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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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die lokalen Angelegenheiten. Die Frage ist zu verneinen, ob man sich, abge¬
sehen von der Domänenfrage und der nicht stattgehabten Betheiligung der
Stände beider Herzogtümer bei der Schöpfung der gemeinschaftlichen Ver¬
fassung, auf den Buchstabe" oder den Geist des Patents und der vorher ge¬
wechselten Noten berufen könne, um eine wirkliche und ausreichende Verbesser¬
ung der jetzigen Verfassungs- und Verwaltungszustände mit Recht und in
sicherer Erwartung eines entsprechenden Erfolges zu verlangen.

Es ist von der äußersten Wichtigkeit, daß man sich darüber keinen Täusch¬
ungen hingibt, sich nicht vergeblich abmüht, auf Grundlage des Paters dem
Lande zu helfen. So lange das Patent von Deutschland als maßgebend an¬
erkannt wird, kann dieses dem Unwesen in den transalbingischen Herzog-
thümern kein Ziel setzen, auch wenn der Tractat über die Erbfolge längst nicht
mehr ezistirte.




Die Ereignisse in Mittelitalien seit dem Frieden von
Villlisrnncn.
, 3.

^,Die Ermordung Anvitis in Parma übergehen wir als ein Ereigniß,
welches dem Pöbel einer einzelnen Stadt zur Last fällt und auf die Entwick¬
lung der mittelitalienischen Frage keinen oder nur sehr geringen Einfluß hatte.
Dagegen müssen wir, ehe wir weitergehen, noch einiges über die beide" äußer¬
sten Enden Norditaliens, Venetien im Osten, Savoyen im Westen einschalten.

Venetien blieb nach dem Frieden von Villafranca bei Oestreich; doch
sollte es eine gesonderte Verwaltung erhalten und in den projectirten Bund
der italienischen Staaten eintreten. Darüber Unzufriedenheit bei Piemont,
im übrigen Italien, in Venetien selbst. Piemont war der Meinung, es könne
in einen italienischen Bund nicht eintreten, in welchem sich Oestreich für Ita¬
lien befinde wie im deutschen Bunde Dünemark für Holstein und Lauen-
burg. Wie es mit Dänemark im deutschen Bunde diesem letzteren ergangen,
meinte man in Piemont, sei nur zu wohlbekannt, und doch sei Dänemark
immer nur ein kleines Land, Oestreich dagegen eine europäische Großmacht;
daß hierdurch die Verhältnisse für den italienischen Bund sich noch schlimmer ge¬
stalteten, müsse Jedermann einleuchten. Bedenke man außerdem die lange


die lokalen Angelegenheiten. Die Frage ist zu verneinen, ob man sich, abge¬
sehen von der Domänenfrage und der nicht stattgehabten Betheiligung der
Stände beider Herzogtümer bei der Schöpfung der gemeinschaftlichen Ver¬
fassung, auf den Buchstabe» oder den Geist des Patents und der vorher ge¬
wechselten Noten berufen könne, um eine wirkliche und ausreichende Verbesser¬
ung der jetzigen Verfassungs- und Verwaltungszustände mit Recht und in
sicherer Erwartung eines entsprechenden Erfolges zu verlangen.

Es ist von der äußersten Wichtigkeit, daß man sich darüber keinen Täusch¬
ungen hingibt, sich nicht vergeblich abmüht, auf Grundlage des Paters dem
Lande zu helfen. So lange das Patent von Deutschland als maßgebend an¬
erkannt wird, kann dieses dem Unwesen in den transalbingischen Herzog-
thümern kein Ziel setzen, auch wenn der Tractat über die Erbfolge längst nicht
mehr ezistirte.




Die Ereignisse in Mittelitalien seit dem Frieden von
Villlisrnncn.
, 3.

