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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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Literatur.
Eine Osterreise ins heilige Land

in Briefen an Freunde. Von H. Scherer.
Frankfurt a, M. Druck und Verlag von H. L. Brönncr. 1860. -- Der Verfasser
ist über Athen, Smyrna, Beirut und Jaffa nach Jerusalem gereist, einige Tage dort
und in der Nachbarschaft gewesen und dann heimgekehrt. Sein Buch ist keine Be¬
reicherung unseres Wissens über jene Gegenden, es ist durchweg Feuilletonistcnwerk
mit allen Unarten und wenigen von den anmuthigen Eigenschaften dieser Art von
Stil. Die Gabe, uns deutliche Bilder zu malen ist in ebenso geringem Maß vor¬
handen, als die Bildung, die uns über die in Frage kommenden Gegenstände und
Zustünde etwas Neues zu sagen vermöchte. Gemeinplätze werden als Schmuck der
Rede gebraucht, die Ergebnisse einer oberflächlichen Lektüre als Belehrung aufgetischt,
und fast feder Brief enthält einige grobe Mißverständnisse. Zu dem Legenden- und
Neliquienkrcun des heiligen Landes verhält sich unser Tourist meist als Gläubiger,
ohne indeß gerade in eine besondere, das Bedürfniß des Feuilletons übersteigende
Rührung darüber zu gerathen. Daß man den Juden die Kreuzigung Jesu "achträgt,
findet er S. 248 in der Ordnung. Durrha ist in der Botanik des Verfassers Gerste,
der kleine Schakal in seiner Zoologie "ein großer wilder Hund", der dem Menschen
gefährlich wird. Im jcrusalcmer Ghetto vor der Tempclthür handelt man mit Mctalli-
qucs und spanischen Papieren u. s. w. Es würde gut sein, wenn der Verfasser sich
künftig seine Arbeiten vor dem Druck durchsehen ließe.

Unter dem Titel "Kraöeiae anticiua.6 tabula in usum setiolai-um
cleserixts." ist bei D. Reimer in Berlin soeben die bekannte Kicpertsche Wandkarte
von Altgricchenland in bedeutend verbesserter Form herausgekommen. Der Maßstab
der neuen Karte ist nur wenig kleiner als der bei der alten, vor der sich jene zu¬
nächst durch größere Schärfe und Sauberkeit der Ausführung, dann aber auch durch
eine nicht unbeträchtliche Anzahl von richtigeren Bezeichnungen der Ortslagen,
Fluß- und Jnsclnamen so wie durch Eintragung zahlreicher Höhcnangaben in eng¬
lischem Fußmaß, welches dem althellenischer bekanntlich sehr nahe kommt, empfiehlt.
Zu diesen topographischen Verbesserungen gehören vorzüglich die genauere Darstellung
der Gewässer und Bergzüge in Macedonien und Thracien. die Berichtigung des
Bodens der Landschaften Dolopia, Actvlia, Akarnania und der Cykladen, die schär¬
fere Zeichnung aller übrigen Küsten und Inseln des ägäischen Meeres und die viel¬
fachen Umänderungen der Angaben von Orten, Bergen und Flüssen im Innern
Kleinasiens. Für den Norden benutzte der Zeichner zu seinen Verbesserungen Vi-
quesncls Arbeiten, für Aetolien und Akarncmien, Dolopia und die Cykladen die in
den letzten Jahren vom französischen Generalstab vollendete große Karte Griechenlands,
für die östlichen Inseln, die ebenfalls erst seit dem Erscheinen der alten Wandkarte
veröffentlichten Ausnahmen der britischen Admiralität. Die Schrift der Karte ist aus
ziemlich weiter Entfernung lesbar, mit .Ausnahme einiger durch offne Schrift hinter
den übrigen zurückgestellten Ortsnamen, die wegen der erst macedonischcr oder rö¬
mischer Zeit angehörigen Gründung der betreffenden Städte in dieser Weise als ein


