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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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liebe Verfassung zu einem wohlgeordneten Ganzen umzuformenden Monarchie,
welche aus allen dem Scepter des Königs unterworfenen Ländern gebildet
werden soll. Die Umformung feste die vollständige Vernichtung des Schles-
wig-holsteinischen Landesrechts voraus, sowol des innern Staatsrechts als der
völkerrechtlichen Beziehungen zu Dänemark. Die Realunion, in welcher die
Herzogthümer rechtlich zu einander stehen, ward in eine Realunion beider mit
Dänemark verwandelt. In der Zukunft drohte aber dem Zusammenhalten
dieses neuen Staatswesens die Gefahr des Auseinanderfallens in Folge der
Verschiedenheit der Erbfolge, welche durch Verzichte der in Schleswig-Holstein
erbberechtigten Agnaten nicht zu beseitigen gewesen war. Die dänische Re¬
gierung benutzte daher nach dem Abschluß des Berliner Friedens die ihr gün¬
stige europäische Stimmung, um durch eine völkerrechtliche Erklärung für den
Fall des Ansslnbrns der jetzt regierenden Linie des oldenburgischen Hauses
eine gleiche Erbfolge für alle zur dänischen Monarchie gehörigen Staaten an¬
erkennen zu lassen. Diese Erklärung erlangte sie in dem Londoner Tractat.
Die in diesem enthalte"? Anerkennung der Integrität der dänischen Monarchie
als völkerrechtlichen Princips hat aber mit den innern Verhältnissen der ge¬
nannten Monarchie nichts zu schaffen. Die Unterzeichner des Tractcits hatten
es dabei nur mit Vorkehrungen zu thun, welche das Auseinanderfallen dieser
Monarchie in der Zukunft verhinderten. Der Inhalt des Ianuarpateuts in-
teressirte sie nur insofern, als es ihnen wünschenswerth schien, daß die mo¬
narchische Gewalt in Betreff Dänemarks und der deutschen Herzogthümer auch
künftig in derselben Hand blieb. Es lag ganz außerhalb ihres Gesichtskreises,
das innere Staatsrecht der dänischen Monarchie, die Beziehungen Dänemarks
zu Schleswig-Holstein festzustellen, zu bestimmen, daß die bisherige Personal-
Union in eine Real-Union verwandelt werden solle, wovon ja auch im August
1850 noch nicht die Rede war. Man hat es daher auch in dem Tractat
vermieden, von einem dänischen Staat zu reden, welcher Ausdruck im Ge¬
gensatz zu Monarchie zu Zweifeln über die Absicht der Unterzeichner hätte führen
können. Daß die Monarchie die dänische genannt wird, darf aber nicht befremden,
da diese Bezeichnung in der diplomatischen Sprache herkömmlich ist und aus
einer Zeit stammt, in welcher die Personal-Union Dänemarks und-Schleswig-
Holsteins von Seiten des ersteren unangefochten war.

Die europäische" Mächte mit Einschluß Oestreichs und Preußens und das
Stockholmer Kabinet sind also der Meinung gewesen, für diesen Fall die Legi¬
timität der für wünschenswerth erklärten Aufrechthaltung der dänischen Mo¬
narchie zum Opfer bringen zu müssen. Sie haben ohne allen Beruf die An¬
ordnungen des Königs von Dänemark wegen Gründung einer neuen Dynastie
in dem Königreich und in den Herzogthümer" gebilligt, aber auch nur gebil¬
ligt, nicht verbürgt. In den Büchern der Geschichte finden sich viele Fälle


liebe Verfassung zu einem wohlgeordneten Ganzen umzuformenden Monarchie,
welche aus allen dem Scepter des Königs unterworfenen Ländern gebildet
werden soll. Die Umformung feste die vollständige Vernichtung des Schles-
wig-holsteinischen Landesrechts voraus, sowol des innern Staatsrechts als der
völkerrechtlichen Beziehungen zu Dänemark. Die Realunion, in welcher die
Herzogthümer rechtlich zu einander stehen, ward in eine Realunion beider mit
Dänemark verwandelt. In der Zukunft drohte aber dem Zusammenhalten
dieses neuen Staatswesens die Gefahr des Auseinanderfallens in Folge der
Verschiedenheit der Erbfolge, welche durch Verzichte der in Schleswig-Holstein
erbberechtigten Agnaten nicht zu beseitigen gewesen war. Die dänische Re¬
gierung benutzte daher nach dem Abschluß des Berliner Friedens die ihr gün¬
stige europäische Stimmung, um durch eine völkerrechtliche Erklärung für den
Fall des Ansslnbrns der jetzt regierenden Linie des oldenburgischen Hauses
eine gleiche Erbfolge für alle zur dänischen Monarchie gehörigen Staaten an¬
erkennen zu lassen. Diese Erklärung erlangte sie in dem Londoner Tractat.
Die in diesem enthalte»? Anerkennung der Integrität der dänischen Monarchie
als völkerrechtlichen Princips hat aber mit den innern Verhältnissen der ge¬
nannten Monarchie nichts zu schaffen. Die Unterzeichner des Tractcits hatten
es dabei nur mit Vorkehrungen zu thun, welche das Auseinanderfallen dieser
Monarchie in der Zukunft verhinderten. Der Inhalt des Ianuarpateuts in-
teressirte sie nur insofern, als es ihnen wünschenswerth schien, daß die mo¬
narchische Gewalt in Betreff Dänemarks und der deutschen Herzogthümer auch
künftig in derselben Hand blieb. Es lag ganz außerhalb ihres Gesichtskreises,
das innere Staatsrecht der dänischen Monarchie, die Beziehungen Dänemarks
zu Schleswig-Holstein festzustellen, zu bestimmen, daß die bisherige Personal-
Union in eine Real-Union verwandelt werden solle, wovon ja auch im August
1850 noch nicht die Rede war. Man hat es daher auch in dem Tractat
vermieden, von einem dänischen Staat zu reden, welcher Ausdruck im Ge¬
gensatz zu Monarchie zu Zweifeln über die Absicht der Unterzeichner hätte führen
können. Daß die Monarchie die dänische genannt wird, darf aber nicht befremden,
da diese Bezeichnung in der diplomatischen Sprache herkömmlich ist und aus
einer Zeit stammt, in welcher die Personal-Union Dänemarks und-Schleswig-
Holsteins von Seiten des ersteren unangefochten war.