^,Die Ermordung Anvitis in Parma übergehen wir als ein Ereigniß,
welches dem Pöbel einer einzelnen Stadt zur Last fällt und auf die Entwick¬
lung der mittelitalienischen Frage keinen oder nur sehr geringen Einfluß hatte.
Dagegen müssen wir, ehe wir weitergehen, noch einiges über die beide» äußer¬
sten Enden Norditaliens, Venetien im Osten, Savoyen im Westen einschalten.

Venetien blieb nach dem Frieden von Villafranca bei Oestreich; doch
sollte es eine gesonderte Verwaltung erhalten und in den projectirten Bund
der italienischen Staaten eintreten. Darüber Unzufriedenheit bei Piemont,
im übrigen Italien, in Venetien selbst. Piemont war der Meinung, es könne
in einen italienischen Bund nicht eintreten, in welchem sich Oestreich für Ita¬
lien befinde wie im deutschen Bunde Dünemark für Holstein und Lauen-
burg. Wie es mit Dänemark im deutschen Bunde diesem letzteren ergangen,
meinte man in Piemont, sei nur zu wohlbekannt, und doch sei Dänemark
immer nur ein kleines Land, Oestreich dagegen eine europäische Großmacht;
daß hierdurch die Verhältnisse für den italienischen Bund sich noch schlimmer ge¬
stalteten, müsse Jedermann einleuchten. Bedenke man außerdem die lange


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[0236] die lokalen Angelegenheiten. Die Frage ist zu verneinen, ob man sich, abge¬ sehen von der Domänenfrage und der nicht stattgehabten Betheiligung der Stände beider Herzogtümer bei der Schöpfung der gemeinschaftlichen Ver¬ fassung, auf den Buchstabe» oder den Geist des Patents und der vorher ge¬ wechselten Noten berufen könne, um eine wirkliche und ausreichende Verbesser¬ ung der jetzigen Verfassungs- und Verwaltungszustände mit Recht und in sicherer Erwartung eines entsprechenden Erfolges zu verlangen. Es ist von der äußersten Wichtigkeit, daß man sich darüber keinen Täusch¬ ungen hingibt, sich nicht vergeblich abmüht, auf Grundlage des Paters dem Lande zu helfen. So lange das Patent von Deutschland als maßgebend an¬ erkannt wird, kann dieses dem Unwesen in den transalbingischen Herzog- thümern kein Ziel setzen, auch wenn der Tractat über die Erbfolge längst nicht mehr ezistirte. Die Ereignisse in Mittelitalien seit dem Frieden von Villlisrnncn. , 3. ^,Die Ermordung Anvitis in Parma übergehen wir als ein Ereigniß, welches dem Pöbel einer einzelnen Stadt zur Last fällt und auf die Entwick¬ lung der mittelitalienischen Frage keinen oder nur sehr geringen Einfluß hatte. Dagegen müssen wir, ehe wir weitergehen, noch einiges über die beide» äußer¬ sten Enden Norditaliens, Venetien im Osten, Savoyen im Westen einschalten. Venetien blieb nach dem Frieden von Villafranca bei Oestreich; doch sollte es eine gesonderte Verwaltung erhalten und in den projectirten Bund der italienischen Staaten eintreten. Darüber Unzufriedenheit bei Piemont, im übrigen Italien, in Venetien selbst. Piemont war der Meinung, es könne in einen italienischen Bund nicht eintreten, in welchem sich Oestreich für Ita¬ lien befinde wie im deutschen Bunde Dünemark für Holstein und Lauen- burg. Wie es mit Dänemark im deutschen Bunde diesem letzteren ergangen, meinte man in Piemont, sei nur zu wohlbekannt, und doch sei Dänemark immer nur ein kleines Land, Oestreich dagegen eine europäische Großmacht; daß hierdurch die Verhältnisse für den italienischen Bund sich noch schlimmer ge¬ stalteten, müsse Jedermann einleuchten. Bedenke man außerdem die lange

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/236>, abgerufen am 28.04.2024.