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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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gesehen, daß sie in der Geschichte der neueren Heere nicht allein steht, daß
z. B. nach der Schlacht bei Waterloo die französische Armee in eine ebenso
große Verwirrung und Auflösung gerieth als vorher die preußische.




Beseler über die Schleswig-holsteinische Frage.

Unter dem Titel "Ein Mahnruf an das deutsche Volk" hat Wit.
Helm Beseler in Leipzig bei S. Hirzel eine neue Flugschrift zum Verständniß
der gegenwärtigen Lage der Dinge in Schleswig" Holstein erscheinen lassen.
Indem wir mit derselben im Wesentlichen übereinstimmen, geben wir im Nach¬
stehenden einen Auszug.

Die Grundrechte der transalbingischen Herzogthümer sind bekanntlich: daß
sie von Dänemark getrennte, mit einander engverbundene Länder sind, ,und
daß in ihnen der Mannsstamm herrscht. Die dänische Revolution, verbunden
zuletzt mit der von Oestreich geführten deutschen Reaction, führte darin eine
Aenderung herbei. Das Patent vom 28. Jan. 1852 schuf den dänischen Ge-
sammtstaat, der Londoner Tractat vom 8. Mai desselben Jahres änderte die
Erbfolge ab. Nun hört man häusig die Behauptung, der Londoner Tractat
sei die Hauptquelle des Unglücks der Herzogthümer. da durch denselben die
im Fall des Aussterbens der jetzt regierenden Linie des oldenburgischen Hauses
gesetzlich eintretende verschiedene Erbfolge in Dänemark und den Herzogthümern
beseitigt und damit die Hoffnung vereitelt sei, die Personalunion zwischen den
dänischen und den deutschen Ländern der jetzigen dänischen Monarchie aufge¬
hoben zu sehen; andrerseits aber knüpfe sich an den Tractat entschieden die
Aussicht aus Abhilfe des Schadens, da derselbe nicht wie das Patent vom
Bundestag genehmigt worden sei. So müsse sich denn aus doppeltem Grunde
die Agitation gegen den Tractat. nicht gegen das Patent richten.

Gegen diese Ansicht erklärt sich Beseler mit allem Ernst. Die beiden
deutschen Mächte, sagt er, verhandelten 1851 mit der dänischen Regierung,
um dem inhaltslosen Berliner Frieden einen Inhalt zu geben. Das Ergebniß
der gewechselten Noten war jenes Patent, welches demnächst vom deutschen
Bunde anerkannt ward. Diese Bekanntmachung beruht von Anfang bis zu
Ende auf der Idee des dänischen Gesammtstaats, der durch eine gemeinschaft-


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gesehen, daß sie in der Geschichte der neueren Heere nicht allein steht, daß
z. B. nach der Schlacht bei Waterloo die französische Armee in eine ebenso
große Verwirrung und Auflösung gerieth als vorher die preußische.




Beseler über die Schleswig-holsteinische Frage.

Unter dem Titel „Ein Mahnruf an das deutsche Volk" hat Wit.
Helm Beseler in Leipzig bei S. Hirzel eine neue Flugschrift zum Verständniß
der gegenwärtigen Lage der Dinge in Schleswig« Holstein erscheinen lassen.
Indem wir mit derselben im Wesentlichen übereinstimmen, geben wir im Nach¬
stehenden einen Auszug.

Die Grundrechte der transalbingischen Herzogthümer sind bekanntlich: daß
sie von Dänemark getrennte, mit einander engverbundene Länder sind, ,und
daß in ihnen der Mannsstamm herrscht. Die dänische Revolution, verbunden
zuletzt mit der von Oestreich geführten deutschen Reaction, führte darin eine
Aenderung herbei. Das Patent vom 28. Jan. 1852 schuf den dänischen Ge-
sammtstaat, der Londoner Tractat vom 8. Mai desselben Jahres änderte die
Erbfolge ab. Nun hört man häusig die Behauptung, der Londoner Tractat
sei die Hauptquelle des Unglücks der Herzogthümer. da durch denselben die
im Fall des Aussterbens der jetzt regierenden Linie des oldenburgischen Hauses
gesetzlich eintretende verschiedene Erbfolge in Dänemark und den Herzogthümern
beseitigt und damit die Hoffnung vereitelt sei, die Personalunion zwischen den
dänischen und den deutschen Ländern der jetzigen dänischen Monarchie aufge¬
hoben zu sehen; andrerseits aber knüpfe sich an den Tractat entschieden die
Aussicht aus Abhilfe des Schadens, da derselbe nicht wie das Patent vom
Bundestag genehmigt worden sei. So müsse sich denn aus doppeltem Grunde
die Agitation gegen den Tractat. nicht gegen das Patent richten.

Gegen diese Ansicht erklärt sich Beseler mit allem Ernst. Die beiden
deutschen Mächte, sagt er, verhandelten 1851 mit der dänischen Regierung,
um dem inhaltslosen Berliner Frieden einen Inhalt zu geben. Das Ergebniß
der gewechselten Noten war jenes Patent, welches demnächst vom deutschen
Bunde anerkannt ward. Diese Bekanntmachung beruht von Anfang bis zu
Ende auf der Idee des dänischen Gesammtstaats, der durch eine gemeinschaft-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/231>, abgerufen am 29.04.2024.