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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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Die neapolitanische Armee.

Nicht oft zeigt die Kriegsgeschichte Erfolge, wie die. welche die Waffen
Garibaldis begleiteten. In Feldzügen civilisirter Heere ist eine solche Wieder¬
holung des alten "paul, pinel, viel" geradezu unerhört, und wir müssen in die
ferne Vergangenheit zurückgreifen, uuter den ersten Zusammenstoßen der mo¬
dernen Kriegskunst mit Wilden und Halbwilden, in den Wunderzeitcn der Cortez
und Pizzarro, oder in den Triumphen Clives in Ostindien herumsuchen, um
ein passendes Seitenstück zu diesem Zuge zu finden.

In Sicilien steht ein Heer von dreißigtausend Neapolitanern, wvhlor-
ganisirt und gut versehn mit allem Kriegsgeräth, im Besitz aller starken Stel¬
lungen, unterstützt durch eine zahlreiche Dampferflotte, überdies, wenn nicht grade
von überströmender Begeisterung für den Thron, doch von heißem National¬
haß gegen die Sicilier erfüllt, einem Haß, der ebenso tapfer ficht, wenigstens
ebenso gern sengt und mordet, wie jene. Da erscheint Garibaldi mit seinen
zwei Dampfern, landet am hellen Tag im Angesicht der königlichen Kriegs¬
schiffe seine zwölfhundert Nothblonsen und seine sechs kleinen Kanonen, ver¬
einigt sich Tags darauf mit den Resten der bereits niedergeschlagenen ein¬
heimischen Jnsurrection, wirst die Gegner schon im ersten Treffen, stürmt
raschen Laufs die für uneinnehmbar geltende Position bei Calatifimi und mn-
növrirt so geschickt, daß er sich trotz der zehnfachen Uebermacht um Mann¬
schaften und Geschützen, die ihm den Weg sperrt, -- die "Squadre" der Si¬
cilier scheinen mehr gelärmt, als gekämpft zu haben -- vor Verlauf von vollen
zwei Wochen vor den Thoren der Hauptstadt befindet. Ein unerschrockener An¬
griff der rothen Blousen, schwach unterstützt durch eine nicht recht zuversichtliche
Erhebung der Palermitaner. und binnen wenigen Stunden ist die halbe Stadt
in ihrer Gewalt. Noch einige schwere blutige Stunden, und die Königlichen
sind ihrer Hauptmasse nach eingeschlossen und von ihrer Flotte abgeschnitten.
Ein grausames Bombardement befriedigt ihre Blutgier, vermag aber ihre ver¬
zweifelte Lage nicht zu bessern, und so muß ihr General sich zu der Demü-
thigung entschließen, den Führer der Rothen, den "Räuberhauptmann" um
einen Waffenstillstand zu bitten. Aus dem Waffenstillstand wird eine Kapitu¬
lation, in welcher Garibaldi den Abzug der Königlichen mit Waffen und Gepäck
zugesteht. Widerwillig, aber den Untergang von achtzehntausend seiner besten
Soldaten vor Augen, schreibt der König seinen Namen unter den Vertrag und
streicht damit bis auf Weiteres die Hälfte seines Titels aus.

Der Räuberhauptmann der Note Carafas ist auf dem Couvert des Briefes,
worin das ^Iter eZo der neapolitanischen Majestät die Großmuth des Siegers


4*
Die neapolitanische Armee.

Nicht oft zeigt die Kriegsgeschichte Erfolge, wie die. welche die Waffen
Garibaldis begleiteten. In Feldzügen civilisirter Heere ist eine solche Wieder¬
holung des alten „paul, pinel, viel" geradezu unerhört, und wir müssen in die
ferne Vergangenheit zurückgreifen, uuter den ersten Zusammenstoßen der mo¬
dernen Kriegskunst mit Wilden und Halbwilden, in den Wunderzeitcn der Cortez
und Pizzarro, oder in den Triumphen Clives in Ostindien herumsuchen, um
ein passendes Seitenstück zu diesem Zuge zu finden.

