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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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nicht sauer, mich von denen, die nicht eines Sinnes hierin mit mir sind, in¬
s Julian Schmidt. ofern als einen Narren ansehn zu lassen."




Die Lage Oestreichs.

So wenig die Friedensversicherungen Napoleons
Vertrauen wecken, oder das Ziel der Rhcingrenze als sür immer aufgegeben
gelten kann, liegt doch der nächste Angriffspunkt napoleonischer Politik nicht
am Rhein, sondern in Italien. Venetien und Südtirol sind die gefährdete"
Posten. Die Landstrecke bis zur Adria wurde Piemont vom Kaiser durch den
Willen des Volkes im Vertrage von Plombisres zugesichert, die etlichen Qua--
dratmeilen des welschen Südtirol sind wol das selbstverständliche Zugehör;
denn auch sie bewohnen die Angehörigen der großen italienischen Familie.
Die Pläne Napoleons auf die Abrundung des Kaiserreichs an den Abhängen
der Alpen und der Seeküste, auf Genua. Sardinien, vielleicht auch Neapel
knüpfen sich unmittelbar an die Vergrößerung Piemonts gegen Osten. Oest¬
reichs Besitz auf dem Boden welscher Zunge lockt mehr als alles andere zur
nächsten "friedlichen Eroberung". Wer das Volk zwischen dem Mincio und den
illyrischen Alpen näher kennt, wird zugeben müssen, daß es mit wenigen Aus-
nahmen eine tiefe Erbitterung gegen Oestreich im Herzen trägt. Dank der¬
selben kennen Oestreichs Feinde jede Aufstellung seiner Truppen, ihre Stärke,
Mittel und Angriffspläne. Luftschiffe und Raketen sind nur die ostensiblen
Spione. Verrath man einmal, wie in Villafranca die Versorgung Mantuas
"ut Mundvorrath auf blos sechs Tage, die schmutzige Quelle dieser All¬
wissenheit, so geschieht es eben, weil sie nicht besser ausgenutzt werden kann.
Der Italiener ist nachgerade schlau genug, um sich auf thatsächlichen Beweisen
nicht ertappen zu lassen; die acht politisch Verdächtigen, die jüngst unter
Begleitung von fünf Sbirren und einem Polizeicommissär durch Tirol
nach Böhmen abgeführt wurden, waren Präsidenten unionistischer Clubs, bei
denen man auch nicht ein verrätherisches Blatt gefunden. Auf solchem Boden
wird der Kampf auch dem muthigsten Soldaten erschwert, wir sahen es in
dein letzten Feldzuge. Noch schlimmern Druck als diese Mißgunst der Ver¬
hältnisse übt die Stimmung des östreichischen Heeres. Von jener Begeist-


nicht sauer, mich von denen, die nicht eines Sinnes hierin mit mir sind, in¬
s Julian Schmidt. ofern als einen Narren ansehn zu lassen."




Die Lage Oestreichs.

