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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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seine vollen Kräfte zu brauchen; es ist sogar wahrscheinlich, daß es in solchem
Fall auch einem an sich schwächern Feinde unterliegen würde. Möge man sich
dessen bewußt sein, wenn für uns einmal die Zeit zum Gebrauch solcher Mit¬
tel kommt, und möge man den Muth haben, sie rücksichtslos anzuwenden.




Die Stellung der Rittergutsbesitzer in Mecklenburg,
mit besonderer Beziehung aus ihre ständischen Rechte und die Vcrfassungsrcform.
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Auf den mecklenburgischen Landtagen ist von Seiten des liberalen Thei¬
les der Ritterschaft wiederholt ein Antrag auf Reform der landständischen
Verfassung eingebracht. Auch dem nächsten Landtage wird ein solcher An¬
trag wieder vorliegen, es läßt sich aber von vornherein schließen, daß derselbe,
gleich seinen Borgängern, zum "schätzbaren Material" der Actensammlung zu¬
rückgehn wird. Dies ist gar nicht anders möglich, und wir sind der Meinung,
daß keine Landtagsversammlung in der Welt auf so allgemein gehaltene, nur
"eine Reform" befürwortende, nicht aber bestimmte Reformvorschläge enthaltende
Anträge eingehn würde/) Man kann die Beseitigung dieser Anträge -- ab¬
gesehn von den bei derselben hie und da geoffenbarten Gründen -- der
mecklenburgischen Landtagsversammlung nicht ohne Weiteres verargen; man
kann dies um so weniger, als sich die Abgeordnetenversammlung der Jahre
1848 und 1849. welche an die Stelle der erstem trat, um die beabsichtigte
Reform auszuführen, in vielen Beziehungen ohne Zweifel unmündig und un¬
fähig erwiesen hat. Handelt es sich aber um eine Reform der landständischen
Verfassung, so wird doch immer die erste und nächste Folge einer solchen die
Umgestaltung der feudalen Landesvertretung in eine repräsentative sein
müssen. *

Die Anerkennung, daß eine Aenderung wünschenswert!) oder nothwendig
sei, wird den gedachten Neformantrügen von vielen Seiten zu Theil. Um



") Nachdem dies geschrieben war, ist zu unserer Kunde gelangt, daß der für die nächste
Landesversammlung intimirte Antrag die Wiedereinführung der Verfassung vom Jahre 1349
zum Gegenstände hat. Mg, Augsb. Ztg. Se. 42.) Es ist demnach derselbe zwar nicht ganz
unbestimmt gehalten, ob aber die Verfassung des Jahres 1849 eine noch für zweckmäßig zu
haltende Grundlage sei, dürfte nach dem Folgenden mindestens zweifelhaft erscheinen.
Gr-nzbotcn III. 1860. 28

seine vollen Kräfte zu brauchen; es ist sogar wahrscheinlich, daß es in solchem
Fall auch einem an sich schwächern Feinde unterliegen würde. Möge man sich
dessen bewußt sein, wenn für uns einmal die Zeit zum Gebrauch solcher Mit¬
tel kommt, und möge man den Muth haben, sie rücksichtslos anzuwenden.




Die Stellung der Rittergutsbesitzer in Mecklenburg,
mit besonderer Beziehung aus ihre ständischen Rechte und die Vcrfassungsrcform.
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Auf den mecklenburgischen Landtagen ist von Seiten des liberalen Thei¬
les der Ritterschaft wiederholt ein Antrag auf Reform der landständischen
Verfassung eingebracht. Auch dem nächsten Landtage wird ein solcher An¬
trag wieder vorliegen, es läßt sich aber von vornherein schließen, daß derselbe,
gleich seinen Borgängern, zum „schätzbaren Material" der Actensammlung zu¬
rückgehn wird. Dies ist gar nicht anders möglich, und wir sind der Meinung,
daß keine Landtagsversammlung in der Welt auf so allgemein gehaltene, nur
„eine Reform" befürwortende, nicht aber bestimmte Reformvorschläge enthaltende
Anträge eingehn würde/) Man kann die Beseitigung dieser Anträge — ab¬
gesehn von den bei derselben hie und da geoffenbarten Gründen — der
mecklenburgischen Landtagsversammlung nicht ohne Weiteres verargen; man
kann dies um so weniger, als sich die Abgeordnetenversammlung der Jahre
1848 und 1849. welche an die Stelle der erstem trat, um die beabsichtigte
Reform auszuführen, in vielen Beziehungen ohne Zweifel unmündig und un¬
fähig erwiesen hat. Handelt es sich aber um eine Reform der landständischen
Verfassung, so wird doch immer die erste und nächste Folge einer solchen die
Umgestaltung der feudalen Landesvertretung in eine repräsentative sein
müssen. *

