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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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Das Wormser Lutherdenkmal.

Sins dem soeben uns übersandten fünften Jahresbericht des Ausschusses des
Luther-Denkmal-Vereins entnehmen wir folgende Thatsachen des mit dem 18. Ja¬
nuar 1862 zu Ende gegangenen letzten Verwaltungsjahrcs.

Die finanziellen Mittel des Vereins haben in dein genannten Zeitraum nicht
unbeträchtlich zugenommen, zu der vorjährigen Gesammtsumme der Einnahmen
von circa 141,""0 Fi. sind theils durch Beiträge, theils durch Verkauf von Ab¬
bildungen des Denkmals, fast 15,000 Fi. hinzugekommen, so daß die Gesammt-
summe der Einnahmen jetzt über 150,000 Fi. beträgt. Noch sehlen etwa 34,000,
doch hofft man dieselben durch weiter eingehende Beiträge, durch Verkauf der noch
übrigen Abbildungen und durch den Zinsenertrag der angelegten Gelder decken zu können.

Die Ausführung des Denkmals, nach Rietschel's Tode dessen Schülern Kietz
und Donndorf anvertraut, schreitet rasch vorwärts. Die Statuen Luther's und
Winkes's wurden noch von Rietschel selbst vollendet, die von Huß und Savanarola
werden in wenigen Wochen ebenfalls fertig fein. Auch die Gußarbcitcn haben in
erfreulicher Weise begonnen, die Lutherstatue ist in der gräflich Einsiedeleien Kunst-
gießcrei zu Lauchhammer glücklich gegossen worden und vollständig gelungen. Die
Granitarbciten, von den Herren Stahlmann und Wölfel in Bayreuth übernommen,
sind im besten Fortgang begriffen. Die Granitblöcke, welche zu den Postamenten,
Stufen und Zinncnmaucrn verwendet werden, sind aus dem Fichtelgebirge schon
großenteils gewonnen, ein Postament ist bereits ganz fertig geschliffen und polirt,-
und mehrere andere sind gleichzeitig in Bearbeitung.

Während nun alle Hände beschäftigt sind, das große protestantische Kunstwerk
seiner Vollendung entgegenzuführen, ist der zur Aufstellung desselben geeignete Platz
noch nicht erworben. Die würdigste und zugleich die schönste Stelle ist zwar ge¬
funden, aber sie steht noch nicht zur Verfügung.

Wenn es früher zweifelhaft schien, in welchem Local Luther vor Kaiser und
Reich gestanden, so ist dies jetzt entschieden. Georg Spalatin, der Freund Luther's
und Geheimschreiber Friedrich's des Weisen, der selbst hier auf dem Reichstag zugegen
war, bezeichnet in seinen Annalen der Reformation mit bestimmten Worten den
"Vischvfshof" als den Ort, wo Luther vor den Fürsten und Ständen des Reichs
sich verantwortet, und nicht minder unzweideutig erzählt es Friedrich Zorn, der
wohlunterrichtete Rector und Chronist der Stadt Worms, der von 1538 bis 1010
lebte. Ebenso sicher ist endlich auch die Thatsache, daß der Bischofshof auf derselben
Stelle sich befunden hat, wo jetzt der Heylsche Garten liegt.

Zu dieser historischen Bedeutung des Platzes kommt aber noch, daß sich in ganz
Worms kein Ort so gut wie dieser zur Aufstellung des Lutherdcnkmals eignet.
Um dasselbe in einem angemessenen Augenwinkel betrachten und überhaupt vollständig
als Ganzes übersehen zu können, ist es nothwendig, daß man von allen Seiten
die doppelte Entfernung, welche die Länge und Breite der Dcnkmalsgrundfläche aus¬
macht, einzunehmen im Stande sei. DicsW das Maß der äußersten Beschränkung,


Das Wormser Lutherdenkmal.

Sins dem soeben uns übersandten fünften Jahresbericht des Ausschusses des
Luther-Denkmal-Vereins entnehmen wir folgende Thatsachen des mit dem 18. Ja¬
nuar 1862 zu Ende gegangenen letzten Verwaltungsjahrcs.

Die finanziellen Mittel des Vereins haben in dein genannten Zeitraum nicht
unbeträchtlich zugenommen, zu der vorjährigen Gesammtsumme der Einnahmen
von circa 141,««0 Fi. sind theils durch Beiträge, theils durch Verkauf von Ab¬
bildungen des Denkmals, fast 15,000 Fi. hinzugekommen, so daß die Gesammt-
summe der Einnahmen jetzt über 150,000 Fi. beträgt. Noch sehlen etwa 34,000,
doch hofft man dieselben durch weiter eingehende Beiträge, durch Verkauf der noch
übrigen Abbildungen und durch den Zinsenertrag der angelegten Gelder decken zu können.

Die Ausführung des Denkmals, nach Rietschel's Tode dessen Schülern Kietz
und Donndorf anvertraut, schreitet rasch vorwärts. Die Statuen Luther's und
Winkes's wurden noch von Rietschel selbst vollendet, die von Huß und Savanarola
werden in wenigen Wochen ebenfalls fertig fein. Auch die Gußarbcitcn haben in
erfreulicher Weise begonnen, die Lutherstatue ist in der gräflich Einsiedeleien Kunst-
gießcrei zu Lauchhammer glücklich gegossen worden und vollständig gelungen. Die
Granitarbciten, von den Herren Stahlmann und Wölfel in Bayreuth übernommen,
sind im besten Fortgang begriffen. Die Granitblöcke, welche zu den Postamenten,
Stufen und Zinncnmaucrn verwendet werden, sind aus dem Fichtelgebirge schon
großenteils gewonnen, ein Postament ist bereits ganz fertig geschliffen und polirt,-
und mehrere andere sind gleichzeitig in Bearbeitung.

