen,
oder über hundert Jahre voraussieht. Und der sicherste Weg, diese Gefahr
zu vermeiden, ist: daß Rechtens werde, was thatsächlich bereits besteht, damit
nicht der Widerspruch zwischen dem Recht des Buchstabens und dem Recht der
Sache die Leidenschaften zu verwegnen Spiel auffordere.




Zur Geschichte des preußischen Heeres.
i.

Für Beurtheilung der beabsichtigten Neuerungen in der Organisation des
preußischen Heeres -- unstreitig einer der wichtigsten Fragen, die den Land¬
tag beschäftigen werden -- mochte die Regel besondere Anwendung leiden,
daß nur" der Gegenwart am leichtesten gerecht wird, wenn mau sich der Bcr-
gangenheit erinnert, und so dürfte der nachfolgende Ueberblick über die Ent¬
stehung und Entwicklung unseres Heeres willkommen sein, wen" er auch nicht
Anspruch darauf macht, alle Seiten der Angelegenheit zu beleuchten.

Im sechzehnten Jahrhundert halten die Kurfürsten von Brandenburg anßer
ihren Lehrs- und Dienstleuten zunächst eine Leibgarde von 24 adeligen Bur¬
schen, welche nnter Johann Sigismund im Jahr 1017 ans ö2 ndelige Burschen
gesteigert wurde. Außerdem hielten sie noch einige Fähnlein Landsknechte
oder Festungsgarden in den Landesfestungeu. Während der Regierung des
Kurfürsten Georg Wilhelm wurde im Jahr linn eine Leibgarde von drei
Compagnien Reiter, jede zu 100 Maun und fünf Compagnien Fußvolks, jede
zu 200 Maun errichtet. Diese sind der Stamm des ältesten Jnsantcrieregi-
meuts in der Armee, nämlich des ersten ostpreußischen. Bier Jahre später
wurde der Grund zur Bildung des Heeres durch ein Aufgebot gelegt, von
welchem zehn Schwadronen Reiter, jede zu 60 Mau", und 25 Compagnien Fu߬
volk, jede zu 120 Mann, beständig in Sold blieben. Im Jahr nun wurden
die Truppen zuerst in Blau gekleidet. Beim Tode des Kurfürsten Georg Wik-


wir keine Veranlassung. — Unter dem illegaler Weg verstehen wir aber nicht
eine Revolution, sondern einen Krieg des einen deutschen Staats gegen den
andern. — Und die Gefahr dieses Ausgangs liegt nahe genug; nur ein Blin¬
der kann dagegen die Augen verschließen. Jeder, der es wohl mit dem
Batcrlaude meint, muß mit der äußersten Kraftanstrengung alles befördern,
was diese Gefahr einigermaßen entfernt: gleichviel ob man sie heute, morgen,
oder über hundert Jahre voraussieht. Und der sicherste Weg, diese Gefahr
zu vermeiden, ist: daß Rechtens werde, was thatsächlich bereits besteht, damit
nicht der Widerspruch zwischen dem Recht des Buchstabens und dem Recht der
Sache die Leidenschaften zu verwegnen Spiel auffordere.




Zur Geschichte des preußischen Heeres.
i.

Für Beurtheilung der beabsichtigten Neuerungen in der Organisation des
preußischen Heeres — unstreitig einer der wichtigsten Fragen, die den Land¬
tag beschäftigen werden — mochte die Regel besondere Anwendung leiden,
daß nur» der Gegenwart am leichtesten gerecht wird, wenn mau sich der Bcr-
gangenheit erinnert, und so dürfte der nachfolgende Ueberblick über die Ent¬
stehung und Entwicklung unseres Heeres willkommen sein, wen» er auch nicht
Anspruch darauf macht, alle Seiten der Angelegenheit zu beleuchten.

