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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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Die Riesengarde Friedrich Wilhelms des Ersten.

Wir entnehmen die folgenden Mittheilungen einem Werke des preußischen
Majors Rudolph Graf von Kanitz, welches unter dem Titel: "Aus dem
deutschen Soldatenleben. Militärische Skizzen zur deutschen
Sittengeschichte" soeben in Berlin, Verlag von Wilhelm Hertz, erschienen
ist. Dasselbe schildert nach einigen Kapiteln über die deutschen Soldaten zur
Zeit der Reformation und während des dreißigjährigen Kriegs in recht ansprechen¬
der Weise vorzüglich die Zustünde und Thaten der preußischen Armee in den
Türkenkriegen des siebzehnten Jahrhunderts, in dem spanischen Erbfolgekriege
und unter Friedrich Wilhelm dem Ersten. Die Verdienste dieses Fürsten um
die Verbesserung des preußischen Heeres sind ebenso bekannt wie seine Vor¬
liebe sür große Soldaten. Von letzterer im Folgenden einige bezeichnende
Beispiele.

Es gab Nichts in der Welt, wodurch man sich dem Könige mehr
empfehlen konnte, als durch Herbeischaffung langer Flügelmänner, und Be¬
günstigungen, die sonst bei des Königs Festigkeit unmöglich zu erlangen ge¬
wesen wären, war er nicht im Stande zu verweigern, sobald das Gesuch durch
einige lange Kerle unterstützt wurde. So kam es, daß auch Personen, die
nicht dem Soldatenstande angehörten, es sich zur Aufgabe machten, Soldaten
zu werben; so namentlich auch der Gesandte am Britischen Hofe. Geheimrnth
von Borcke, der unter Andern den berühmten Riesen James Kirckland, einen
Irländer, der 6 Fuß 11 Zoll, maß, dem Könige in sein Leibbataillon lieferte,
eine Acquisition, die freilich kostbar genug war, denn die durch Bestechung,
glänzende Geschenke, Handgeld und Reisekosten verursachten Ausgaben beliefen
sich auf die unglaubliche Summe von 9000 Pfund Sterling.

Ueberhaupt war -- wenn auch allerwärts, sowol bei der Infanterie, als
auch selbst bei den Reiterregimentern, vorzugsweise auf bedeutende Leiöes-
lnnge gesehen wurde -- es doch vor Allem das Leibrcgiment des Königs,
von dem man mit Schiller sagen konnte: "es wuchs das Riesenmaß der
Leiber weit über Menschliches hinaus!" Denn obwol das Regiment 3 Bataillone
und jedes von ihnen eine Grenadier- und 6 Musketier-Compagnieen zählte
und außerdem noch 4 Compagnieen Unrangirter dazu gehörten, in welche der
zunächst auszubildende Ersatz eingestellt wurde -- so gab es doch keinen
Mann darunter, der nicht wenigstens 6 Fuß maß. Der Flügelmann des
Regiments, Jonas. der 1727 starb, hatte 8 Fuß 2 Zoll; sein Nachfolger,
Hohmann, war so groß, daß der bekanntlich ungewöhnlich große König von


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Die Riesengarde Friedrich Wilhelms des Ersten.

Wir entnehmen die folgenden Mittheilungen einem Werke des preußischen
Majors Rudolph Graf von Kanitz, welches unter dem Titel: „Aus dem
deutschen Soldatenleben. Militärische Skizzen zur deutschen
Sittengeschichte" soeben in Berlin, Verlag von Wilhelm Hertz, erschienen
ist. Dasselbe schildert nach einigen Kapiteln über die deutschen Soldaten zur
Zeit der Reformation und während des dreißigjährigen Kriegs in recht ansprechen¬
der Weise vorzüglich die Zustünde und Thaten der preußischen Armee in den
Türkenkriegen des siebzehnten Jahrhunderts, in dem spanischen Erbfolgekriege
und unter Friedrich Wilhelm dem Ersten. Die Verdienste dieses Fürsten um
die Verbesserung des preußischen Heeres sind ebenso bekannt wie seine Vor¬
liebe sür große Soldaten. Von letzterer im Folgenden einige bezeichnende
Beispiele.

