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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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Literatur.
Von Major Beitzkcs "Geschichte der deutschen Freiheitskriege"

ist
eine zweite Auslage (Berlin, Duncker und Humblot) erschienen. -- Dieselbe ist in
einigen Punkten berichtigt und an vielen Stellen ergänzt, wozu dem Verfasser die
Geschichte der Nordarmee im Jahre 1813, redigirt von der historischen Abtheilung
des Gcncralstabes, die Memoiren Reiches, der dritte und vierte Band von Tolls
Denkwürdigkeiten, der sechzehnte Band von Thiers Geschichte des Konsulats und
Kaiserreichs, die Memoiren von Marmont und die Biographien von Radetzky und
Gneisenau den Stoff lieferten. Auch hat die Verlagshandlung zum bessern Ver¬
ständniß des Feldzugs von 1814 eine Uebcrsichtskarte hinzugefügt. In der Vorrede
vertheidigt sich der Verfasser gegen die Vorwürfe, die ihm die östreichische Militür-
zeitung wegen seines Urtheils über die Stellung Oestreichs in den Freiheitskriegen
und die Bedeutung Fürst Schwarzenbergs gemacht, Vorwürfe, deren massiv grober
Ton um so widerwärtiger klingt, als dasselbe Blatt Beitzkc kurz vorher mehr als
nöthig gelobt hatte. Wir lassen seine Antwort folgen, nicht sowol weil sie Neues
enthielte, als weil man gewisse Wahrheiten nicht oft genug wiederholen kann:

"Niemand leugnet, daß erst durch das Hinzutreten Oestreichs die Uebcrmcicht
gegen den Imperator so groß wurde, daß er besiegt werden konnte, aber es ist ge¬
wiß, das Oestreich bis 1814 nicht beabsichtigte ihn vom Thron zu stoßen. Der
Oberbefehlshaber aller verbündeten Heere, Feldmarschall Fürst Schwarzenberg, ein
durch und durch edler Charakter, nicht ohne Verdienst und für die bestehenden Ver¬
hältnisse einer vielgliedrigen Koalition wegen seiner Uneigennützigkeit, Gewandtheit
und Nachgiebigkeit vielleicht der passendste Mann, hat die große Kriegsarbeit nicht
allein ausgeführt. Er ist nicht der Sieger in so vielen Schlachten. Die Haupt¬
sache thaten die Preußen allein oder im Verein mit den Russen, bei vorherrschend
preußischer Führung. Die Schlachten bei Großbeeren, Hagclbcrg, Dennewitz, an
der Katzbach, bei Wartcnburg wurden ohne seine Mitwirkung geschlagen. Bei
Dresden erlitt er eine große Niederlage, und bei Kulm trat er den Befehl an
Barclay ab. Bei Leipzig erlitt er an der Stelle, wo er selbst befehligte, Nachtheile,
und bei La Nothiüre trat er wieder den Befehl an Blücher ab. Die einzigen Schlach¬
ten, wo er allein und verhältnißmäßig unabhängig befehligte, bei Bar sur Aube
und Urals sur Aube stempeln ihn nicht zu einem großen Feldherrn. Er war von
mäßigen kriegerischen Gaben und diente im Feldzug von 1814 meist der Diplomatie
seines Hofes, zum großen Nachtheil seines kriegerischen Ruhmes. Er hat Verdienste
indirecter Art: eine Selbstverleugnung, wie sie selten gefunden wird in Lagen, wo
ein stärkerer und talentvollerer Charakter alle Geduld verloren hätte."


Erlebnisse eines Veteranen der großen Armee während des Feld¬
zugs in Rußland 1812, herausgegeben von dessen Sohne R. v. Meerheim.

Literatur.
Von Major Beitzkcs „Geschichte der deutschen Freiheitskriege"

ist
eine zweite Auslage (Berlin, Duncker und Humblot) erschienen. — Dieselbe ist in
einigen Punkten berichtigt und an vielen Stellen ergänzt, wozu dem Verfasser die
Geschichte der Nordarmee im Jahre 1813, redigirt von der historischen Abtheilung
des Gcncralstabes, die Memoiren Reiches, der dritte und vierte Band von Tolls
Denkwürdigkeiten, der sechzehnte Band von Thiers Geschichte des Konsulats und
Kaiserreichs, die Memoiren von Marmont und die Biographien von Radetzky und
Gneisenau den Stoff lieferten. Auch hat die Verlagshandlung zum bessern Ver¬
ständniß des Feldzugs von 1814 eine Uebcrsichtskarte hinzugefügt. In der Vorrede
vertheidigt sich der Verfasser gegen die Vorwürfe, die ihm die östreichische Militür-
zeitung wegen seines Urtheils über die Stellung Oestreichs in den Freiheitskriegen
und die Bedeutung Fürst Schwarzenbergs gemacht, Vorwürfe, deren massiv grober
Ton um so widerwärtiger klingt, als dasselbe Blatt Beitzkc kurz vorher mehr als
nöthig gelobt hatte. Wir lassen seine Antwort folgen, nicht sowol weil sie Neues
enthielte, als weil man gewisse Wahrheiten nicht oft genug wiederholen kann:

„Niemand leugnet, daß erst durch das Hinzutreten Oestreichs die Uebcrmcicht
gegen den Imperator so groß wurde, daß er besiegt werden konnte, aber es ist ge¬
wiß, das Oestreich bis 1814 nicht beabsichtigte ihn vom Thron zu stoßen. Der
Oberbefehlshaber aller verbündeten Heere, Feldmarschall Fürst Schwarzenberg, ein
durch und durch edler Charakter, nicht ohne Verdienst und für die bestehenden Ver¬
hältnisse einer vielgliedrigen Koalition wegen seiner Uneigennützigkeit, Gewandtheit
und Nachgiebigkeit vielleicht der passendste Mann, hat die große Kriegsarbeit nicht
allein ausgeführt. Er ist nicht der Sieger in so vielen Schlachten. Die Haupt¬
sache thaten die Preußen allein oder im Verein mit den Russen, bei vorherrschend
preußischer Führung. Die Schlachten bei Großbeeren, Hagclbcrg, Dennewitz, an
der Katzbach, bei Wartcnburg wurden ohne seine Mitwirkung geschlagen. Bei
Dresden erlitt er eine große Niederlage, und bei Kulm trat er den Befehl an
Barclay ab. Bei Leipzig erlitt er an der Stelle, wo er selbst befehligte, Nachtheile,
und bei La Nothiüre trat er wieder den Befehl an Blücher ab. Die einzigen Schlach¬
ten, wo er allein und verhältnißmäßig unabhängig befehligte, bei Bar sur Aube
und Urals sur Aube stempeln ihn nicht zu einem großen Feldherrn. Er war von
mäßigen kriegerischen Gaben und diente im Feldzug von 1814 meist der Diplomatie
seines Hofes, zum großen Nachtheil seines kriegerischen Ruhmes. Er hat Verdienste
indirecter Art: eine Selbstverleugnung, wie sie selten gefunden wird in Lagen, wo
ein stärkerer und talentvollerer Charakter alle Geduld verloren hätte."


Erlebnisse eines Veteranen der großen Armee während des Feld¬
zugs in Rußland 1812, herausgegeben von dessen Sohne R. v. Meerheim.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/91>, abgerufen am 01.05.2024.