Literatur.
Eine Osterreise ins heilige Land

in Briefen an Freunde. Von H. Scherer.
Frankfurt a, M. Druck und Verlag von H. L. Brönncr. 1860. — Der Verfasser
ist über Athen, Smyrna, Beirut und Jaffa nach Jerusalem gereist, einige Tage dort
und in der Nachbarschaft gewesen und dann heimgekehrt. Sein Buch ist keine Be¬
reicherung unseres Wissens über jene Gegenden, es ist durchweg Feuilletonistcnwerk
mit allen Unarten und wenigen von den anmuthigen Eigenschaften dieser Art von
Stil. Die Gabe, uns deutliche Bilder zu malen ist in ebenso geringem Maß vor¬
handen, als die Bildung, die uns über die in Frage kommenden Gegenstände und
Zustünde etwas Neues zu sagen vermöchte. Gemeinplätze werden als Schmuck der
Rede gebraucht, die Ergebnisse einer oberflächlichen Lektüre als Belehrung aufgetischt,
und fast feder Brief enthält einige grobe Mißverständnisse. Zu dem Legenden- und
Neliquienkrcun des heiligen Landes verhält sich unser Tourist meist als Gläubiger,
ohne indeß gerade in eine besondere, das Bedürfniß des Feuilletons übersteigende
Rührung darüber zu gerathen. Daß man den Juden die Kreuzigung Jesu »achträgt,
findet er S. 248 in der Ordnung. Durrha ist in der Botanik des Verfassers Gerste,
der kleine Schakal in seiner Zoologie „ein großer wilder Hund", der dem Menschen
gefährlich wird. Im jcrusalcmer Ghetto vor der Tempclthür handelt man mit Mctalli-
qucs und spanischen Papieren u. s. w. Es würde gut sein, wenn der Verfasser sich
künftig seine Arbeiten vor dem Druck durchsehen ließe.

Unter dem Titel „Kraöeiae anticiua.6 tabula in usum setiolai-um
cleserixts." ist bei D. Reimer in Berlin soeben die bekannte Kicpertsche Wandkarte
von Altgricchenland in bedeutend verbesserter Form herausgekommen. Der Maßstab
der neuen Karte ist nur wenig kleiner als der bei der alten, vor der sich jene zu¬
nächst durch größere Schärfe und Sauberkeit der Ausführung, dann aber auch durch
eine nicht unbeträchtliche Anzahl von richtigeren Bezeichnungen der Ortslagen,
Fluß- und Jnsclnamen so wie durch Eintragung zahlreicher Höhcnangaben in eng¬
lischem Fußmaß, welches dem althellenischer bekanntlich sehr nahe kommt, empfiehlt.
Zu diesen topographischen Verbesserungen gehören vorzüglich die genauere Darstellung
der Gewässer und Bergzüge in Macedonien und Thracien. die Berichtigung des
Bodens der Landschaften Dolopia, Actvlia, Akarnania und der Cykladen, die schär¬
fere Zeichnung aller übrigen Küsten und Inseln des ägäischen Meeres und die viel¬
fachen Umänderungen der Angaben von Orten, Bergen und Flüssen im Innern
Kleinasiens. Für den Norden benutzte der Zeichner zu seinen Verbesserungen Vi-
quesncls Arbeiten, für Aetolien und Akarncmien, Dolopia und die Cykladen die in
den letzten Jahren vom französischen Generalstab vollendete große Karte Griechenlands,
für die östlichen Inseln, die ebenfalls erst seit dem Erscheinen der alten Wandkarte
veröffentlichten Ausnahmen der britischen Admiralität. Die Schrift der Karte ist aus
ziemlich weiter Entfernung lesbar, mit .Ausnahme einiger durch offne Schrift hinter
den übrigen zurückgestellten Ortsnamen, die wegen der erst macedonischcr oder rö¬
mischer Zeit angehörigen Gründung der betreffenden Städte in dieser Weise als ein


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/491>, abgerufen am 01.05.2024.