Im sechzehnten Jahrhundert halten die Kurfürsten von Brandenburg anßer
ihren Lehrs- und Dienstleuten zunächst eine Leibgarde von 24 adeligen Bur¬
schen, welche nnter Johann Sigismund im Jahr 1017 ans ö2 ndelige Burschen
gesteigert wurde. Außerdem hielten sie noch einige Fähnlein Landsknechte
oder Festungsgarden in den Landesfestungeu. Während der Regierung des
Kurfürsten Georg Wilhelm wurde im Jahr linn eine Leibgarde von drei
Compagnien Reiter, jede zu 100 Maun und fünf Compagnien Fußvolks, jede
zu 200 Maun errichtet. Diese sind der Stamm des ältesten Jnsantcrieregi-
meuts in der Armee, nämlich des ersten ostpreußischen. Bier Jahre später
wurde der Grund zur Bildung des Heeres durch ein Aufgebot gelegt, von
welchem zehn Schwadronen Reiter, jede zu 60 Mau«, und 25 Compagnien Fu߬
volk, jede zu 120 Mann, beständig in Sold blieben. Im Jahr nun wurden
die Truppen zuerst in Blau gekleidet. Beim Tode des Kurfürsten Georg Wik-


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[0218] wir keine Veranlassung. — Unter dem illegaler Weg verstehen wir aber nicht eine Revolution, sondern einen Krieg des einen deutschen Staats gegen den andern. — Und die Gefahr dieses Ausgangs liegt nahe genug; nur ein Blin¬ der kann dagegen die Augen verschließen. Jeder, der es wohl mit dem Batcrlaude meint, muß mit der äußersten Kraftanstrengung alles befördern, was diese Gefahr einigermaßen entfernt: gleichviel ob man sie heute, morgen, oder über hundert Jahre voraussieht. Und der sicherste Weg, diese Gefahr zu vermeiden, ist: daß Rechtens werde, was thatsächlich bereits besteht, damit nicht der Widerspruch zwischen dem Recht des Buchstabens und dem Recht der Sache die Leidenschaften zu verwegnen Spiel auffordere. Zur Geschichte des preußischen Heeres. i. Für Beurtheilung der beabsichtigten Neuerungen in der Organisation des preußischen Heeres — unstreitig einer der wichtigsten Fragen, die den Land¬ tag beschäftigen werden — mochte die Regel besondere Anwendung leiden, daß nur» der Gegenwart am leichtesten gerecht wird, wenn mau sich der Bcr- gangenheit erinnert, und so dürfte der nachfolgende Ueberblick über die Ent¬ stehung und Entwicklung unseres Heeres willkommen sein, wen» er auch nicht Anspruch darauf macht, alle Seiten der Angelegenheit zu beleuchten. Im sechzehnten Jahrhundert halten die Kurfürsten von Brandenburg anßer ihren Lehrs- und Dienstleuten zunächst eine Leibgarde von 24 adeligen Bur¬ schen, welche nnter Johann Sigismund im Jahr 1017 ans ö2 ndelige Burschen gesteigert wurde. Außerdem hielten sie noch einige Fähnlein Landsknechte oder Festungsgarden in den Landesfestungeu. Während der Regierung des Kurfürsten Georg Wilhelm wurde im Jahr linn eine Leibgarde von drei Compagnien Reiter, jede zu 100 Maun und fünf Compagnien Fußvolks, jede zu 200 Maun errichtet. Diese sind der Stamm des ältesten Jnsantcrieregi- meuts in der Armee, nämlich des ersten ostpreußischen. Bier Jahre später wurde der Grund zur Bildung des Heeres durch ein Aufgebot gelegt, von welchem zehn Schwadronen Reiter, jede zu 60 Mau«, und 25 Compagnien Fu߬ volk, jede zu 120 Mann, beständig in Sold blieben. Im Jahr nun wurden die Truppen zuerst in Blau gekleidet. Beim Tode des Kurfürsten Georg Wik-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/218>, abgerufen am 29.04.2024.