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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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Im Mai 1533 war Anna Boleyn gekrönt. Drei Jahre später, am
19. Mai 1536. siel ihr Haupt auf dem Schaffet. Mit der Darstellung ihres
Processes schließt der bis jetzt vorliegende Abschnitt des Fronde'schen Werkes.
Die grauenhaften Anschuldigungen, welche gegen Anna erhoben wurden, sind
behornt. In späterer Zeit ist die Frage über Anna's Schuld oder Unschuld
eine Parteifrage zwischen Katholiken und Protestanten geworden. Fronde hat
seine Erzählung ausschließlich auf officielle Urkunden und auf die Berichte der
Zeitgenossen begründet. Er ist von Anna's Schuld überzeugt. Wenigstens
die Unwahrscheinlichkeit, daß siebenundzwanzig der vornehmsten Pcnrs des
Reiches und' mehr als fünfzig angesehene Männer sich wissentlich an einem
furchtbaren Justizmord sollten betheiligt haben, hat er genügend nachge¬
wiesen.

Vor Kurzem hat auch Ranke eine Darstellung der englischen Geschichte
im Zeitalter der Reformation geliefert. Ihm ist es, seiner bekannten Weise
entsprechend, die Hauptsache, die Einwirkungen zu verfolgen, welche England
auf die europäischen Verhältnisse ausübte und welche es von diesen empfing.
Fronde dagegen hat sich vorgesetzt, eine Specialgeschichte seines Vaterlandes
vom Beginn der Reformation bis zu ihrer gesicherten Durchführung zu schrei¬
ben. Er verfolgt auch die Entwicklung der innern Zustände mit der den eng¬
lischen Historikern eigenthümlichen Vorliebe für das Detail; er-schildert mit
breiter Farbengebung, zuweilen vielleicht etwas zu ausführlich. Aber durch
eine welthistorisch so bedeutende Zeit wie die Heinrichs des Achten, der ka¬
tholischen Maria und der jungfräulichen Elisabeth wird auch der nichteng-
lischc Leser einem so kundigen Führer gern und aufmerksam folgen.




Museen und Alterthümer in Griechenland.*)

Mu so Sö mi spivZo.

Im Jahre 1799 kam Lord Elgin als englischer Gesandter nach Constan-
tinopel. Vergeblich hatte er sich bemüht das Interesse der britischen Regie¬
rung auf die Kunstschätze Griechenlands zu lenken, welche durch die schwersten
Katastrophen, wie die Belagerung der Venetianer im Jahre 1687, und durch
die fortgesetzten Beschädigungen der Türken, welche das schöne Material zum



"1 Wie aus den Tageblättern bekannt, ist erst vor Kurzem wieder, vom preußischen Ministe¬
rium unterstützt, eine Expedition deutscher Gelehrter, Bötticher und Curtius, nach Griechenland ge¬
reist, um an den dortigen Alterthümern, namentlich den Resten der Pallastempels, Studien zu ma¬
chen, und überhaupt sind die Antiquitäten Griechenlands von der deutschen Wissenschaft noch nicht
D. R.
so vollständig ausgebeutet, als Mancher annehmen mag.

Im Mai 1533 war Anna Boleyn gekrönt. Drei Jahre später, am
19. Mai 1536. siel ihr Haupt auf dem Schaffet. Mit der Darstellung ihres
Processes schließt der bis jetzt vorliegende Abschnitt des Fronde'schen Werkes.
Die grauenhaften Anschuldigungen, welche gegen Anna erhoben wurden, sind
behornt. In späterer Zeit ist die Frage über Anna's Schuld oder Unschuld
eine Parteifrage zwischen Katholiken und Protestanten geworden. Fronde hat
seine Erzählung ausschließlich auf officielle Urkunden und auf die Berichte der
Zeitgenossen begründet. Er ist von Anna's Schuld überzeugt. Wenigstens
die Unwahrscheinlichkeit, daß siebenundzwanzig der vornehmsten Pcnrs des
Reiches und' mehr als fünfzig angesehene Männer sich wissentlich an einem
furchtbaren Justizmord sollten betheiligt haben, hat er genügend nachge¬
wiesen.

Vor Kurzem hat auch Ranke eine Darstellung der englischen Geschichte
im Zeitalter der Reformation geliefert. Ihm ist es, seiner bekannten Weise
entsprechend, die Hauptsache, die Einwirkungen zu verfolgen, welche England
auf die europäischen Verhältnisse ausübte und welche es von diesen empfing.
Fronde dagegen hat sich vorgesetzt, eine Specialgeschichte seines Vaterlandes
vom Beginn der Reformation bis zu ihrer gesicherten Durchführung zu schrei¬
ben. Er verfolgt auch die Entwicklung der innern Zustände mit der den eng¬
lischen Historikern eigenthümlichen Vorliebe für das Detail; er-schildert mit
breiter Farbengebung, zuweilen vielleicht etwas zu ausführlich. Aber durch
eine welthistorisch so bedeutende Zeit wie die Heinrichs des Achten, der ka¬
tholischen Maria und der jungfräulichen Elisabeth wird auch der nichteng-
lischc Leser einem so kundigen Führer gern und aufmerksam folgen.




