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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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und uns so ein Ersatz geboten werden für den Verlust des naiven Verhältnisses,
in welchem Mittelalter und Renaissance zu den Kunstwerken des classischen
Alterthums standen.




G. Kik'chhliff's Untelsiichungen über dus SmiilcilsMnim.^)

Bekanntlich erblickt man durch ein dreiseitiges Prisma von Glas die da-
hinterliegenden Gegenstände nicht nur in einer anderen Richtung, als ohne das
Prisma, sondern man sieht auch an allen Grenzlinien, wo Schatten und Licht¬
flächen sich berühren, farbige Säume. Durch eine sehr einfache Vorrichtung
hat man aus diesem Spielzeug eines der belehrendsten wissenschaftlichen In¬
strumente gemacht. Verfinstere man ein Zimmer möglichst vollständig und
bringt man in einem der Fensterläden einen feinen, etwa eine halbe Linie wei¬
ten Spalt an, welcher Tageslicht in das finstere Zimmer eintreten läßt und
den wir uns horizontal gelegt denken wollen, so gibt eine Ansicht des Spaltes
durch ein Glaspvisma eine Erscheinung von seltener Farbenpracht; denken wir
uns das Prisma so horizontal vor ein Auge gehalten, daß die eine der hori¬
zontalen Kanten unten liegt, so erblickt man statt des schmalen farblosen Spal¬
tes im Laden ein prachtvoll gefärbtes, senkrecht herabhängendes Band, dessen
Breite der Länge des Spaltes gleich ist. Dieses farbige Band besteht aus
horizontalen, übereinanderliegenden Streifen, deren oberster roth ist, dann in
der Richtung nach unten orange, gelb, grün, blau, violett. Vergleicht man die
scheinbare Lage des farbigen Bandes mit der Lage des leuchtenden Spaltes im
Laden, so bemerkt man, daß jenes viel weiter unten zu liegen scheint, als der
Spalt selbst. Die Sache erklärt sich einfach dadurch, daß das Licht, welches
durch den Spalt zum Prisma kommt, innerhalb des Prismas seine Richtung
ändert, gebrochen wird, und daher in einer anderen Richtung zum Auge gelangt.



-) Obgleich dies Blatt in der Regel die Naturwissenschaft den zahlreichen Zeitschriften
überläßt, welche so energisch und fruchtbringend dieses weite Gebiet menschlicher Bildung
vertreten, darf es sich doch nicht versagen, über einzelne epochemachende Fortschritte, zumal wenn
solche deutschen Gelehrten zu verdanken sind, zu berichten. Die folgende Darstellung beabsichtigt,
den Lesern der Grenzboten die Kenntniß einer Reihe von großen Entdeckungen zu vermitteln,
welche in der letzten Zeit durch die Blätter des Auslandes fast mit wärmerer Theilnahme be¬
gleitet worden sind, als durch die Gebildeten in Deutschland selbst.
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und uns so ein Ersatz geboten werden für den Verlust des naiven Verhältnisses,
in welchem Mittelalter und Renaissance zu den Kunstwerken des classischen
Alterthums standen.




G. Kik'chhliff's Untelsiichungen über dus SmiilcilsMnim.^)

Bekanntlich erblickt man durch ein dreiseitiges Prisma von Glas die da-
hinterliegenden Gegenstände nicht nur in einer anderen Richtung, als ohne das
Prisma, sondern man sieht auch an allen Grenzlinien, wo Schatten und Licht¬
flächen sich berühren, farbige Säume. Durch eine sehr einfache Vorrichtung
hat man aus diesem Spielzeug eines der belehrendsten wissenschaftlichen In¬
strumente gemacht. Verfinstere man ein Zimmer möglichst vollständig und
bringt man in einem der Fensterläden einen feinen, etwa eine halbe Linie wei¬
ten Spalt an, welcher Tageslicht in das finstere Zimmer eintreten läßt und
den wir uns horizontal gelegt denken wollen, so gibt eine Ansicht des Spaltes
durch ein Glaspvisma eine Erscheinung von seltener Farbenpracht; denken wir
uns das Prisma so horizontal vor ein Auge gehalten, daß die eine der hori¬
zontalen Kanten unten liegt, so erblickt man statt des schmalen farblosen Spal¬
tes im Laden ein prachtvoll gefärbtes, senkrecht herabhängendes Band, dessen
Breite der Länge des Spaltes gleich ist. Dieses farbige Band besteht aus
horizontalen, übereinanderliegenden Streifen, deren oberster roth ist, dann in
der Richtung nach unten orange, gelb, grün, blau, violett. Vergleicht man die
scheinbare Lage des farbigen Bandes mit der Lage des leuchtenden Spaltes im
Laden, so bemerkt man, daß jenes viel weiter unten zu liegen scheint, als der
Spalt selbst. Die Sache erklärt sich einfach dadurch, daß das Licht, welches
durch den Spalt zum Prisma kommt, innerhalb des Prismas seine Richtung
ändert, gebrochen wird, und daher in einer anderen Richtung zum Auge gelangt.