Es gab Nichts in der Welt, wodurch man sich dem Könige mehr
empfehlen konnte, als durch Herbeischaffung langer Flügelmänner, und Be¬
günstigungen, die sonst bei des Königs Festigkeit unmöglich zu erlangen ge¬
wesen wären, war er nicht im Stande zu verweigern, sobald das Gesuch durch
einige lange Kerle unterstützt wurde. So kam es, daß auch Personen, die
nicht dem Soldatenstande angehörten, es sich zur Aufgabe machten, Soldaten
zu werben; so namentlich auch der Gesandte am Britischen Hofe. Geheimrnth
von Borcke, der unter Andern den berühmten Riesen James Kirckland, einen
Irländer, der 6 Fuß 11 Zoll, maß, dem Könige in sein Leibbataillon lieferte,
eine Acquisition, die freilich kostbar genug war, denn die durch Bestechung,
glänzende Geschenke, Handgeld und Reisekosten verursachten Ausgaben beliefen
sich auf die unglaubliche Summe von 9000 Pfund Sterling.

Ueberhaupt war — wenn auch allerwärts, sowol bei der Infanterie, als
auch selbst bei den Reiterregimentern, vorzugsweise auf bedeutende Leiöes-
lnnge gesehen wurde — es doch vor Allem das Leibrcgiment des Königs,
von dem man mit Schiller sagen konnte: „es wuchs das Riesenmaß der
Leiber weit über Menschliches hinaus!" Denn obwol das Regiment 3 Bataillone
und jedes von ihnen eine Grenadier- und 6 Musketier-Compagnieen zählte
und außerdem noch 4 Compagnieen Unrangirter dazu gehörten, in welche der
zunächst auszubildende Ersatz eingestellt wurde — so gab es doch keinen
Mann darunter, der nicht wenigstens 6 Fuß maß. Der Flügelmann des
Regiments, Jonas. der 1727 starb, hatte 8 Fuß 2 Zoll; sein Nachfolger,
Hohmann, war so groß, daß der bekanntlich ungewöhnlich große König von


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[0126] . Die Riesengarde Friedrich Wilhelms des Ersten. Wir entnehmen die folgenden Mittheilungen einem Werke des preußischen Majors Rudolph Graf von Kanitz, welches unter dem Titel: „Aus dem deutschen Soldatenleben. Militärische Skizzen zur deutschen Sittengeschichte" soeben in Berlin, Verlag von Wilhelm Hertz, erschienen ist. Dasselbe schildert nach einigen Kapiteln über die deutschen Soldaten zur Zeit der Reformation und während des dreißigjährigen Kriegs in recht ansprechen¬ der Weise vorzüglich die Zustünde und Thaten der preußischen Armee in den Türkenkriegen des siebzehnten Jahrhunderts, in dem spanischen Erbfolgekriege und unter Friedrich Wilhelm dem Ersten. Die Verdienste dieses Fürsten um die Verbesserung des preußischen Heeres sind ebenso bekannt wie seine Vor¬ liebe sür große Soldaten. Von letzterer im Folgenden einige bezeichnende Beispiele. Es gab Nichts in der Welt, wodurch man sich dem Könige mehr empfehlen konnte, als durch Herbeischaffung langer Flügelmänner, und Be¬ günstigungen, die sonst bei des Königs Festigkeit unmöglich zu erlangen ge¬ wesen wären, war er nicht im Stande zu verweigern, sobald das Gesuch durch einige lange Kerle unterstützt wurde. So kam es, daß auch Personen, die nicht dem Soldatenstande angehörten, es sich zur Aufgabe machten, Soldaten zu werben; so namentlich auch der Gesandte am Britischen Hofe. Geheimrnth von Borcke, der unter Andern den berühmten Riesen James Kirckland, einen Irländer, der 6 Fuß 11 Zoll, maß, dem Könige in sein Leibbataillon lieferte, eine Acquisition, die freilich kostbar genug war, denn die durch Bestechung, glänzende Geschenke, Handgeld und Reisekosten verursachten Ausgaben beliefen sich auf die unglaubliche Summe von 9000 Pfund Sterling. Ueberhaupt war — wenn auch allerwärts, sowol bei der Infanterie, als auch selbst bei den Reiterregimentern, vorzugsweise auf bedeutende Leiöes- lnnge gesehen wurde — es doch vor Allem das Leibrcgiment des Königs, von dem man mit Schiller sagen konnte: „es wuchs das Riesenmaß der Leiber weit über Menschliches hinaus!" Denn obwol das Regiment 3 Bataillone und jedes von ihnen eine Grenadier- und 6 Musketier-Compagnieen zählte und außerdem noch 4 Compagnieen Unrangirter dazu gehörten, in welche der zunächst auszubildende Ersatz eingestellt wurde — so gab es doch keinen Mann darunter, der nicht wenigstens 6 Fuß maß. Der Flügelmann des Regiments, Jonas. der 1727 starb, hatte 8 Fuß 2 Zoll; sein Nachfolger, Hohmann, war so groß, daß der bekanntlich ungewöhnlich große König von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/126>, abgerufen am 26.04.2024.