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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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Die Schweiz und der nentralisitte Theil von Salioyen.
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Eine der interessantesten völkerschaftlichen Stipulationen. welche den Be¬
freiungskriegen und dem pariser Frieden ihre Geltung verdankt, wurde im An¬
fange des Jahres 1859 Gegenstand diplomatischer Verhandlungen und mehr¬
facher Besprechungen der Presse. Dies ist das militärische Verhältniß, in
welchem ein Theil der Provinz Savoyen zu der Schweiz steht. Seit Jahr¬
hunderten ist in internationalen Verträgen mehrfach das Recht eines Staates,
an gewissen Puntcn innerhalb seiner Grenzen Festungen anzulegen, beschränkt
worden; aber der vorliegende Fall steht in der Staatenfamilie Europas einzig da.
Hier ist ein nicht unbeträchtlicher Gebietsteil des souveränen Staates Sardinien,
ein Territorium, welches keineswegs eine gesonderte administrative Einheit
bildet, für militärische Zwecke der freien Verfügung dieses Staates entzogen
und auf alle Zeit für neutral erklärt, und es ist einem fremden Staate das
Recht, aber nicht die Pflicht aufgelegt, bei drohender oder ausgebrochener
Kriegsgefahr dieses neutralisirte Land militärisch zu besetzen. Dann haben die
sardinischen Truppen sich zurückzuziehen, die einrückenden Schweizcitruppen das
Recht, ohne vorherige Verständigung mit Savoyen jede militärische Disposition
zur Sicherung der Neutralität in dem besetzten Territorium zu treffen.

Die Voraussetzung dieses Vertrages ist die durch den pariser Frieden sanc-
tionirte immerwährende Neutralität der Schweiz. Zweck dieser Stipulation
war damals, einen Landstrich, welcher von Sardinien nicht bequem vertheidigt
werden konnte, gegen eine französische Invasion zu schützen.

Es ist bekannt, daß die Schweiz noch vor Ausbruch des letzten Krieges
unter dem 14. März 1859 eine Circularnote an die Unterzeichner der Ver¬
träge von 1815, so wie an ihre Nachbarstaaten erließ, worin sie das Recht
ihrer Neutralität und ihre Pflicht, dieselbe nöthigenfalls mit den Waffen zu
vertheidigen, kräftig betonte und ganz besonders ihr Besetzungsrecht auf die
neutralisirten Gebietstheile Savoyens hervorhob. Während zwischen der Schweiz
und Sardinien noch über die nähern Modalitäten der Besetzung verhandelt
wurde, kam der unerwartete Friede.


Ärenjiwttn I. 1S60. 11
Die Schweiz und der nentralisitte Theil von Salioyen.
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Eine der interessantesten völkerschaftlichen Stipulationen. welche den Be¬
freiungskriegen und dem pariser Frieden ihre Geltung verdankt, wurde im An¬
fange des Jahres 1859 Gegenstand diplomatischer Verhandlungen und mehr¬
facher Besprechungen der Presse. Dies ist das militärische Verhältniß, in
welchem ein Theil der Provinz Savoyen zu der Schweiz steht. Seit Jahr¬
hunderten ist in internationalen Verträgen mehrfach das Recht eines Staates,
an gewissen Puntcn innerhalb seiner Grenzen Festungen anzulegen, beschränkt
worden; aber der vorliegende Fall steht in der Staatenfamilie Europas einzig da.
Hier ist ein nicht unbeträchtlicher Gebietsteil des souveränen Staates Sardinien,
ein Territorium, welches keineswegs eine gesonderte administrative Einheit
bildet, für militärische Zwecke der freien Verfügung dieses Staates entzogen
und auf alle Zeit für neutral erklärt, und es ist einem fremden Staate das
Recht, aber nicht die Pflicht aufgelegt, bei drohender oder ausgebrochener
Kriegsgefahr dieses neutralisirte Land militärisch zu besetzen. Dann haben die
sardinischen Truppen sich zurückzuziehen, die einrückenden Schweizcitruppen das
Recht, ohne vorherige Verständigung mit Savoyen jede militärische Disposition
zur Sicherung der Neutralität in dem besetzten Territorium zu treffen.

