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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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Die Anfänge der pathologischen Anatomie.

Auf keinem Gebiete der Wissenschaften macht sich wM 5>e.r gxün.bliebe
Verfall und die gänzliche Verkommenheit der -eigentlichen.Fstrschpyg während
der ruhelosen Zeiten des 'Mittelalters .so .grell und auffallend geltend, wie auf
dem >Geviote der wissenschaftlichen Medicin. Ermißt.man die großen Fort¬
schritte, .welche -das Alterthum bereits Auf diesem Felde gemacht hatte, und da¬
gegen die lange -Zeit, -welche verfloß, .ehe man nur wieder da anlangte, wo die
Alten stehen geblieben waren, so begreift man kaum, wie ein solcher Rückschritt
möglich wurde. Denn -in ,d.er That harren die Griechen nickt blos in d,er
Philosophie, wie.dies allgemein anerkannt ist, sondern ques in allen denjenigen
Fächern, welche zunächst.nur eine r.ein.e und unbefangene Beobachtung zu ihrer
Begründung voraussetzen, also in der Mathematik, in den Naturwissenschaften,
und ganz besonders in der Medicin nach allen Richtungen hin den Grund
für eine wahrhaft .wissenschaftliche Bearbeitung vorbereitet; ja sie hatten den
Aufbau-der.empirischen Wissenschaften in so .glänzender Weise begonnen, daß
es sich noch heute d.er Mühe lohnt, ihren Wegen .nachzugehen. Freilich wächst
heutzutage die Masse des zu bewältigenden Materials so rasch, es vervielfälti¬
gen-sich ,ti.e mechanischen.Hilfsmittel der Beobachtung alljährlich so sehr, daß
die -meisten Bearbeiter über der Fülle des Stoffs den Sinn für reine historische
Behandlung einbüßen und über den oft engen Kreis ihres Beobachtungsseldes
kaum hinausschauen. .So sehr nun dadurch der Fortschritt im Einzelnen ge¬
fördert -wird., .so ,d,.ars doch der Zusammenhang der Einzelforschung mit der
gesammten Bildung des menschlichen Geschlechts nicht ohne Gefahr aus dem
.Auge verloren werden, und ein solcher wird stets durch die historische Betrach¬
tung am besten vernuttelt. Aber auch für die Zukunft der Wissenschaft hat
diese Betrachtungsweise ihre erhebliche Bedeutung. Bedenkt man nämlich wie
nach der Blüthe >de.s classischen Alterthums ein Stillstand von nahezu anderthalb
Jahrtausenden einzutreten vermochte: so drängt sich ganz natürlich neben der
Frage, wodurch ein solcher Verfall bedingt wurde, die auf, ob wir nicht selbst ein¬
mal einer solchen gänzlichen Umkehr der Wissenschaften von Neuem entgegen¬
gehen können. Diese Fragen für das Gebiet der wissenschaftlichen Medicin
etwas -näher zu erörtern, ist der Zweck der vorliegenden Untersuchung.

Abgesehn von denjenigen Ursachen, welche ziemlich gleichmäßig alle Wissen¬
schaften trafen und sie auf eine kümmerliche Fristung ihrer Existenz in den
Klosterschulen zurückdrängten, lag die Ursache des/Verfalls der Medicin vorzugs¬
weise in der gänzlichen Vernachlässigung der Anatomie. Ehe an den Ausbau
wissenschaftlicher Theorien gedacht werden kann, handelt es sich in allen empi-


Die Anfänge der pathologischen Anatomie.

Auf keinem Gebiete der Wissenschaften macht sich wM 5>e.r gxün.bliebe
Verfall und die gänzliche Verkommenheit der -eigentlichen.Fstrschpyg während
der ruhelosen Zeiten des 'Mittelalters .so .grell und auffallend geltend, wie auf
dem >Geviote der wissenschaftlichen Medicin. Ermißt.man die großen Fort¬
schritte, .welche -das Alterthum bereits Auf diesem Felde gemacht hatte, und da¬
gegen die lange -Zeit, -welche verfloß, .ehe man nur wieder da anlangte, wo die
Alten stehen geblieben waren, so begreift man kaum, wie ein solcher Rückschritt
möglich wurde. Denn -in ,d.er That harren die Griechen nickt blos in d,er
Philosophie, wie.dies allgemein anerkannt ist, sondern ques in allen denjenigen
Fächern, welche zunächst.nur eine r.ein.e und unbefangene Beobachtung zu ihrer
Begründung voraussetzen, also in der Mathematik, in den Naturwissenschaften,
und ganz besonders in der Medicin nach allen Richtungen hin den Grund
für eine wahrhaft .wissenschaftliche Bearbeitung vorbereitet; ja sie hatten den
Aufbau-der.empirischen Wissenschaften in so .glänzender Weise begonnen, daß
es sich noch heute d.er Mühe lohnt, ihren Wegen .nachzugehen. Freilich wächst
heutzutage die Masse des zu bewältigenden Materials so rasch, es vervielfälti¬
gen-sich ,ti.e mechanischen.Hilfsmittel der Beobachtung alljährlich so sehr, daß
die -meisten Bearbeiter über der Fülle des Stoffs den Sinn für reine historische
Behandlung einbüßen und über den oft engen Kreis ihres Beobachtungsseldes
kaum hinausschauen. .So sehr nun dadurch der Fortschritt im Einzelnen ge¬
fördert -wird., .so ,d,.ars doch der Zusammenhang der Einzelforschung mit der
gesammten Bildung des menschlichen Geschlechts nicht ohne Gefahr aus dem
.Auge verloren werden, und ein solcher wird stets durch die historische Betrach¬
tung am besten vernuttelt. Aber auch für die Zukunft der Wissenschaft hat
diese Betrachtungsweise ihre erhebliche Bedeutung. Bedenkt man nämlich wie
nach der Blüthe >de.s classischen Alterthums ein Stillstand von nahezu anderthalb
Jahrtausenden einzutreten vermochte: so drängt sich ganz natürlich neben der
Frage, wodurch ein solcher Verfall bedingt wurde, die auf, ob wir nicht selbst ein¬
mal einer solchen gänzlichen Umkehr der Wissenschaften von Neuem entgegen¬
gehen können. Diese Fragen für das Gebiet der wissenschaftlichen Medicin
etwas -näher zu erörtern, ist der Zweck der vorliegenden Untersuchung.

