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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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Zur Charakteristik Japan's.
(Schluß)

Die sociale Stellung des Weibes ist einfach, klar und natürlich; sie ist
nicht Sklavin, nicht das bloß dingliche Fortpflanzungs-Gefäß, zu dem es
sonst der Asiate herabgewürdigt hat; aber sie ist auch nicht die verzärtelte,
Baumwolle verpackte, mit hyperbolischer Verehrung angebetete Göttin, zu der
in-- sie civilistrte Nationen der' alten Welt erhoben haben. Sie ist die
Ratherin und Freundin des Mannes, die Gehilfin seines Geschäfts, immer mit
Höflichkeit und Nachsicht behandelt, gegen jede rohe Behandlung durch die
geheiligte Sitte gesichert und gegen jeden Angriff von außen kräftig und ritter¬
lich geschützt; aber sie hat ihre scharf gezogenen Schranken, -- sie wirkt im
Hause und erzieht die Kinder; das Geschäft, das Regiment ruht unwandelbar
in des Mannes Hand. Der Japaner behandelt das Weib als ein nützliches
und ebenbürtiges Geschöpf, das eben so sehr zu seiner Unterstützung als zur
Verschönerung seines Daseins geschaffen ist, und darum ehrt er sie; aber
dies Verhältniß kann niemals umgedreht werden; dagegen schützt den Mann
außer der Sitte noch das Gesetz. ^ Darum giebt es in Japan keine Xan>
tippen und keine Göttinnen, keine liebeschmachtenden Romandamen und
keine emancipirten Mannweiber, darum sind sie alle fröhliche Mädchen und
verständige Frauen. Das japanische Mädchen weiß genau, welches Schicksal
sie in der Ehe erwartet; ob Peter oder Paul ihr Mann wird, -- der Unter-
schied kann nicht groß sein. Das Haus von Peter sieht genau aus wie das
von Paul, denn alle Häuser sehen in Japan gleich aus; dieselben Matten,
dieselbe Papierthür, derselbe transportable Feuerherd, dieselbe Nahrung, die-
selbe Kleidung, dieselben Pflichten und dieselben Rechte. Gewiß, auch das
Herz des japanischen Mädchens empfindet und spricht, aber sie versinkt nicht
in endlosem Weh und namenlosem Schmerz, wenn der Wunsch dieses kleinen
Herzens nicht erfüllt wird. Die Erziehung des japanischen Weibes hat ein
ganz festes und unverrückbares Fundament, welches keine Abirrung zuläßt
und es für seine Bestimmung -- geliebt zu werden -- methodisch vorbereitet;
es wird klar und einfach für den Mann erzogen. Unsere Mädchen, oft zu
stolz, um bloß für den Mann, zu schwach, um für sich selbst erzogen zu wer>
den. schweben zwischen beiden Principien haltlos umher. Sie lernen zu wenig,
um selbständige Menschen, sie lernen zu viel, um liebenswürdige Frauen
zu werden.¬

Wunderbar ist auch die andere Seite des Familienlebens, das Verhält
niß zwischen Eltern und Kindern, und die Methode der Erziehung. Vernünf-


Zur Charakteristik Japan's.
(Schluß)

Die sociale Stellung des Weibes ist einfach, klar und natürlich; sie ist
nicht Sklavin, nicht das bloß dingliche Fortpflanzungs-Gefäß, zu dem es
sonst der Asiate herabgewürdigt hat; aber sie ist auch nicht die verzärtelte,
Baumwolle verpackte, mit hyperbolischer Verehrung angebetete Göttin, zu der
in-- sie civilistrte Nationen der' alten Welt erhoben haben. Sie ist die
Ratherin und Freundin des Mannes, die Gehilfin seines Geschäfts, immer mit
Höflichkeit und Nachsicht behandelt, gegen jede rohe Behandlung durch die
geheiligte Sitte gesichert und gegen jeden Angriff von außen kräftig und ritter¬
lich geschützt; aber sie hat ihre scharf gezogenen Schranken, — sie wirkt im
Hause und erzieht die Kinder; das Geschäft, das Regiment ruht unwandelbar
in des Mannes Hand. Der Japaner behandelt das Weib als ein nützliches
und ebenbürtiges Geschöpf, das eben so sehr zu seiner Unterstützung als zur
Verschönerung seines Daseins geschaffen ist, und darum ehrt er sie; aber
dies Verhältniß kann niemals umgedreht werden; dagegen schützt den Mann
außer der Sitte noch das Gesetz. ^ Darum giebt es in Japan keine Xan>
tippen und keine Göttinnen, keine liebeschmachtenden Romandamen und
keine emancipirten Mannweiber, darum sind sie alle fröhliche Mädchen und
verständige Frauen. Das japanische Mädchen weiß genau, welches Schicksal
sie in der Ehe erwartet; ob Peter oder Paul ihr Mann wird, — der Unter-
schied kann nicht groß sein. Das Haus von Peter sieht genau aus wie das
von Paul, denn alle Häuser sehen in Japan gleich aus; dieselben Matten,
dieselbe Papierthür, derselbe transportable Feuerherd, dieselbe Nahrung, die-
selbe Kleidung, dieselben Pflichten und dieselben Rechte. Gewiß, auch das
Herz des japanischen Mädchens empfindet und spricht, aber sie versinkt nicht
in endlosem Weh und namenlosem Schmerz, wenn der Wunsch dieses kleinen
Herzens nicht erfüllt wird. Die Erziehung des japanischen Weibes hat ein
ganz festes und unverrückbares Fundament, welches keine Abirrung zuläßt
und es für seine Bestimmung — geliebt zu werden — methodisch vorbereitet;
es wird klar und einfach für den Mann erzogen. Unsere Mädchen, oft zu
stolz, um bloß für den Mann, zu schwach, um für sich selbst erzogen zu wer>
den. schweben zwischen beiden Principien haltlos umher. Sie lernen zu wenig,
um selbständige Menschen, sie lernen zu viel, um liebenswürdige Frauen
zu werden.¬