Die europäische» Mächte mit Einschluß Oestreichs und Preußens und das
Stockholmer Kabinet sind also der Meinung gewesen, für diesen Fall die Legi¬
timität der für wünschenswerth erklärten Aufrechthaltung der dänischen Mo¬
narchie zum Opfer bringen zu müssen. Sie haben ohne allen Beruf die An¬
ordnungen des Königs von Dänemark wegen Gründung einer neuen Dynastie
in dem Königreich und in den Herzogthümer» gebilligt, aber auch nur gebil¬
ligt, nicht verbürgt. In den Büchern der Geschichte finden sich viele Fälle


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[0232] liebe Verfassung zu einem wohlgeordneten Ganzen umzuformenden Monarchie, welche aus allen dem Scepter des Königs unterworfenen Ländern gebildet werden soll. Die Umformung feste die vollständige Vernichtung des Schles- wig-holsteinischen Landesrechts voraus, sowol des innern Staatsrechts als der völkerrechtlichen Beziehungen zu Dänemark. Die Realunion, in welcher die Herzogthümer rechtlich zu einander stehen, ward in eine Realunion beider mit Dänemark verwandelt. In der Zukunft drohte aber dem Zusammenhalten dieses neuen Staatswesens die Gefahr des Auseinanderfallens in Folge der Verschiedenheit der Erbfolge, welche durch Verzichte der in Schleswig-Holstein erbberechtigten Agnaten nicht zu beseitigen gewesen war. Die dänische Re¬ gierung benutzte daher nach dem Abschluß des Berliner Friedens die ihr gün¬ stige europäische Stimmung, um durch eine völkerrechtliche Erklärung für den Fall des Ansslnbrns der jetzt regierenden Linie des oldenburgischen Hauses eine gleiche Erbfolge für alle zur dänischen Monarchie gehörigen Staaten an¬ erkennen zu lassen. Diese Erklärung erlangte sie in dem Londoner Tractat. Die in diesem enthalte»? Anerkennung der Integrität der dänischen Monarchie als völkerrechtlichen Princips hat aber mit den innern Verhältnissen der ge¬ nannten Monarchie nichts zu schaffen. Die Unterzeichner des Tractcits hatten es dabei nur mit Vorkehrungen zu thun, welche das Auseinanderfallen dieser Monarchie in der Zukunft verhinderten. Der Inhalt des Ianuarpateuts in- teressirte sie nur insofern, als es ihnen wünschenswerth schien, daß die mo¬ narchische Gewalt in Betreff Dänemarks und der deutschen Herzogthümer auch künftig in derselben Hand blieb. Es lag ganz außerhalb ihres Gesichtskreises, das innere Staatsrecht der dänischen Monarchie, die Beziehungen Dänemarks zu Schleswig-Holstein festzustellen, zu bestimmen, daß die bisherige Personal- Union in eine Real-Union verwandelt werden solle, wovon ja auch im August 1850 noch nicht die Rede war. Man hat es daher auch in dem Tractat vermieden, von einem dänischen Staat zu reden, welcher Ausdruck im Ge¬ gensatz zu Monarchie zu Zweifeln über die Absicht der Unterzeichner hätte führen können. Daß die Monarchie die dänische genannt wird, darf aber nicht befremden, da diese Bezeichnung in der diplomatischen Sprache herkömmlich ist und aus einer Zeit stammt, in welcher die Personal-Union Dänemarks und-Schleswig- Holsteins von Seiten des ersteren unangefochten war. Die europäische» Mächte mit Einschluß Oestreichs und Preußens und das Stockholmer Kabinet sind also der Meinung gewesen, für diesen Fall die Legi¬ timität der für wünschenswerth erklärten Aufrechthaltung der dänischen Mo¬ narchie zum Opfer bringen zu müssen. Sie haben ohne allen Beruf die An¬ ordnungen des Königs von Dänemark wegen Gründung einer neuen Dynastie in dem Königreich und in den Herzogthümer» gebilligt, aber auch nur gebil¬ ligt, nicht verbürgt. In den Büchern der Geschichte finden sich viele Fälle

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/232>, abgerufen am 15.05.2024.