Abgesehn von denjenigen Ursachen, welche ziemlich gleichmäßig alle Wissen¬
schaften trafen und sie auf eine kümmerliche Fristung ihrer Existenz in den
Klosterschulen zurückdrängten, lag die Ursache des/Verfalls der Medicin vorzugs¬
weise in der gänzlichen Vernachlässigung der Anatomie. Ehe an den Ausbau
wissenschaftlicher Theorien gedacht werden kann, handelt es sich in allen empi-


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[0416] Die Anfänge der pathologischen Anatomie. Auf keinem Gebiete der Wissenschaften macht sich wM 5>e.r gxün.bliebe Verfall und die gänzliche Verkommenheit der -eigentlichen.Fstrschpyg während der ruhelosen Zeiten des 'Mittelalters .so .grell und auffallend geltend, wie auf dem >Geviote der wissenschaftlichen Medicin. Ermißt.man die großen Fort¬ schritte, .welche -das Alterthum bereits Auf diesem Felde gemacht hatte, und da¬ gegen die lange -Zeit, -welche verfloß, .ehe man nur wieder da anlangte, wo die Alten stehen geblieben waren, so begreift man kaum, wie ein solcher Rückschritt möglich wurde. Denn -in ,d.er That harren die Griechen nickt blos in d,er Philosophie, wie.dies allgemein anerkannt ist, sondern ques in allen denjenigen Fächern, welche zunächst.nur eine r.ein.e und unbefangene Beobachtung zu ihrer Begründung voraussetzen, also in der Mathematik, in den Naturwissenschaften, und ganz besonders in der Medicin nach allen Richtungen hin den Grund für eine wahrhaft .wissenschaftliche Bearbeitung vorbereitet; ja sie hatten den Aufbau-der.empirischen Wissenschaften in so .glänzender Weise begonnen, daß es sich noch heute d.er Mühe lohnt, ihren Wegen .nachzugehen. Freilich wächst heutzutage die Masse des zu bewältigenden Materials so rasch, es vervielfälti¬ gen-sich ,ti.e mechanischen.Hilfsmittel der Beobachtung alljährlich so sehr, daß die -meisten Bearbeiter über der Fülle des Stoffs den Sinn für reine historische Behandlung einbüßen und über den oft engen Kreis ihres Beobachtungsseldes kaum hinausschauen. .So sehr nun dadurch der Fortschritt im Einzelnen ge¬ fördert -wird., .so ,d,.ars doch der Zusammenhang der Einzelforschung mit der gesammten Bildung des menschlichen Geschlechts nicht ohne Gefahr aus dem .Auge verloren werden, und ein solcher wird stets durch die historische Betrach¬ tung am besten vernuttelt. Aber auch für die Zukunft der Wissenschaft hat diese Betrachtungsweise ihre erhebliche Bedeutung. Bedenkt man nämlich wie nach der Blüthe >de.s classischen Alterthums ein Stillstand von nahezu anderthalb Jahrtausenden einzutreten vermochte: so drängt sich ganz natürlich neben der Frage, wodurch ein solcher Verfall bedingt wurde, die auf, ob wir nicht selbst ein¬ mal einer solchen gänzlichen Umkehr der Wissenschaften von Neuem entgegen¬ gehen können. Diese Fragen für das Gebiet der wissenschaftlichen Medicin etwas -näher zu erörtern, ist der Zweck der vorliegenden Untersuchung. Abgesehn von denjenigen Ursachen, welche ziemlich gleichmäßig alle Wissen¬ schaften trafen und sie auf eine kümmerliche Fristung ihrer Existenz in den Klosterschulen zurückdrängten, lag die Ursache des/Verfalls der Medicin vorzugs¬ weise in der gänzlichen Vernachlässigung der Anatomie. Ehe an den Ausbau wissenschaftlicher Theorien gedacht werden kann, handelt es sich in allen empi-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/416>, abgerufen am 02.05.2024.