Die Voraussetzung dieses Vertrages ist die durch den pariser Frieden sanc-
tionirte immerwährende Neutralität der Schweiz. Zweck dieser Stipulation
war damals, einen Landstrich, welcher von Sardinien nicht bequem vertheidigt
werden konnte, gegen eine französische Invasion zu schützen.

Es ist bekannt, daß die Schweiz noch vor Ausbruch des letzten Krieges
unter dem 14. März 1859 eine Circularnote an die Unterzeichner der Ver¬
träge von 1815, so wie an ihre Nachbarstaaten erließ, worin sie das Recht
ihrer Neutralität und ihre Pflicht, dieselbe nöthigenfalls mit den Waffen zu
vertheidigen, kräftig betonte und ganz besonders ihr Besetzungsrecht auf die
neutralisirten Gebietstheile Savoyens hervorhob. Während zwischen der Schweiz
und Sardinien noch über die nähern Modalitäten der Besetzung verhandelt
wurde, kam der unerwartete Friede.


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[0093] Die Schweiz und der nentralisitte Theil von Salioyen. t''')'''t'>,.i',>i Eine der interessantesten völkerschaftlichen Stipulationen. welche den Be¬ freiungskriegen und dem pariser Frieden ihre Geltung verdankt, wurde im An¬ fange des Jahres 1859 Gegenstand diplomatischer Verhandlungen und mehr¬ facher Besprechungen der Presse. Dies ist das militärische Verhältniß, in welchem ein Theil der Provinz Savoyen zu der Schweiz steht. Seit Jahr¬ hunderten ist in internationalen Verträgen mehrfach das Recht eines Staates, an gewissen Puntcn innerhalb seiner Grenzen Festungen anzulegen, beschränkt worden; aber der vorliegende Fall steht in der Staatenfamilie Europas einzig da. Hier ist ein nicht unbeträchtlicher Gebietsteil des souveränen Staates Sardinien, ein Territorium, welches keineswegs eine gesonderte administrative Einheit bildet, für militärische Zwecke der freien Verfügung dieses Staates entzogen und auf alle Zeit für neutral erklärt, und es ist einem fremden Staate das Recht, aber nicht die Pflicht aufgelegt, bei drohender oder ausgebrochener Kriegsgefahr dieses neutralisirte Land militärisch zu besetzen. Dann haben die sardinischen Truppen sich zurückzuziehen, die einrückenden Schweizcitruppen das Recht, ohne vorherige Verständigung mit Savoyen jede militärische Disposition zur Sicherung der Neutralität in dem besetzten Territorium zu treffen. Die Voraussetzung dieses Vertrages ist die durch den pariser Frieden sanc- tionirte immerwährende Neutralität der Schweiz. Zweck dieser Stipulation war damals, einen Landstrich, welcher von Sardinien nicht bequem vertheidigt werden konnte, gegen eine französische Invasion zu schützen. Es ist bekannt, daß die Schweiz noch vor Ausbruch des letzten Krieges unter dem 14. März 1859 eine Circularnote an die Unterzeichner der Ver¬ träge von 1815, so wie an ihre Nachbarstaaten erließ, worin sie das Recht ihrer Neutralität und ihre Pflicht, dieselbe nöthigenfalls mit den Waffen zu vertheidigen, kräftig betonte und ganz besonders ihr Besetzungsrecht auf die neutralisirten Gebietstheile Savoyens hervorhob. Während zwischen der Schweiz und Sardinien noch über die nähern Modalitäten der Besetzung verhandelt wurde, kam der unerwartete Friede. Ärenjiwttn I. 1S60. 11

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/93>, abgerufen am 29.04.2024.