Wunderbar ist auch die andere Seite des Familienlebens, das Verhält
niß zwischen Eltern und Kindern, und die Methode der Erziehung. Vernünf-


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[0320] Zur Charakteristik Japan's. (Schluß) Die sociale Stellung des Weibes ist einfach, klar und natürlich; sie ist nicht Sklavin, nicht das bloß dingliche Fortpflanzungs-Gefäß, zu dem es sonst der Asiate herabgewürdigt hat; aber sie ist auch nicht die verzärtelte, Baumwolle verpackte, mit hyperbolischer Verehrung angebetete Göttin, zu der in-- sie civilistrte Nationen der' alten Welt erhoben haben. Sie ist die Ratherin und Freundin des Mannes, die Gehilfin seines Geschäfts, immer mit Höflichkeit und Nachsicht behandelt, gegen jede rohe Behandlung durch die geheiligte Sitte gesichert und gegen jeden Angriff von außen kräftig und ritter¬ lich geschützt; aber sie hat ihre scharf gezogenen Schranken, — sie wirkt im Hause und erzieht die Kinder; das Geschäft, das Regiment ruht unwandelbar in des Mannes Hand. Der Japaner behandelt das Weib als ein nützliches und ebenbürtiges Geschöpf, das eben so sehr zu seiner Unterstützung als zur Verschönerung seines Daseins geschaffen ist, und darum ehrt er sie; aber dies Verhältniß kann niemals umgedreht werden; dagegen schützt den Mann außer der Sitte noch das Gesetz. ^ Darum giebt es in Japan keine Xan> tippen und keine Göttinnen, keine liebeschmachtenden Romandamen und keine emancipirten Mannweiber, darum sind sie alle fröhliche Mädchen und verständige Frauen. Das japanische Mädchen weiß genau, welches Schicksal sie in der Ehe erwartet; ob Peter oder Paul ihr Mann wird, — der Unter- schied kann nicht groß sein. Das Haus von Peter sieht genau aus wie das von Paul, denn alle Häuser sehen in Japan gleich aus; dieselben Matten, dieselbe Papierthür, derselbe transportable Feuerherd, dieselbe Nahrung, die- selbe Kleidung, dieselben Pflichten und dieselben Rechte. Gewiß, auch das Herz des japanischen Mädchens empfindet und spricht, aber sie versinkt nicht in endlosem Weh und namenlosem Schmerz, wenn der Wunsch dieses kleinen Herzens nicht erfüllt wird. Die Erziehung des japanischen Weibes hat ein ganz festes und unverrückbares Fundament, welches keine Abirrung zuläßt und es für seine Bestimmung — geliebt zu werden — methodisch vorbereitet; es wird klar und einfach für den Mann erzogen. Unsere Mädchen, oft zu stolz, um bloß für den Mann, zu schwach, um für sich selbst erzogen zu wer> den. schweben zwischen beiden Principien haltlos umher. Sie lernen zu wenig, um selbständige Menschen, sie lernen zu viel, um liebenswürdige Frauen zu werden.¬ Wunderbar ist auch die andere Seite des Familienlebens, das Verhält niß zwischen Eltern und Kindern, und die Methode der Erziehung. Vernünf-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/320>, abgerufen am 05.05.2024.