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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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Presse im Einzelnen zu verfolgen, aber wir lernen daraus, wie man sich ge¬
gen England stellen muß, um in gutes Vernehmen mit ihm zu kommen.

Seit Jahren war es Dogma der preußischen Politik, daß nur eine eng¬
lische Alliance möglich sei, eine Alliance gegen Frankreich.

Die englische Presse und mit ihr das englische Publicum von Lord Pal-
merston bis zum gemeinsten Karrenschieber herunter erkannten dies Factum
dadurch an. daß sie Deutschland und namentlich Preußen als einen Staat
darstellten, der ungefähr auf einer Höhe mit Neapel stehe, der hauptsächlich
von den englischen Touristen lebe und zum Dank dafür dieselben ausplündre.
Wenn von einer Alliance Englands mit Preußen die Rede ist, rief man uns
zu, so halten wir unsere Taschen fest, weil man doch nur von uns betteln,
oder uns bestehlen will. Tag aus, Tag ein wurde so in England geredet
und die Furcht vor Napoleon hinter dem frechen Hochmuth gegen einen Staat
versteckt, den man in der Tasche zu haben glaubte.

Nun kommen die beiden Monarchen zusammen, und plötzlich steigt Preu¬
ßens Credit. Wir sind mit einem Male ein ganz ordentliches Boll, noch
dazu stammverwandt; die Angelsachsen waren ja auch Preußen! und von
einer andern Alliance kann gar nicht die Rede sein, als zwischen England und
Preußen.

Den Grad unserer Verachtung auszusprechen, ist hier wol überflüssig,
und würden keine Worte dafür ausreichen. Aber Preußen kann sich merken
-- und nicht blos in Bezug auf England -- daß es seine Älliancen nicht
zu erbetteln, sondern zu erobern hat. Wenn die Staaten, deren Alliance zu
gewinnen in Preußens Interesse liegt, zu der festen Ueberzeugung gelangen,
daß sie zu wählen haben, ob Freund oder Feind? so werden viel unnöthige
Worte gespart werden und die Lage der Dinge wird bald aufgeklärt sein.

Aber freilich müssen sie wissen, daß hinter den Worten Ernst liegt.


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Presse im Einzelnen zu verfolgen, aber wir lernen daraus, wie man sich ge¬
gen England stellen muß, um in gutes Vernehmen mit ihm zu kommen.

Seit Jahren war es Dogma der preußischen Politik, daß nur eine eng¬
lische Alliance möglich sei, eine Alliance gegen Frankreich.

Die englische Presse und mit ihr das englische Publicum von Lord Pal-
merston bis zum gemeinsten Karrenschieber herunter erkannten dies Factum
dadurch an. daß sie Deutschland und namentlich Preußen als einen Staat
darstellten, der ungefähr auf einer Höhe mit Neapel stehe, der hauptsächlich
von den englischen Touristen lebe und zum Dank dafür dieselben ausplündre.
Wenn von einer Alliance Englands mit Preußen die Rede ist, rief man uns
zu, so halten wir unsere Taschen fest, weil man doch nur von uns betteln,
oder uns bestehlen will. Tag aus, Tag ein wurde so in England geredet
und die Furcht vor Napoleon hinter dem frechen Hochmuth gegen einen Staat
versteckt, den man in der Tasche zu haben glaubte.

Nun kommen die beiden Monarchen zusammen, und plötzlich steigt Preu¬
ßens Credit. Wir sind mit einem Male ein ganz ordentliches Boll, noch
dazu stammverwandt; die Angelsachsen waren ja auch Preußen! und von
einer andern Alliance kann gar nicht die Rede sein, als zwischen England und
Preußen.

Den Grad unserer Verachtung auszusprechen, ist hier wol überflüssig,
und würden keine Worte dafür ausreichen. Aber Preußen kann sich merken
— und nicht blos in Bezug auf England — daß es seine Älliancen nicht
zu erbetteln, sondern zu erobern hat. Wenn die Staaten, deren Alliance zu
gewinnen in Preußens Interesse liegt, zu der festen Ueberzeugung gelangen,
daß sie zu wählen haben, ob Freund oder Feind? so werden viel unnöthige
Worte gespart werden und die Lage der Dinge wird bald aufgeklärt sein.

Aber freilich müssen sie wissen, daß hinter den Worten Ernst liegt.


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[0125] Presse im Einzelnen zu verfolgen, aber wir lernen daraus, wie man sich ge¬ gen England stellen muß, um in gutes Vernehmen mit ihm zu kommen. Seit Jahren war es Dogma der preußischen Politik, daß nur eine eng¬ lische Alliance möglich sei, eine Alliance gegen Frankreich. Die englische Presse und mit ihr das englische Publicum von Lord Pal- merston bis zum gemeinsten Karrenschieber herunter erkannten dies Factum dadurch an. daß sie Deutschland und namentlich Preußen als einen Staat darstellten, der ungefähr auf einer Höhe mit Neapel stehe, der hauptsächlich von den englischen Touristen lebe und zum Dank dafür dieselben ausplündre. Wenn von einer Alliance Englands mit Preußen die Rede ist, rief man uns zu, so halten wir unsere Taschen fest, weil man doch nur von uns betteln, oder uns bestehlen will. Tag aus, Tag ein wurde so in England geredet und die Furcht vor Napoleon hinter dem frechen Hochmuth gegen einen Staat versteckt, den man in der Tasche zu haben glaubte. Nun kommen die beiden Monarchen zusammen, und plötzlich steigt Preu¬ ßens Credit. Wir sind mit einem Male ein ganz ordentliches Boll, noch dazu stammverwandt; die Angelsachsen waren ja auch Preußen! und von einer andern Alliance kann gar nicht die Rede sein, als zwischen England und Preußen. Den Grad unserer Verachtung auszusprechen, ist hier wol überflüssig, und würden keine Worte dafür ausreichen. Aber Preußen kann sich merken — und nicht blos in Bezug auf England — daß es seine Älliancen nicht zu erbetteln, sondern zu erobern hat. Wenn die Staaten, deren Alliance zu gewinnen in Preußens Interesse liegt, zu der festen Ueberzeugung gelangen, daß sie zu wählen haben, ob Freund oder Feind? so werden viel unnöthige Worte gespart werden und die Lage der Dinge wird bald aufgeklärt sein. Aber freilich müssen sie wissen, daß hinter den Worten Ernst liegt. t t 15*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/125>, abgerufen am 29.04.2024.