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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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Allein der alte Glanz des Stiftes war unwiederbringlich dahin. Die
wettinischen Fürsten hatten in Folge der vielen Theilungen, welche in diesem
Hause stattfanden, ihre Vorliebe anderen Klöstern zugewendet. Nur die alte"
Gebäude standen noch Jahrhunderte lang als Zeugen der-alten Herrlichkeit,
bis die Reformation auch diesem Kloster ein Ende machte. Die letzten Mönche,
die sich noch darin fanden, wurden pensionirt, das Vermögen säcularisirt und
daraus ein evangelischer Pfarrer dotirt. der fortan im Chor der Stiftskirche den
Gottesdienst abhielt. So blieb es bis zum Jahre 1565; da verwandelte der
Blitz die Kirche in eine Ruine, welche nur soweit nothdürftig wiederhergestellt
wurde, daß sie zum Gottesdienst benutzt werden konnte. Der verschwenderische
Kurfürst August der Starke veräußerte das ganze Amt Petersberg für" 40,000
Thlr. an Brandenburg, die Klostergebäude dienten zu Wirthschastszwecken, bis
man im Jahre 1726 einen Theil der Ruine abbrach, um am Fuße des Berges
daraus ein neues Oekonomiegebäude zu bauen, worauf das verlassene Kloster
zerfiel. Und dieser klägliche Zustand blieb, bis der vorige König von Preußen
dessen kunstliebenden Sinne so manches denkwürdige Gebäude des Mittelalters
seiue Rettung von gänzlicher Zerstörung verdankt, die Ueberreste der Kloster¬
kirche restauriren ließ' so daß sie wie ehedem in stattlicher Schönheit von der
Th. Flache. Höhe in das Land hinausschaut.




Von der preußischen Grenze.

Die Ereignisse der vergangenen Woche verdienen ernsthaftes Nachdenken.
In den letzten Jahren wurde unsere deutsche Politik von Einem Gedanke"
oder vielmehr von Einem dunklen Gefühl bestimmt, von dem Mißtrauen ge¬
gen den Kaiser Napoleon. Dieses Mißtrauen ist vollkommen gerechtfertigt,
und wir haben alle Ursache auf der Hut zu sein. Wenn wir aber nicht den
Kindern gleichen wollen, so müssen wir uns bemühen, unsern Gegner zu ver¬
steh n. und es scheint fast, als ob der größere Theil unserer Politiker zu klein
über ihn gedacht hat.

Der Kaiser Napoleon kam durch eine Koalition verschiedener Parteien,
unter denen die ultramontane eine große Rolle spielte, an die Spitze der Re¬
publik. Man hielt ihn für eine unbedeutende Persönlichkeit, die aber gerade


Allein der alte Glanz des Stiftes war unwiederbringlich dahin. Die
wettinischen Fürsten hatten in Folge der vielen Theilungen, welche in diesem
Hause stattfanden, ihre Vorliebe anderen Klöstern zugewendet. Nur die alte»
Gebäude standen noch Jahrhunderte lang als Zeugen der-alten Herrlichkeit,
bis die Reformation auch diesem Kloster ein Ende machte. Die letzten Mönche,
die sich noch darin fanden, wurden pensionirt, das Vermögen säcularisirt und
daraus ein evangelischer Pfarrer dotirt. der fortan im Chor der Stiftskirche den
Gottesdienst abhielt. So blieb es bis zum Jahre 1565; da verwandelte der
Blitz die Kirche in eine Ruine, welche nur soweit nothdürftig wiederhergestellt
wurde, daß sie zum Gottesdienst benutzt werden konnte. Der verschwenderische
Kurfürst August der Starke veräußerte das ganze Amt Petersberg für" 40,000
Thlr. an Brandenburg, die Klostergebäude dienten zu Wirthschastszwecken, bis
man im Jahre 1726 einen Theil der Ruine abbrach, um am Fuße des Berges
daraus ein neues Oekonomiegebäude zu bauen, worauf das verlassene Kloster
zerfiel. Und dieser klägliche Zustand blieb, bis der vorige König von Preußen
dessen kunstliebenden Sinne so manches denkwürdige Gebäude des Mittelalters
seiue Rettung von gänzlicher Zerstörung verdankt, die Ueberreste der Kloster¬
kirche restauriren ließ' so daß sie wie ehedem in stattlicher Schönheit von der
Th. Flache. Höhe in das Land hinausschaut.