-) Obgleich dies Blatt in der Regel die Naturwissenschaft den zahlreichen Zeitschriften
überläßt, welche so energisch und fruchtbringend dieses weite Gebiet menschlicher Bildung
vertreten, darf es sich doch nicht versagen, über einzelne epochemachende Fortschritte, zumal wenn
solche deutschen Gelehrten zu verdanken sind, zu berichten. Die folgende Darstellung beabsichtigt,
den Lesern der Grenzboten die Kenntniß einer Reihe von großen Entdeckungen zu vermitteln,
welche in der letzten Zeit durch die Blätter des Auslandes fast mit wärmerer Theilnahme be¬
gleitet worden sind, als durch die Gebildeten in Deutschland selbst.
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[0507] und uns so ein Ersatz geboten werden für den Verlust des naiven Verhältnisses, in welchem Mittelalter und Renaissance zu den Kunstwerken des classischen Alterthums standen. G. Kik'chhliff's Untelsiichungen über dus SmiilcilsMnim.^) Bekanntlich erblickt man durch ein dreiseitiges Prisma von Glas die da- hinterliegenden Gegenstände nicht nur in einer anderen Richtung, als ohne das Prisma, sondern man sieht auch an allen Grenzlinien, wo Schatten und Licht¬ flächen sich berühren, farbige Säume. Durch eine sehr einfache Vorrichtung hat man aus diesem Spielzeug eines der belehrendsten wissenschaftlichen In¬ strumente gemacht. Verfinstere man ein Zimmer möglichst vollständig und bringt man in einem der Fensterläden einen feinen, etwa eine halbe Linie wei¬ ten Spalt an, welcher Tageslicht in das finstere Zimmer eintreten läßt und den wir uns horizontal gelegt denken wollen, so gibt eine Ansicht des Spaltes durch ein Glaspvisma eine Erscheinung von seltener Farbenpracht; denken wir uns das Prisma so horizontal vor ein Auge gehalten, daß die eine der hori¬ zontalen Kanten unten liegt, so erblickt man statt des schmalen farblosen Spal¬ tes im Laden ein prachtvoll gefärbtes, senkrecht herabhängendes Band, dessen Breite der Länge des Spaltes gleich ist. Dieses farbige Band besteht aus horizontalen, übereinanderliegenden Streifen, deren oberster roth ist, dann in der Richtung nach unten orange, gelb, grün, blau, violett. Vergleicht man die scheinbare Lage des farbigen Bandes mit der Lage des leuchtenden Spaltes im Laden, so bemerkt man, daß jenes viel weiter unten zu liegen scheint, als der Spalt selbst. Die Sache erklärt sich einfach dadurch, daß das Licht, welches durch den Spalt zum Prisma kommt, innerhalb des Prismas seine Richtung ändert, gebrochen wird, und daher in einer anderen Richtung zum Auge gelangt. -) Obgleich dies Blatt in der Regel die Naturwissenschaft den zahlreichen Zeitschriften überläßt, welche so energisch und fruchtbringend dieses weite Gebiet menschlicher Bildung vertreten, darf es sich doch nicht versagen, über einzelne epochemachende Fortschritte, zumal wenn solche deutschen Gelehrten zu verdanken sind, zu berichten. Die folgende Darstellung beabsichtigt, den Lesern der Grenzboten die Kenntniß einer Reihe von großen Entdeckungen zu vermitteln, welche in der letzten Zeit durch die Blätter des Auslandes fast mit wärmerer Theilnahme be¬ gleitet worden sind, als durch die Gebildeten in Deutschland selbst. 63"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/507>, abgerufen am 28.04.2024.