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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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Wir fügen dem hier Mitgetheilten nur noch Einiges über die drei auf
das Christfest folgenden Festtage, den Tag Johannis des Evangelisten (27. Dec.).
den Tag der unschuldigen Kindlein (28. Dec.), und den Davidstag (30. Dec.)
hinzu. Am Johannistag pflegt man. wie in verschiedenen andern katholischen
Ländern, in den Kirchen Wem weihen zu lassen, der eine heilsame Arznei
für Vieh und Menschen und ein nützlicher Abschiedstrunk bei Reisen sein soll.
Am Tage der unschuldigen Kindlein pflegen die Kinder im Egeriand (wie zu
Aschermittwoch im Meißnischen) mit Ruthen umherzulaufen und die Erwachsnen,
denen sie begegnen, zu peitschen, wofür ihnen eine Gabe gereicht werden muß.
Unter den Czechen dagegen herrscht der Gebrauch, früh am Morgen die noch
in den Betten liegenden Kinder zu fragen: "Wie viel gab es unschuldige
Kindlein?" Wer es nicht weiß, bekommt Schläge und wird daran erinnert,
daß es grade viertausendvierhundertnndvierundvierzig waren. Am Davidstag
endlich muß man Holz fällen, da das an demselben geschlagne einer alten Bauern-
regel zufolge weder von der Fäulniß noch vom Wurm angegriffen wird und
mit jedem Jahr an Härte gewinnt. Die Czechen meinen übrigens, daß König
David nicht in den Himmel gekommen ist, sondern im Monde sist. Wer
aber nach dem Monde aufblickt und iunglücklicherweise gerade einen Augen¬
blick trifft, wo dem heiligen König und Harfenspieler eine Saite springt, der
büßt sofort sein Augenlicht ein.




Der gerechte und vollkommene Austermesser.
^?-/M^' "

Wir kommen zur Naturgeschichte der Austern, in welche ich alles hierher
gehörige Geographische sowie einige Regeln über die beste Aufbewahrung und
Versendung der köstlichen Muschel einschließe.

Die Austern werden von den Naturforschern den kopflosen Mollusken
oder Weichthieren beigezählt, und zwar bilden sie eine der sechs aristokratischen
Familien dieses in Schalen wohnenden Meervolks, welche der Ehre theilhaftig
sind, dem Herrn der Schöpfung zur Speise dienen zu dürfen. Wie andere
adlige Geschlechter zerfallen sie in verschiedene Zweige und Nebenäste, die
sich theils durch den Ort, wo sie sich angesiedelt haben, theils durch ihre


Wir fügen dem hier Mitgetheilten nur noch Einiges über die drei auf
das Christfest folgenden Festtage, den Tag Johannis des Evangelisten (27. Dec.).
den Tag der unschuldigen Kindlein (28. Dec.), und den Davidstag (30. Dec.)
hinzu. Am Johannistag pflegt man. wie in verschiedenen andern katholischen
Ländern, in den Kirchen Wem weihen zu lassen, der eine heilsame Arznei
für Vieh und Menschen und ein nützlicher Abschiedstrunk bei Reisen sein soll.
Am Tage der unschuldigen Kindlein pflegen die Kinder im Egeriand (wie zu
Aschermittwoch im Meißnischen) mit Ruthen umherzulaufen und die Erwachsnen,
denen sie begegnen, zu peitschen, wofür ihnen eine Gabe gereicht werden muß.
Unter den Czechen dagegen herrscht der Gebrauch, früh am Morgen die noch
in den Betten liegenden Kinder zu fragen: „Wie viel gab es unschuldige
Kindlein?" Wer es nicht weiß, bekommt Schläge und wird daran erinnert,
daß es grade viertausendvierhundertnndvierundvierzig waren. Am Davidstag
endlich muß man Holz fällen, da das an demselben geschlagne einer alten Bauern-
regel zufolge weder von der Fäulniß noch vom Wurm angegriffen wird und
mit jedem Jahr an Härte gewinnt. Die Czechen meinen übrigens, daß König
David nicht in den Himmel gekommen ist, sondern im Monde sist. Wer
aber nach dem Monde aufblickt und iunglücklicherweise gerade einen Augen¬
blick trifft, wo dem heiligen König und Harfenspieler eine Saite springt, der
büßt sofort sein Augenlicht ein.




Der gerechte und vollkommene Austermesser.
^?-/M^' »

Wir kommen zur Naturgeschichte der Austern, in welche ich alles hierher
gehörige Geographische sowie einige Regeln über die beste Aufbewahrung und
Versendung der köstlichen Muschel einschließe.

Die Austern werden von den Naturforschern den kopflosen Mollusken
oder Weichthieren beigezählt, und zwar bilden sie eine der sechs aristokratischen
Familien dieses in Schalen wohnenden Meervolks, welche der Ehre theilhaftig
sind, dem Herrn der Schöpfung zur Speise dienen zu dürfen. Wie andere
adlige Geschlechter zerfallen sie in verschiedene Zweige und Nebenäste, die
sich theils durch den Ort, wo sie sich angesiedelt haben, theils durch ihre


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[0464] Wir fügen dem hier Mitgetheilten nur noch Einiges über die drei auf das Christfest folgenden Festtage, den Tag Johannis des Evangelisten (27. Dec.). den Tag der unschuldigen Kindlein (28. Dec.), und den Davidstag (30. Dec.) hinzu. Am Johannistag pflegt man. wie in verschiedenen andern katholischen Ländern, in den Kirchen Wem weihen zu lassen, der eine heilsame Arznei für Vieh und Menschen und ein nützlicher Abschiedstrunk bei Reisen sein soll. Am Tage der unschuldigen Kindlein pflegen die Kinder im Egeriand (wie zu Aschermittwoch im Meißnischen) mit Ruthen umherzulaufen und die Erwachsnen, denen sie begegnen, zu peitschen, wofür ihnen eine Gabe gereicht werden muß. Unter den Czechen dagegen herrscht der Gebrauch, früh am Morgen die noch in den Betten liegenden Kinder zu fragen: „Wie viel gab es unschuldige Kindlein?" Wer es nicht weiß, bekommt Schläge und wird daran erinnert, daß es grade viertausendvierhundertnndvierundvierzig waren. Am Davidstag endlich muß man Holz fällen, da das an demselben geschlagne einer alten Bauern- regel zufolge weder von der Fäulniß noch vom Wurm angegriffen wird und mit jedem Jahr an Härte gewinnt. Die Czechen meinen übrigens, daß König David nicht in den Himmel gekommen ist, sondern im Monde sist. Wer aber nach dem Monde aufblickt und iunglücklicherweise gerade einen Augen¬ blick trifft, wo dem heiligen König und Harfenspieler eine Saite springt, der büßt sofort sein Augenlicht ein. Der gerechte und vollkommene Austermesser. ^?-/M^' » Wir kommen zur Naturgeschichte der Austern, in welche ich alles hierher gehörige Geographische sowie einige Regeln über die beste Aufbewahrung und Versendung der köstlichen Muschel einschließe. Die Austern werden von den Naturforschern den kopflosen Mollusken oder Weichthieren beigezählt, und zwar bilden sie eine der sechs aristokratischen Familien dieses in Schalen wohnenden Meervolks, welche der Ehre theilhaftig sind, dem Herrn der Schöpfung zur Speise dienen zu dürfen. Wie andere adlige Geschlechter zerfallen sie in verschiedene Zweige und Nebenäste, die sich theils durch den Ort, wo sie sich angesiedelt haben, theils durch ihre

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/464>, abgerufen am 26.04.2024.