In Sicilien steht ein Heer von dreißigtausend Neapolitanern, wvhlor-
ganisirt und gut versehn mit allem Kriegsgeräth, im Besitz aller starken Stel¬
lungen, unterstützt durch eine zahlreiche Dampferflotte, überdies, wenn nicht grade
von überströmender Begeisterung für den Thron, doch von heißem National¬
haß gegen die Sicilier erfüllt, einem Haß, der ebenso tapfer ficht, wenigstens
ebenso gern sengt und mordet, wie jene. Da erscheint Garibaldi mit seinen
zwei Dampfern, landet am hellen Tag im Angesicht der königlichen Kriegs¬
schiffe seine zwölfhundert Nothblonsen und seine sechs kleinen Kanonen, ver¬
einigt sich Tags darauf mit den Resten der bereits niedergeschlagenen ein¬
heimischen Jnsurrection, wirst die Gegner schon im ersten Treffen, stürmt
raschen Laufs die für uneinnehmbar geltende Position bei Calatifimi und mn-
növrirt so geschickt, daß er sich trotz der zehnfachen Uebermacht um Mann¬
schaften und Geschützen, die ihm den Weg sperrt, — die „Squadre" der Si¬
cilier scheinen mehr gelärmt, als gekämpft zu haben — vor Verlauf von vollen
zwei Wochen vor den Thoren der Hauptstadt befindet. Ein unerschrockener An¬
griff der rothen Blousen, schwach unterstützt durch eine nicht recht zuversichtliche
Erhebung der Palermitaner. und binnen wenigen Stunden ist die halbe Stadt
in ihrer Gewalt. Noch einige schwere blutige Stunden, und die Königlichen
sind ihrer Hauptmasse nach eingeschlossen und von ihrer Flotte abgeschnitten.
Ein grausames Bombardement befriedigt ihre Blutgier, vermag aber ihre ver¬
zweifelte Lage nicht zu bessern, und so muß ihr General sich zu der Demü-
thigung entschließen, den Führer der Rothen, den „Räuberhauptmann" um
einen Waffenstillstand zu bitten. Aus dem Waffenstillstand wird eine Kapitu¬
lation, in welcher Garibaldi den Abzug der Königlichen mit Waffen und Gepäck
zugesteht. Widerwillig, aber den Untergang von achtzehntausend seiner besten
Soldaten vor Augen, schreibt der König seinen Namen unter den Vertrag und
streicht damit bis auf Weiteres die Hälfte seines Titels aus.

Der Räuberhauptmann der Note Carafas ist auf dem Couvert des Briefes,
worin das ^Iter eZo der neapolitanischen Majestät die Großmuth des Siegers


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[0039] Die neapolitanische Armee. Nicht oft zeigt die Kriegsgeschichte Erfolge, wie die. welche die Waffen Garibaldis begleiteten. In Feldzügen civilisirter Heere ist eine solche Wieder¬ holung des alten „paul, pinel, viel" geradezu unerhört, und wir müssen in die ferne Vergangenheit zurückgreifen, uuter den ersten Zusammenstoßen der mo¬ dernen Kriegskunst mit Wilden und Halbwilden, in den Wunderzeitcn der Cortez und Pizzarro, oder in den Triumphen Clives in Ostindien herumsuchen, um ein passendes Seitenstück zu diesem Zuge zu finden. In Sicilien steht ein Heer von dreißigtausend Neapolitanern, wvhlor- ganisirt und gut versehn mit allem Kriegsgeräth, im Besitz aller starken Stel¬ lungen, unterstützt durch eine zahlreiche Dampferflotte, überdies, wenn nicht grade von überströmender Begeisterung für den Thron, doch von heißem National¬ haß gegen die Sicilier erfüllt, einem Haß, der ebenso tapfer ficht, wenigstens ebenso gern sengt und mordet, wie jene. Da erscheint Garibaldi mit seinen zwei Dampfern, landet am hellen Tag im Angesicht der königlichen Kriegs¬ schiffe seine zwölfhundert Nothblonsen und seine sechs kleinen Kanonen, ver¬ einigt sich Tags darauf mit den Resten der bereits niedergeschlagenen ein¬ heimischen Jnsurrection, wirst die Gegner schon im ersten Treffen, stürmt raschen Laufs die für uneinnehmbar geltende Position bei Calatifimi und mn- növrirt so geschickt, daß er sich trotz der zehnfachen Uebermacht um Mann¬ schaften und Geschützen, die ihm den Weg sperrt, — die „Squadre" der Si¬ cilier scheinen mehr gelärmt, als gekämpft zu haben — vor Verlauf von vollen zwei Wochen vor den Thoren der Hauptstadt befindet. Ein unerschrockener An¬ griff der rothen Blousen, schwach unterstützt durch eine nicht recht zuversichtliche Erhebung der Palermitaner. und binnen wenigen Stunden ist die halbe Stadt in ihrer Gewalt. Noch einige schwere blutige Stunden, und die Königlichen sind ihrer Hauptmasse nach eingeschlossen und von ihrer Flotte abgeschnitten. Ein grausames Bombardement befriedigt ihre Blutgier, vermag aber ihre ver¬ zweifelte Lage nicht zu bessern, und so muß ihr General sich zu der Demü- thigung entschließen, den Führer der Rothen, den „Räuberhauptmann" um einen Waffenstillstand zu bitten. Aus dem Waffenstillstand wird eine Kapitu¬ lation, in welcher Garibaldi den Abzug der Königlichen mit Waffen und Gepäck zugesteht. Widerwillig, aber den Untergang von achtzehntausend seiner besten Soldaten vor Augen, schreibt der König seinen Namen unter den Vertrag und streicht damit bis auf Weiteres die Hälfte seines Titels aus. Der Räuberhauptmann der Note Carafas ist auf dem Couvert des Briefes, worin das ^Iter eZo der neapolitanischen Majestät die Großmuth des Siegers 4*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/39>, abgerufen am 01.05.2024.