So wenig die Friedensversicherungen Napoleons
Vertrauen wecken, oder das Ziel der Rhcingrenze als sür immer aufgegeben
gelten kann, liegt doch der nächste Angriffspunkt napoleonischer Politik nicht
am Rhein, sondern in Italien. Venetien und Südtirol sind die gefährdete»
Posten. Die Landstrecke bis zur Adria wurde Piemont vom Kaiser durch den
Willen des Volkes im Vertrage von Plombisres zugesichert, die etlichen Qua--
dratmeilen des welschen Südtirol sind wol das selbstverständliche Zugehör;
denn auch sie bewohnen die Angehörigen der großen italienischen Familie.
Die Pläne Napoleons auf die Abrundung des Kaiserreichs an den Abhängen
der Alpen und der Seeküste, auf Genua. Sardinien, vielleicht auch Neapel
knüpfen sich unmittelbar an die Vergrößerung Piemonts gegen Osten. Oest¬
reichs Besitz auf dem Boden welscher Zunge lockt mehr als alles andere zur
nächsten „friedlichen Eroberung". Wer das Volk zwischen dem Mincio und den
illyrischen Alpen näher kennt, wird zugeben müssen, daß es mit wenigen Aus-
nahmen eine tiefe Erbitterung gegen Oestreich im Herzen trägt. Dank der¬
selben kennen Oestreichs Feinde jede Aufstellung seiner Truppen, ihre Stärke,
Mittel und Angriffspläne. Luftschiffe und Raketen sind nur die ostensiblen
Spione. Verrath man einmal, wie in Villafranca die Versorgung Mantuas
»ut Mundvorrath auf blos sechs Tage, die schmutzige Quelle dieser All¬
wissenheit, so geschieht es eben, weil sie nicht besser ausgenutzt werden kann.
Der Italiener ist nachgerade schlau genug, um sich auf thatsächlichen Beweisen
nicht ertappen zu lassen; die acht politisch Verdächtigen, die jüngst unter
Begleitung von fünf Sbirren und einem Polizeicommissär durch Tirol
nach Böhmen abgeführt wurden, waren Präsidenten unionistischer Clubs, bei
denen man auch nicht ein verrätherisches Blatt gefunden. Auf solchem Boden
wird der Kampf auch dem muthigsten Soldaten erschwert, wir sahen es in
dein letzten Feldzuge. Noch schlimmern Druck als diese Mißgunst der Ver¬
hältnisse übt die Stimmung des östreichischen Heeres. Von jener Begeist-


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[0203] nicht sauer, mich von denen, die nicht eines Sinnes hierin mit mir sind, in¬ s Julian Schmidt. ofern als einen Narren ansehn zu lassen." Die Lage Oestreichs. So wenig die Friedensversicherungen Napoleons Vertrauen wecken, oder das Ziel der Rhcingrenze als sür immer aufgegeben gelten kann, liegt doch der nächste Angriffspunkt napoleonischer Politik nicht am Rhein, sondern in Italien. Venetien und Südtirol sind die gefährdete» Posten. Die Landstrecke bis zur Adria wurde Piemont vom Kaiser durch den Willen des Volkes im Vertrage von Plombisres zugesichert, die etlichen Qua-- dratmeilen des welschen Südtirol sind wol das selbstverständliche Zugehör; denn auch sie bewohnen die Angehörigen der großen italienischen Familie. Die Pläne Napoleons auf die Abrundung des Kaiserreichs an den Abhängen der Alpen und der Seeküste, auf Genua. Sardinien, vielleicht auch Neapel knüpfen sich unmittelbar an die Vergrößerung Piemonts gegen Osten. Oest¬ reichs Besitz auf dem Boden welscher Zunge lockt mehr als alles andere zur nächsten „friedlichen Eroberung". Wer das Volk zwischen dem Mincio und den illyrischen Alpen näher kennt, wird zugeben müssen, daß es mit wenigen Aus- nahmen eine tiefe Erbitterung gegen Oestreich im Herzen trägt. Dank der¬ selben kennen Oestreichs Feinde jede Aufstellung seiner Truppen, ihre Stärke, Mittel und Angriffspläne. Luftschiffe und Raketen sind nur die ostensiblen Spione. Verrath man einmal, wie in Villafranca die Versorgung Mantuas »ut Mundvorrath auf blos sechs Tage, die schmutzige Quelle dieser All¬ wissenheit, so geschieht es eben, weil sie nicht besser ausgenutzt werden kann. Der Italiener ist nachgerade schlau genug, um sich auf thatsächlichen Beweisen nicht ertappen zu lassen; die acht politisch Verdächtigen, die jüngst unter Begleitung von fünf Sbirren und einem Polizeicommissär durch Tirol nach Böhmen abgeführt wurden, waren Präsidenten unionistischer Clubs, bei denen man auch nicht ein verrätherisches Blatt gefunden. Auf solchem Boden wird der Kampf auch dem muthigsten Soldaten erschwert, wir sahen es in dein letzten Feldzuge. Noch schlimmern Druck als diese Mißgunst der Ver¬ hältnisse übt die Stimmung des östreichischen Heeres. Von jener Begeist-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/203>, abgerufen am 01.05.2024.