Die Anerkennung, daß eine Aenderung wünschenswert!) oder nothwendig
sei, wird den gedachten Neformantrügen von vielen Seiten zu Theil. Um



") Nachdem dies geschrieben war, ist zu unserer Kunde gelangt, daß der für die nächste
Landesversammlung intimirte Antrag die Wiedereinführung der Verfassung vom Jahre 1349
zum Gegenstände hat. Mg, Augsb. Ztg. Se. 42.) Es ist demnach derselbe zwar nicht ganz
unbestimmt gehalten, ob aber die Verfassung des Jahres 1849 eine noch für zweckmäßig zu
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[0229] seine vollen Kräfte zu brauchen; es ist sogar wahrscheinlich, daß es in solchem Fall auch einem an sich schwächern Feinde unterliegen würde. Möge man sich dessen bewußt sein, wenn für uns einmal die Zeit zum Gebrauch solcher Mit¬ tel kommt, und möge man den Muth haben, sie rücksichtslos anzuwenden. Die Stellung der Rittergutsbesitzer in Mecklenburg, mit besonderer Beziehung aus ihre ständischen Rechte und die Vcrfassungsrcform. -U'^ !^,^ dei<j->ü ^> ' Auf den mecklenburgischen Landtagen ist von Seiten des liberalen Thei¬ les der Ritterschaft wiederholt ein Antrag auf Reform der landständischen Verfassung eingebracht. Auch dem nächsten Landtage wird ein solcher An¬ trag wieder vorliegen, es läßt sich aber von vornherein schließen, daß derselbe, gleich seinen Borgängern, zum „schätzbaren Material" der Actensammlung zu¬ rückgehn wird. Dies ist gar nicht anders möglich, und wir sind der Meinung, daß keine Landtagsversammlung in der Welt auf so allgemein gehaltene, nur „eine Reform" befürwortende, nicht aber bestimmte Reformvorschläge enthaltende Anträge eingehn würde/) Man kann die Beseitigung dieser Anträge — ab¬ gesehn von den bei derselben hie und da geoffenbarten Gründen — der mecklenburgischen Landtagsversammlung nicht ohne Weiteres verargen; man kann dies um so weniger, als sich die Abgeordnetenversammlung der Jahre 1848 und 1849. welche an die Stelle der erstem trat, um die beabsichtigte Reform auszuführen, in vielen Beziehungen ohne Zweifel unmündig und un¬ fähig erwiesen hat. Handelt es sich aber um eine Reform der landständischen Verfassung, so wird doch immer die erste und nächste Folge einer solchen die Umgestaltung der feudalen Landesvertretung in eine repräsentative sein müssen. * Die Anerkennung, daß eine Aenderung wünschenswert!) oder nothwendig sei, wird den gedachten Neformantrügen von vielen Seiten zu Theil. Um ") Nachdem dies geschrieben war, ist zu unserer Kunde gelangt, daß der für die nächste Landesversammlung intimirte Antrag die Wiedereinführung der Verfassung vom Jahre 1349 zum Gegenstände hat. Mg, Augsb. Ztg. Se. 42.) Es ist demnach derselbe zwar nicht ganz unbestimmt gehalten, ob aber die Verfassung des Jahres 1849 eine noch für zweckmäßig zu haltende Grundlage sei, dürfte nach dem Folgenden mindestens zweifelhaft erscheinen. Gr-nzbotcn III. 1860. 28

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/229>, abgerufen am 01.05.2024.