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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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Das allgemeine deutsche Handelsgesetzbuch.

Die theils schon vollzogene, theils nahe bevorstehende Einführung des
allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuchs in dem größten Theile Deutschlands
wird es rechtfertigen, wenn wir in diesen Blättern nochmals auf dasselbe zu¬
rückkomme".

Die Empfindungen, mit denen das Publicum auf diese neueste That ein¬
heitlich nationaler Gesetzgebung blickt, sind verschiedene, je nachdem bei der
Beurtheilung mehr der politische oder der rein sachliche Gesichtspunkt vor¬
waltet. In politischer Hinsicht lassen sich dieser Schöpfung des Bundestages
hauptsächlich zwei Vorwürfe machen, die --- so verschieden ihre Ausgangs¬
punkte sind -- beide darin übereinstimmen, daß sie, von dem inneren Werthe
des Gesetzes absehend, hauptsächlich gegen die Art des Zustandekommens
desselben gerichtet sind.

In der That können auf der einen Seite die ständischen Vertretungen
der einzelnen deutschen Bundesstaaten, wie dies auch theilweise geschehen ist,
mit Grund darauf hinweisen, daß durch ein legislatorisches Verfahren wie das
bei Abfassung des A.D. H.G.B, eingeschlagne die verfassungsmäßigen
Rechte der Kammern in den einzelnen Staaten wesentlich beeinträchtigt wer¬
den. Denn wenn auch den Kammern formell das Recht gewahrt sei, ein aus
diese Weise durch die Commissäre der einzelnen Regierungen berathenes Ge-
setzeswerk zu verwerfen, so könne doch dem großen Werthe einer einheitlichen
Gesetzgebung gegenüber Niemand daran denken, von diesem Rechte der Ab¬
lehnung wirklich Gebrauch zu machen und es bleibe daher selbst bei den
gegründetsten Bedenken gegen den Inhalt des Gesetzes kaum etwas Anderes
übrig, als den vorgelegten Entwurf einfach "n dive anzunehmen. Ein der¬
artiges Verfahren sei aber namentlich nach den Erfahrungen, die man bezüg¬
lich der Tendenz des Bundestages, seine Machtsphäre auf Kosten der constitu-
tionellen Rechte der einzelnen Landesvertretungen zu erweitern, bereits ander¬
wärts gemacht habe, in hohem Grade bedenklich.

Von der anderen Seite können diejenigen, welche die freie Vereinbarung
Preußens mit den übrigen deutschen Bundesstaaten als die einzige Form be"


Grenzboten I. 1362, 36
Das allgemeine deutsche Handelsgesetzbuch.

Die theils schon vollzogene, theils nahe bevorstehende Einführung des
allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuchs in dem größten Theile Deutschlands
wird es rechtfertigen, wenn wir in diesen Blättern nochmals auf dasselbe zu¬
rückkomme».

Die Empfindungen, mit denen das Publicum auf diese neueste That ein¬
heitlich nationaler Gesetzgebung blickt, sind verschiedene, je nachdem bei der
Beurtheilung mehr der politische oder der rein sachliche Gesichtspunkt vor¬
waltet. In politischer Hinsicht lassen sich dieser Schöpfung des Bundestages
hauptsächlich zwei Vorwürfe machen, die —- so verschieden ihre Ausgangs¬
punkte sind — beide darin übereinstimmen, daß sie, von dem inneren Werthe
des Gesetzes absehend, hauptsächlich gegen die Art des Zustandekommens
desselben gerichtet sind.

In der That können auf der einen Seite die ständischen Vertretungen
der einzelnen deutschen Bundesstaaten, wie dies auch theilweise geschehen ist,
mit Grund darauf hinweisen, daß durch ein legislatorisches Verfahren wie das
bei Abfassung des A.D. H.G.B, eingeschlagne die verfassungsmäßigen
Rechte der Kammern in den einzelnen Staaten wesentlich beeinträchtigt wer¬
den. Denn wenn auch den Kammern formell das Recht gewahrt sei, ein aus
diese Weise durch die Commissäre der einzelnen Regierungen berathenes Ge-
setzeswerk zu verwerfen, so könne doch dem großen Werthe einer einheitlichen
Gesetzgebung gegenüber Niemand daran denken, von diesem Rechte der Ab¬
lehnung wirklich Gebrauch zu machen und es bleibe daher selbst bei den
gegründetsten Bedenken gegen den Inhalt des Gesetzes kaum etwas Anderes
übrig, als den vorgelegten Entwurf einfach «n dive anzunehmen. Ein der¬
artiges Verfahren sei aber namentlich nach den Erfahrungen, die man bezüg¬
lich der Tendenz des Bundestages, seine Machtsphäre auf Kosten der constitu-
tionellen Rechte der einzelnen Landesvertretungen zu erweitern, bereits ander¬
wärts gemacht habe, in hohem Grade bedenklich.

Von der anderen Seite können diejenigen, welche die freie Vereinbarung
Preußens mit den übrigen deutschen Bundesstaaten als die einzige Form be»


Grenzboten I. 1362, 36
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[0289] Das allgemeine deutsche Handelsgesetzbuch. Die theils schon vollzogene, theils nahe bevorstehende Einführung des allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuchs in dem größten Theile Deutschlands wird es rechtfertigen, wenn wir in diesen Blättern nochmals auf dasselbe zu¬ rückkomme». Die Empfindungen, mit denen das Publicum auf diese neueste That ein¬ heitlich nationaler Gesetzgebung blickt, sind verschiedene, je nachdem bei der Beurtheilung mehr der politische oder der rein sachliche Gesichtspunkt vor¬ waltet. In politischer Hinsicht lassen sich dieser Schöpfung des Bundestages hauptsächlich zwei Vorwürfe machen, die —- so verschieden ihre Ausgangs¬ punkte sind — beide darin übereinstimmen, daß sie, von dem inneren Werthe des Gesetzes absehend, hauptsächlich gegen die Art des Zustandekommens desselben gerichtet sind. In der That können auf der einen Seite die ständischen Vertretungen der einzelnen deutschen Bundesstaaten, wie dies auch theilweise geschehen ist, mit Grund darauf hinweisen, daß durch ein legislatorisches Verfahren wie das bei Abfassung des A.D. H.G.B, eingeschlagne die verfassungsmäßigen Rechte der Kammern in den einzelnen Staaten wesentlich beeinträchtigt wer¬ den. Denn wenn auch den Kammern formell das Recht gewahrt sei, ein aus diese Weise durch die Commissäre der einzelnen Regierungen berathenes Ge- setzeswerk zu verwerfen, so könne doch dem großen Werthe einer einheitlichen Gesetzgebung gegenüber Niemand daran denken, von diesem Rechte der Ab¬ lehnung wirklich Gebrauch zu machen und es bleibe daher selbst bei den gegründetsten Bedenken gegen den Inhalt des Gesetzes kaum etwas Anderes übrig, als den vorgelegten Entwurf einfach «n dive anzunehmen. Ein der¬ artiges Verfahren sei aber namentlich nach den Erfahrungen, die man bezüg¬ lich der Tendenz des Bundestages, seine Machtsphäre auf Kosten der constitu- tionellen Rechte der einzelnen Landesvertretungen zu erweitern, bereits ander¬ wärts gemacht habe, in hohem Grade bedenklich. Von der anderen Seite können diejenigen, welche die freie Vereinbarung Preußens mit den übrigen deutschen Bundesstaaten als die einzige Form be» Grenzboten I. 1362, 36

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/289>, abgerufen am 28.04.2024.