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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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wird es uns durchaus nicht klar, unter was für Leuten wir uns eigentlich
bewegen. Wäre es nicht der Mühe werth, den Versuch zu machen, ob man
das Plattdeutsche nicht eben so verwerthen kann, wie W. Scott das Schot¬
tische? Für das gegenseitige Verständniß der beiden Mundarten scheint uns
dieser Weg der natürlichste zu sein.




Kleine historische Schriften.

Seit einiger Zeit hat sich die öffentliche Meinung in Deutschland sehr zu Gun¬
sten des Kaisers Napoleon gewendet, dessen starker Wille in einer Zeit allgemeiner
Schlaffheit und Unentschlossenheit wol imponiren kann, und dessen Entwürfe -- ab¬
gesehen davon, daß er seinen eignen Vortheil dabei wol nicht aus den Augen lassen
wird -- wenigstens in einigen Punkten dem Interesse Europas dienen! so nament¬
lich jetzt in der Aufrichtung der italienischen Nationalität und im Kampf gegen den
Ultramontanismus. Es ist aber zu wünschen, daß man darüber den Gesichtspunkt,
den man im vorigen Jahr zu ausschließlich festhielt, nicht ganz aus den Augen ver¬
liere: daß nämlich dieser energische Wille Deutschland bedroht. Daran zu erinnern,
ist eine neue Schrift von Adolph Schmidt (Leipzig, Veit) sehr geeignet- Elsaß
und Lothringen; Nachweis, wie diese Provinzen dem Reich verloren gegangen.
ES ist vorauszusehen, daß die nächsten Jahre zwischen den deutschen Fürsten nicht
blos, sondern auch innerhalb des Volks selbst erhebliche Meinungsverschiedenheiten
und in Folge dessen starke Parteikämpfe ans Licht bringen; möchte nur der eine Ge¬
danke dabei festgehalten werden, daß es Verrath wäre, an irgend eine Schmälerung
der Reichsgrenze zu denken. Wer einst das Reich haben soll, das mögen die Um¬
stände und der gesunde Menschenverstand entscheiden; aber das Reich ist ein Fidei-
commiß, das dem Erben, wer eS auch sei, ungeschmälert erhalten werden soll! --
Der Verfasser ist soeben an Droysen's Stelle als Professor der Geschichte nach Jena
berufen. -- Ein hübsches Bild aus der preußischen Geschichte gibt G. Natorp
(Iserlohn, Bädeker) in dem Büchlein- Die Grafschaft Mark; Denkschrift zur
Feier des 250. Jahrestages ihrer Vereinigung mit der preußischen Monarchie. --
Ebendahin gehört: Vorgänge in und um Torgau während des siebenjährigen
Krieges, namentlich die Schlacht bei Süptitz, am 3. Nov. 1760. Zur hundertjährigen
Erinnerungsfeier vom Archidiaconus Bürger -- Torgau, Wienbrack. -- Noch einige
Monographien von localer Bedeutung: Chronik der Residenzstadt Hannover von den
ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart; von F. W. Andrä (Hildesheim, Flinte).--
Ein Stück wittenberger Geschichte aus den Jahren 1813 und 1814. Vortrag im
evangelischen Verein am 26. März 1859 gehalten, von C. I. ni tzsch (Berlin, Wie-


wird es uns durchaus nicht klar, unter was für Leuten wir uns eigentlich
bewegen. Wäre es nicht der Mühe werth, den Versuch zu machen, ob man
das Plattdeutsche nicht eben so verwerthen kann, wie W. Scott das Schot¬
tische? Für das gegenseitige Verständniß der beiden Mundarten scheint uns
dieser Weg der natürlichste zu sein.




Kleine historische Schriften.

Seit einiger Zeit hat sich die öffentliche Meinung in Deutschland sehr zu Gun¬
sten des Kaisers Napoleon gewendet, dessen starker Wille in einer Zeit allgemeiner
Schlaffheit und Unentschlossenheit wol imponiren kann, und dessen Entwürfe — ab¬
gesehen davon, daß er seinen eignen Vortheil dabei wol nicht aus den Augen lassen
wird — wenigstens in einigen Punkten dem Interesse Europas dienen! so nament¬
lich jetzt in der Aufrichtung der italienischen Nationalität und im Kampf gegen den
Ultramontanismus. Es ist aber zu wünschen, daß man darüber den Gesichtspunkt,
den man im vorigen Jahr zu ausschließlich festhielt, nicht ganz aus den Augen ver¬
liere: daß nämlich dieser energische Wille Deutschland bedroht. Daran zu erinnern,
ist eine neue Schrift von Adolph Schmidt (Leipzig, Veit) sehr geeignet- Elsaß
und Lothringen; Nachweis, wie diese Provinzen dem Reich verloren gegangen.
ES ist vorauszusehen, daß die nächsten Jahre zwischen den deutschen Fürsten nicht
blos, sondern auch innerhalb des Volks selbst erhebliche Meinungsverschiedenheiten
und in Folge dessen starke Parteikämpfe ans Licht bringen; möchte nur der eine Ge¬
danke dabei festgehalten werden, daß es Verrath wäre, an irgend eine Schmälerung
der Reichsgrenze zu denken. Wer einst das Reich haben soll, das mögen die Um¬
stände und der gesunde Menschenverstand entscheiden; aber das Reich ist ein Fidei-
commiß, das dem Erben, wer eS auch sei, ungeschmälert erhalten werden soll! —
Der Verfasser ist soeben an Droysen's Stelle als Professor der Geschichte nach Jena
berufen. — Ein hübsches Bild aus der preußischen Geschichte gibt G. Natorp
(Iserlohn, Bädeker) in dem Büchlein- Die Grafschaft Mark; Denkschrift zur
Feier des 250. Jahrestages ihrer Vereinigung mit der preußischen Monarchie. —
Ebendahin gehört: Vorgänge in und um Torgau während des siebenjährigen
Krieges, namentlich die Schlacht bei Süptitz, am 3. Nov. 1760. Zur hundertjährigen
Erinnerungsfeier vom Archidiaconus Bürger — Torgau, Wienbrack. — Noch einige
Monographien von localer Bedeutung: Chronik der Residenzstadt Hannover von den
ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart; von F. W. Andrä (Hildesheim, Flinte).—
Ein Stück wittenberger Geschichte aus den Jahren 1813 und 1814. Vortrag im
evangelischen Verein am 26. März 1859 gehalten, von C. I. ni tzsch (Berlin, Wie-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/530>, abgerufen am 28.04.2024.