Während nun alle Hände beschäftigt sind, das große protestantische Kunstwerk
seiner Vollendung entgegenzuführen, ist der zur Aufstellung desselben geeignete Platz
noch nicht erworben. Die würdigste und zugleich die schönste Stelle ist zwar ge¬
funden, aber sie steht noch nicht zur Verfügung.

Wenn es früher zweifelhaft schien, in welchem Local Luther vor Kaiser und
Reich gestanden, so ist dies jetzt entschieden. Georg Spalatin, der Freund Luther's
und Geheimschreiber Friedrich's des Weisen, der selbst hier auf dem Reichstag zugegen
war, bezeichnet in seinen Annalen der Reformation mit bestimmten Worten den
„Vischvfshof" als den Ort, wo Luther vor den Fürsten und Ständen des Reichs
sich verantwortet, und nicht minder unzweideutig erzählt es Friedrich Zorn, der
wohlunterrichtete Rector und Chronist der Stadt Worms, der von 1538 bis 1010
lebte. Ebenso sicher ist endlich auch die Thatsache, daß der Bischofshof auf derselben
Stelle sich befunden hat, wo jetzt der Heylsche Garten liegt.

Zu dieser historischen Bedeutung des Platzes kommt aber noch, daß sich in ganz
Worms kein Ort so gut wie dieser zur Aufstellung des Lutherdcnkmals eignet.
Um dasselbe in einem angemessenen Augenwinkel betrachten und überhaupt vollständig
als Ganzes übersehen zu können, ist es nothwendig, daß man von allen Seiten
die doppelte Entfernung, welche die Länge und Breite der Dcnkmalsgrundfläche aus¬
macht, einzunehmen im Stande sei. DicsW das Maß der äußersten Beschränkung,


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[0325] Das Wormser Lutherdenkmal. Sins dem soeben uns übersandten fünften Jahresbericht des Ausschusses des Luther-Denkmal-Vereins entnehmen wir folgende Thatsachen des mit dem 18. Ja¬ nuar 1862 zu Ende gegangenen letzten Verwaltungsjahrcs. Die finanziellen Mittel des Vereins haben in dein genannten Zeitraum nicht unbeträchtlich zugenommen, zu der vorjährigen Gesammtsumme der Einnahmen von circa 141,««0 Fi. sind theils durch Beiträge, theils durch Verkauf von Ab¬ bildungen des Denkmals, fast 15,000 Fi. hinzugekommen, so daß die Gesammt- summe der Einnahmen jetzt über 150,000 Fi. beträgt. Noch sehlen etwa 34,000, doch hofft man dieselben durch weiter eingehende Beiträge, durch Verkauf der noch übrigen Abbildungen und durch den Zinsenertrag der angelegten Gelder decken zu können. Die Ausführung des Denkmals, nach Rietschel's Tode dessen Schülern Kietz und Donndorf anvertraut, schreitet rasch vorwärts. Die Statuen Luther's und Winkes's wurden noch von Rietschel selbst vollendet, die von Huß und Savanarola werden in wenigen Wochen ebenfalls fertig fein. Auch die Gußarbcitcn haben in erfreulicher Weise begonnen, die Lutherstatue ist in der gräflich Einsiedeleien Kunst- gießcrei zu Lauchhammer glücklich gegossen worden und vollständig gelungen. Die Granitarbciten, von den Herren Stahlmann und Wölfel in Bayreuth übernommen, sind im besten Fortgang begriffen. Die Granitblöcke, welche zu den Postamenten, Stufen und Zinncnmaucrn verwendet werden, sind aus dem Fichtelgebirge schon großenteils gewonnen, ein Postament ist bereits ganz fertig geschliffen und polirt,- und mehrere andere sind gleichzeitig in Bearbeitung. Während nun alle Hände beschäftigt sind, das große protestantische Kunstwerk seiner Vollendung entgegenzuführen, ist der zur Aufstellung desselben geeignete Platz noch nicht erworben. Die würdigste und zugleich die schönste Stelle ist zwar ge¬ funden, aber sie steht noch nicht zur Verfügung. Wenn es früher zweifelhaft schien, in welchem Local Luther vor Kaiser und Reich gestanden, so ist dies jetzt entschieden. Georg Spalatin, der Freund Luther's und Geheimschreiber Friedrich's des Weisen, der selbst hier auf dem Reichstag zugegen war, bezeichnet in seinen Annalen der Reformation mit bestimmten Worten den „Vischvfshof" als den Ort, wo Luther vor den Fürsten und Ständen des Reichs sich verantwortet, und nicht minder unzweideutig erzählt es Friedrich Zorn, der wohlunterrichtete Rector und Chronist der Stadt Worms, der von 1538 bis 1010 lebte. Ebenso sicher ist endlich auch die Thatsache, daß der Bischofshof auf derselben Stelle sich befunden hat, wo jetzt der Heylsche Garten liegt. Zu dieser historischen Bedeutung des Platzes kommt aber noch, daß sich in ganz Worms kein Ort so gut wie dieser zur Aufstellung des Lutherdcnkmals eignet. Um dasselbe in einem angemessenen Augenwinkel betrachten und überhaupt vollständig als Ganzes übersehen zu können, ist es nothwendig, daß man von allen Seiten die doppelte Entfernung, welche die Länge und Breite der Dcnkmalsgrundfläche aus¬ macht, einzunehmen im Stande sei. DicsW das Maß der äußersten Beschränkung,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/325>, abgerufen am 28.04.2024.