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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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ben zu besprechen; doch die angeführten genügen, um zu zeigen, wie der
Philosoph von Ferney in seinen Erinnerungen lebte, und wie es wirklich ein
Stück des achtzehnten Jahrhunderts ist. welches in diesen Zimwern ruht.
I. I. Rousseaus Bild ist nirgends zu sehn in diesen Räumen: hat nicht die
Abneigung der beiden Koryphäen der französischen Aufklärung einige Aehn-
lichkeit mit dem Zwiespalt zwischen Börne und Heine? wobei man freilich den
verschiedenen Nationalcharakter in Rechnung bringen muß. um den Vergleich
nicht allzu hinkend zu finden. So durchwanderte ich an einem verzweifelten
Regentag die Zimmer von Ferney, Ich dachte an den "Feind des Vorur¬
theils, des Aberglaubens und der Unduldsamkeit" und an das "neue Licht."
das er heraufführen wollte. "I^es IrommL8 velairSs, los amis anz Iliuma,-
me.6" sollten eine neue Weltordnung bilden, deren erste Grundlage die Zer¬
trümmerung des Christenthums bildete. Die Welt hat in vielen Beziehungen
eine Umgestaltung erfahren, das Christenthum blieb unzertrümmert. Die
Stichwörter sind verklungen, und eine lange Reihe schwerer Kämpfe hat uns
gelehrt, daß die Aufklärung nicht darin bestehn könne, daß man Licht und
Leuchter zu Boden wirft. Wir glauben nicht mehr an die "MilosoMs xro-
tonäiz," die das vorige Jahrhundert in Voltaire bewunderte, nicht mehr an
seine Verbesserungen Shakspeares.*) nicht mehr an sein eignes poetisches Ge¬
nie. Aber die Vertheidigung der Familie Calas hat ihm in dem Herzen des
Menschenfreundes ein schöneres Denkmal errichtet als Pyramide und Urne
aus grauem Marmor. Und mit dieser versöhnenden Betrachtung verlassen
A. Henneberger. wir diese Grabstätte des achtzehnten Jahrhunderts. '




Plaudereien über Tagessmgcn.
1. Aus Leipzig.

-- Leipzig hat manche Seiten, die den Fremden höchst
unangenehm berühren, und an die man sich auch im Lauf von Jahren nur schwer



Eine Stelle aus Condorcet ist zu bezeichnend. II "aus avait s,xxris Is inerits as
^nalcsspears et K rsxarilsr son enen-tre courus uns wirf, et' on nos postss pourrglsut
tirsr ass trösors; et lorsqu' un riäieule sntkousiasms ->, prsssuts eowme un moäsls
^ Is. Nation äsRaeine et Ac Voltaire os xos'te elouuant mais sauvags et bi-
2arrs Le ". voulu noug äonner xour ass tableaux sosrAiguss et vrais <Ze Il>, nature 8ES
lone" enarZsos as eoinxositions absuräss se als oarioaturss clöAOÜtantss se grossiörss
Voltaire a ctetsnclu la hause an gout et als la raison. II nous g.of,it reproenv !"> trop
Minas tiiniäits als notrs tneatrs; it tut otiiiZs cle nous remoolrer et'x vouloir portsr I",
üosiies barbars an tlreg-ers anglais.
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ben zu besprechen; doch die angeführten genügen, um zu zeigen, wie der
Philosoph von Ferney in seinen Erinnerungen lebte, und wie es wirklich ein
Stück des achtzehnten Jahrhunderts ist. welches in diesen Zimwern ruht.
I. I. Rousseaus Bild ist nirgends zu sehn in diesen Räumen: hat nicht die
Abneigung der beiden Koryphäen der französischen Aufklärung einige Aehn-
lichkeit mit dem Zwiespalt zwischen Börne und Heine? wobei man freilich den
verschiedenen Nationalcharakter in Rechnung bringen muß. um den Vergleich
nicht allzu hinkend zu finden. So durchwanderte ich an einem verzweifelten
Regentag die Zimmer von Ferney, Ich dachte an den „Feind des Vorur¬
theils, des Aberglaubens und der Unduldsamkeit" und an das „neue Licht."
das er heraufführen wollte. „I^es IrommL8 velairSs, los amis anz Iliuma,-
me.6" sollten eine neue Weltordnung bilden, deren erste Grundlage die Zer¬
trümmerung des Christenthums bildete. Die Welt hat in vielen Beziehungen
eine Umgestaltung erfahren, das Christenthum blieb unzertrümmert. Die
Stichwörter sind verklungen, und eine lange Reihe schwerer Kämpfe hat uns
gelehrt, daß die Aufklärung nicht darin bestehn könne, daß man Licht und
Leuchter zu Boden wirft. Wir glauben nicht mehr an die „MilosoMs xro-
tonäiz," die das vorige Jahrhundert in Voltaire bewunderte, nicht mehr an
seine Verbesserungen Shakspeares.*) nicht mehr an sein eignes poetisches Ge¬
nie. Aber die Vertheidigung der Familie Calas hat ihm in dem Herzen des
Menschenfreundes ein schöneres Denkmal errichtet als Pyramide und Urne
aus grauem Marmor. Und mit dieser versöhnenden Betrachtung verlassen
A. Henneberger. wir diese Grabstätte des achtzehnten Jahrhunderts. '




Plaudereien über Tagessmgcn.
1. Aus Leipzig.

— Leipzig hat manche Seiten, die den Fremden höchst
unangenehm berühren, und an die man sich auch im Lauf von Jahren nur schwer



Eine Stelle aus Condorcet ist zu bezeichnend. II »aus avait s,xxris Is inerits as
^nalcsspears et K rsxarilsr son enen-tre courus uns wirf, et' on nos postss pourrglsut
tirsr ass trösors; et lorsqu' un riäieule sntkousiasms ->, prsssuts eowme un moäsls
^ Is. Nation äsRaeine et Ac Voltaire os xos'te elouuant mais sauvags et bi-
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Voltaire a ctetsnclu la hause an gout et als la raison. II nous g.of,it reproenv !»> trop
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/447>, abgerufen am 01.05.2024.