Von der preußischen Grenze.

Die Ereignisse der vergangenen Woche verdienen ernsthaftes Nachdenken.
In den letzten Jahren wurde unsere deutsche Politik von Einem Gedanke»
oder vielmehr von Einem dunklen Gefühl bestimmt, von dem Mißtrauen ge¬
gen den Kaiser Napoleon. Dieses Mißtrauen ist vollkommen gerechtfertigt,
und wir haben alle Ursache auf der Hut zu sein. Wenn wir aber nicht den
Kindern gleichen wollen, so müssen wir uns bemühen, unsern Gegner zu ver¬
steh n. und es scheint fast, als ob der größere Theil unserer Politiker zu klein
über ihn gedacht hat.

Der Kaiser Napoleon kam durch eine Koalition verschiedener Parteien,
unter denen die ultramontane eine große Rolle spielte, an die Spitze der Re¬
publik. Man hielt ihn für eine unbedeutende Persönlichkeit, die aber gerade


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[0442] Allein der alte Glanz des Stiftes war unwiederbringlich dahin. Die wettinischen Fürsten hatten in Folge der vielen Theilungen, welche in diesem Hause stattfanden, ihre Vorliebe anderen Klöstern zugewendet. Nur die alte» Gebäude standen noch Jahrhunderte lang als Zeugen der-alten Herrlichkeit, bis die Reformation auch diesem Kloster ein Ende machte. Die letzten Mönche, die sich noch darin fanden, wurden pensionirt, das Vermögen säcularisirt und daraus ein evangelischer Pfarrer dotirt. der fortan im Chor der Stiftskirche den Gottesdienst abhielt. So blieb es bis zum Jahre 1565; da verwandelte der Blitz die Kirche in eine Ruine, welche nur soweit nothdürftig wiederhergestellt wurde, daß sie zum Gottesdienst benutzt werden konnte. Der verschwenderische Kurfürst August der Starke veräußerte das ganze Amt Petersberg für" 40,000 Thlr. an Brandenburg, die Klostergebäude dienten zu Wirthschastszwecken, bis man im Jahre 1726 einen Theil der Ruine abbrach, um am Fuße des Berges daraus ein neues Oekonomiegebäude zu bauen, worauf das verlassene Kloster zerfiel. Und dieser klägliche Zustand blieb, bis der vorige König von Preußen dessen kunstliebenden Sinne so manches denkwürdige Gebäude des Mittelalters seiue Rettung von gänzlicher Zerstörung verdankt, die Ueberreste der Kloster¬ kirche restauriren ließ' so daß sie wie ehedem in stattlicher Schönheit von der Th. Flache. Höhe in das Land hinausschaut. Von der preußischen Grenze. Die Ereignisse der vergangenen Woche verdienen ernsthaftes Nachdenken. In den letzten Jahren wurde unsere deutsche Politik von Einem Gedanke» oder vielmehr von Einem dunklen Gefühl bestimmt, von dem Mißtrauen ge¬ gen den Kaiser Napoleon. Dieses Mißtrauen ist vollkommen gerechtfertigt, und wir haben alle Ursache auf der Hut zu sein. Wenn wir aber nicht den Kindern gleichen wollen, so müssen wir uns bemühen, unsern Gegner zu ver¬ steh n. und es scheint fast, als ob der größere Theil unserer Politiker zu klein über ihn gedacht hat. Der Kaiser Napoleon kam durch eine Koalition verschiedener Parteien, unter denen die ultramontane eine große Rolle spielte, an die Spitze der Re¬ publik. Man hielt ihn für eine unbedeutende Persönlichkeit, die aber gerade

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/442>, abgerufen am 05.05.2024.