Museen und Alterthümer in Griechenland.*)

Mu so Sö mi spivZo.

Im Jahre 1799 kam Lord Elgin als englischer Gesandter nach Constan-
tinopel. Vergeblich hatte er sich bemüht das Interesse der britischen Regie¬
rung auf die Kunstschätze Griechenlands zu lenken, welche durch die schwersten
Katastrophen, wie die Belagerung der Venetianer im Jahre 1687, und durch
die fortgesetzten Beschädigungen der Türken, welche das schöne Material zum



"1 Wie aus den Tageblättern bekannt, ist erst vor Kurzem wieder, vom preußischen Ministe¬
rium unterstützt, eine Expedition deutscher Gelehrter, Bötticher und Curtius, nach Griechenland ge¬
reist, um an den dortigen Alterthümern, namentlich den Resten der Pallastempels, Studien zu ma¬
chen, und überhaupt sind die Antiquitäten Griechenlands von der deutschen Wissenschaft noch nicht
D. R.
so vollständig ausgebeutet, als Mancher annehmen mag.
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[0462] Im Mai 1533 war Anna Boleyn gekrönt. Drei Jahre später, am 19. Mai 1536. siel ihr Haupt auf dem Schaffet. Mit der Darstellung ihres Processes schließt der bis jetzt vorliegende Abschnitt des Fronde'schen Werkes. Die grauenhaften Anschuldigungen, welche gegen Anna erhoben wurden, sind behornt. In späterer Zeit ist die Frage über Anna's Schuld oder Unschuld eine Parteifrage zwischen Katholiken und Protestanten geworden. Fronde hat seine Erzählung ausschließlich auf officielle Urkunden und auf die Berichte der Zeitgenossen begründet. Er ist von Anna's Schuld überzeugt. Wenigstens die Unwahrscheinlichkeit, daß siebenundzwanzig der vornehmsten Pcnrs des Reiches und' mehr als fünfzig angesehene Männer sich wissentlich an einem furchtbaren Justizmord sollten betheiligt haben, hat er genügend nachge¬ wiesen. Vor Kurzem hat auch Ranke eine Darstellung der englischen Geschichte im Zeitalter der Reformation geliefert. Ihm ist es, seiner bekannten Weise entsprechend, die Hauptsache, die Einwirkungen zu verfolgen, welche England auf die europäischen Verhältnisse ausübte und welche es von diesen empfing. Fronde dagegen hat sich vorgesetzt, eine Specialgeschichte seines Vaterlandes vom Beginn der Reformation bis zu ihrer gesicherten Durchführung zu schrei¬ ben. Er verfolgt auch die Entwicklung der innern Zustände mit der den eng¬ lischen Historikern eigenthümlichen Vorliebe für das Detail; er-schildert mit breiter Farbengebung, zuweilen vielleicht etwas zu ausführlich. Aber durch eine welthistorisch so bedeutende Zeit wie die Heinrichs des Achten, der ka¬ tholischen Maria und der jungfräulichen Elisabeth wird auch der nichteng- lischc Leser einem so kundigen Führer gern und aufmerksam folgen. Museen und Alterthümer in Griechenland.*) Mu so Sö mi spivZo. Im Jahre 1799 kam Lord Elgin als englischer Gesandter nach Constan- tinopel. Vergeblich hatte er sich bemüht das Interesse der britischen Regie¬ rung auf die Kunstschätze Griechenlands zu lenken, welche durch die schwersten Katastrophen, wie die Belagerung der Venetianer im Jahre 1687, und durch die fortgesetzten Beschädigungen der Türken, welche das schöne Material zum "1 Wie aus den Tageblättern bekannt, ist erst vor Kurzem wieder, vom preußischen Ministe¬ rium unterstützt, eine Expedition deutscher Gelehrter, Bötticher und Curtius, nach Griechenland ge¬ reist, um an den dortigen Alterthümern, namentlich den Resten der Pallastempels, Studien zu ma¬ chen, und überhaupt sind die Antiquitäten Griechenlands von der deutschen Wissenschaft noch nicht D. R. so vollständig ausgebeutet, als Mancher annehmen mag.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/462>, abgerufen am 27.04.2024.