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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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Zu der Annahme geführt wird, der Widerwille gegen sie sei aus einem der¬
gleichen körperlichen Gebrechen entstanden. Verschiedenen Berichten zufolge
soll jedoch ihre Krankheit mehr die Gestalt eines heftigen Deliriums, das
Zur Zeit des Neu- und Vollmondes sich einstellte, als geistiger Schwachsinnig¬
st gehabt haben. Trat diese Zeit ein. dann ließen sie ihre Arbeit im Stich
und setzten durch die tollsten Streiche die ganze Gegend in Schrecken. Fort¬
währende und heftige Bewegung hielt man für das beste Mittel, diese Wuth¬
ausbrüche zu lindern. In dem Verlangen nach rascher Bewegung glich der
Anfall der neapolitanischen Tarantella, während er durch die wahnsinnigen
Handlungen, welche die Betroffenen verübten, mit der nordischen Berserkerwuth
Ähnlichkeit hatte. Besonders in Bearn sollten diese Ausbrüche der Wuth sehr
gefürchtet sein, so daß, wenn die Zeit herankam, zu welcher die Cagoutelle.
wie man die Krankheit nannte, eintrat, die übrigen Landbewohner sich kaum
aus ihren Häusern wagten Hierher gehört noch eine recht hübsche Ueber¬
lieferung: Ein Bearner hatte eine Cagotin zur Frau; stellten sich nun bei
dieser die ersten Symptome der Cagoutelle ein. so blauete er sie. um sie in
einen Zustand heilsamer Transpiration zu versetze", so lange weidlich durch, bis
sie vollständlich ermattet und erschöpft war, und sperrte sie dann ein, bis der
Mondwechsel eingetreten. Hätte er nicht stets solche energische Mittel in An¬
wendung gebracht, wer weiß was Alles hätte passiren können, sagte das Volk.




Ans der Vergangenheit eines schlesischen Klosters.

<wum<zlltg, Iiubensis,, herausgegeben von Dr. W. Wattenbach, Königlichen Provin-
zialarchivar. Der Königlichen Universität zu Breslau bei der Feier ihres
funfzigjährigen Bestehens überreicht von Königlichen Provinzialarchiv für
Schlesien. Breslau, Joseph Max und Comp. 1S61.

Am Strande der Oder, von der wir zugestehen müssen, daß sie an Ufer-
"nheiten so arm ist, wie kein andrer Strom Deutschlands, bietet sich doch,


Zu der Annahme geführt wird, der Widerwille gegen sie sei aus einem der¬
gleichen körperlichen Gebrechen entstanden. Verschiedenen Berichten zufolge
soll jedoch ihre Krankheit mehr die Gestalt eines heftigen Deliriums, das
Zur Zeit des Neu- und Vollmondes sich einstellte, als geistiger Schwachsinnig¬
st gehabt haben. Trat diese Zeit ein. dann ließen sie ihre Arbeit im Stich
und setzten durch die tollsten Streiche die ganze Gegend in Schrecken. Fort¬
währende und heftige Bewegung hielt man für das beste Mittel, diese Wuth¬
ausbrüche zu lindern. In dem Verlangen nach rascher Bewegung glich der
Anfall der neapolitanischen Tarantella, während er durch die wahnsinnigen
Handlungen, welche die Betroffenen verübten, mit der nordischen Berserkerwuth
Ähnlichkeit hatte. Besonders in Bearn sollten diese Ausbrüche der Wuth sehr
gefürchtet sein, so daß, wenn die Zeit herankam, zu welcher die Cagoutelle.
wie man die Krankheit nannte, eintrat, die übrigen Landbewohner sich kaum
aus ihren Häusern wagten Hierher gehört noch eine recht hübsche Ueber¬
lieferung: Ein Bearner hatte eine Cagotin zur Frau; stellten sich nun bei
dieser die ersten Symptome der Cagoutelle ein. so blauete er sie. um sie in
einen Zustand heilsamer Transpiration zu versetze», so lange weidlich durch, bis
sie vollständlich ermattet und erschöpft war, und sperrte sie dann ein, bis der
Mondwechsel eingetreten. Hätte er nicht stets solche energische Mittel in An¬
wendung gebracht, wer weiß was Alles hätte passiren können, sagte das Volk.




Ans der Vergangenheit eines schlesischen Klosters.

<wum<zlltg, Iiubensis,, herausgegeben von Dr. W. Wattenbach, Königlichen Provin-
zialarchivar. Der Königlichen Universität zu Breslau bei der Feier ihres
funfzigjährigen Bestehens überreicht von Königlichen Provinzialarchiv für
Schlesien. Breslau, Joseph Max und Comp. 1S61.

Am Strande der Oder, von der wir zugestehen müssen, daß sie an Ufer-
"nheiten so arm ist, wie kein andrer Strom Deutschlands, bietet sich doch,


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[0441] Zu der Annahme geführt wird, der Widerwille gegen sie sei aus einem der¬ gleichen körperlichen Gebrechen entstanden. Verschiedenen Berichten zufolge soll jedoch ihre Krankheit mehr die Gestalt eines heftigen Deliriums, das Zur Zeit des Neu- und Vollmondes sich einstellte, als geistiger Schwachsinnig¬ st gehabt haben. Trat diese Zeit ein. dann ließen sie ihre Arbeit im Stich und setzten durch die tollsten Streiche die ganze Gegend in Schrecken. Fort¬ währende und heftige Bewegung hielt man für das beste Mittel, diese Wuth¬ ausbrüche zu lindern. In dem Verlangen nach rascher Bewegung glich der Anfall der neapolitanischen Tarantella, während er durch die wahnsinnigen Handlungen, welche die Betroffenen verübten, mit der nordischen Berserkerwuth Ähnlichkeit hatte. Besonders in Bearn sollten diese Ausbrüche der Wuth sehr gefürchtet sein, so daß, wenn die Zeit herankam, zu welcher die Cagoutelle. wie man die Krankheit nannte, eintrat, die übrigen Landbewohner sich kaum aus ihren Häusern wagten Hierher gehört noch eine recht hübsche Ueber¬ lieferung: Ein Bearner hatte eine Cagotin zur Frau; stellten sich nun bei dieser die ersten Symptome der Cagoutelle ein. so blauete er sie. um sie in einen Zustand heilsamer Transpiration zu versetze», so lange weidlich durch, bis sie vollständlich ermattet und erschöpft war, und sperrte sie dann ein, bis der Mondwechsel eingetreten. Hätte er nicht stets solche energische Mittel in An¬ wendung gebracht, wer weiß was Alles hätte passiren können, sagte das Volk. Ans der Vergangenheit eines schlesischen Klosters. <wum<zlltg, Iiubensis,, herausgegeben von Dr. W. Wattenbach, Königlichen Provin- zialarchivar. Der Königlichen Universität zu Breslau bei der Feier ihres funfzigjährigen Bestehens überreicht von Königlichen Provinzialarchiv für Schlesien. Breslau, Joseph Max und Comp. 1S61. Am Strande der Oder, von der wir zugestehen müssen, daß sie an Ufer- "nheiten so arm ist, wie kein andrer Strom Deutschlands, bietet sich doch,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/441>, abgerufen am 06.05.2024.