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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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Theile der Grenztruppen nach Slavonien zu disponiren, woselbst die Mehr¬
zahl der Soldaten sogleich nach Hause entlassen wurde. Von da an konnten
die Leistungen der Grenzer sowohl der Zahl der im Felde erscheinenden Trup¬
pen, als auch den von denselben ausgeführten Unternehmungen nach, als ziem¬
lich unbedeutend betrachtet werden.




^le Bimdesresmn und der ruhige Bürger.

Die Verfassung des deutschen Bundes zu verbessern, sind viele Federn be¬
schäftigt in Ccibinetcn, Redactionen und in den stillen Arbeitszimmern der Ge¬
lehrten. Auch das geflügelte Wort dringt von Rednerbühnen, Lehrstühlen, aus
Versammlungen zu den Hörern. Zum Gelingen fehlt nur noch eine Kleinig¬
keit - die That.

Noch ist kein Vorschlag aufgetaucht, der bei so vielen und so großen
Bundesgliedern Zustimmung gefunden hätte, daß am Ende alle ihn hätten
annehmen müssen. Noch bestehen die Bundes- und die Wiener Schlußacte un¬
verändert wie von Anbeginn I8l6 und 1820; nur die Bundescontingente sind
durch eine Interpretation der Bundeskriegsverfassung ein wenig in die Hohe
geschraubt worden.

Da inzwischen die deutschen Stämme einander nicht mit Krieg überzogen
haben, auch von keinem äußern feinde in ihren Bundesgrenzen angefallen
worden sind; da die Bundesacte sie nicht verhindert hat, Zollschranken aufzu¬
heben, Landesverfassungen einzuführen, Wechsel und Handelsgesetze zu erlassen,
Eisenbahn- und Telegraphen-Verträge, ja sogar Handelsverträge mit China und
Japan abzuschließen: so konnte man denken, daß die Verfassung des Bundes
ihre Schuldigkeit ausreichend gethan habe und einer Verbesserung nicht dringend '
bedürfe. Dieser Ansicht steht außerdem die Erfahrung zur Seite, welche lehrte,
daß nach dem mißlungenen Versuche, eine Reichsverfassung einzuführen, der
Bundestag sich wieder einfand. "Er zählt die Häupter seiner Lieben, und sieh',
ihm fehlt kein theures Haupt."

Fragt man endlich die Bundesglieder selbst, die souveränen Fürsten und
freien Städte, so werden gewiß nur sehr wenige, wenn sie aufrichtig sein wol¬
len, eine starke Sehnsucht nach einer neuen Bundesverfassung kund geben. Die
hohen Senate von Hamburg, Bremen, Lübeck und Frankfurt würden, wenn


Theile der Grenztruppen nach Slavonien zu disponiren, woselbst die Mehr¬
zahl der Soldaten sogleich nach Hause entlassen wurde. Von da an konnten
die Leistungen der Grenzer sowohl der Zahl der im Felde erscheinenden Trup¬
pen, als auch den von denselben ausgeführten Unternehmungen nach, als ziem¬
lich unbedeutend betrachtet werden.




^le Bimdesresmn und der ruhige Bürger.

Die Verfassung des deutschen Bundes zu verbessern, sind viele Federn be¬
schäftigt in Ccibinetcn, Redactionen und in den stillen Arbeitszimmern der Ge¬
lehrten. Auch das geflügelte Wort dringt von Rednerbühnen, Lehrstühlen, aus
Versammlungen zu den Hörern. Zum Gelingen fehlt nur noch eine Kleinig¬
keit - die That.

Noch ist kein Vorschlag aufgetaucht, der bei so vielen und so großen
Bundesgliedern Zustimmung gefunden hätte, daß am Ende alle ihn hätten
annehmen müssen. Noch bestehen die Bundes- und die Wiener Schlußacte un¬
verändert wie von Anbeginn I8l6 und 1820; nur die Bundescontingente sind
durch eine Interpretation der Bundeskriegsverfassung ein wenig in die Hohe
geschraubt worden.

Da inzwischen die deutschen Stämme einander nicht mit Krieg überzogen
haben, auch von keinem äußern feinde in ihren Bundesgrenzen angefallen
worden sind; da die Bundesacte sie nicht verhindert hat, Zollschranken aufzu¬
heben, Landesverfassungen einzuführen, Wechsel und Handelsgesetze zu erlassen,
Eisenbahn- und Telegraphen-Verträge, ja sogar Handelsverträge mit China und
Japan abzuschließen: so konnte man denken, daß die Verfassung des Bundes
ihre Schuldigkeit ausreichend gethan habe und einer Verbesserung nicht dringend '
bedürfe. Dieser Ansicht steht außerdem die Erfahrung zur Seite, welche lehrte,
daß nach dem mißlungenen Versuche, eine Reichsverfassung einzuführen, der
Bundestag sich wieder einfand. „Er zählt die Häupter seiner Lieben, und sieh',
ihm fehlt kein theures Haupt."

Fragt man endlich die Bundesglieder selbst, die souveränen Fürsten und
freien Städte, so werden gewiß nur sehr wenige, wenn sie aufrichtig sein wol¬
len, eine starke Sehnsucht nach einer neuen Bundesverfassung kund geben. Die
hohen Senate von Hamburg, Bremen, Lübeck und Frankfurt würden, wenn


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[0020] Theile der Grenztruppen nach Slavonien zu disponiren, woselbst die Mehr¬ zahl der Soldaten sogleich nach Hause entlassen wurde. Von da an konnten die Leistungen der Grenzer sowohl der Zahl der im Felde erscheinenden Trup¬ pen, als auch den von denselben ausgeführten Unternehmungen nach, als ziem¬ lich unbedeutend betrachtet werden. ^le Bimdesresmn und der ruhige Bürger. Die Verfassung des deutschen Bundes zu verbessern, sind viele Federn be¬ schäftigt in Ccibinetcn, Redactionen und in den stillen Arbeitszimmern der Ge¬ lehrten. Auch das geflügelte Wort dringt von Rednerbühnen, Lehrstühlen, aus Versammlungen zu den Hörern. Zum Gelingen fehlt nur noch eine Kleinig¬ keit - die That. Noch ist kein Vorschlag aufgetaucht, der bei so vielen und so großen Bundesgliedern Zustimmung gefunden hätte, daß am Ende alle ihn hätten annehmen müssen. Noch bestehen die Bundes- und die Wiener Schlußacte un¬ verändert wie von Anbeginn I8l6 und 1820; nur die Bundescontingente sind durch eine Interpretation der Bundeskriegsverfassung ein wenig in die Hohe geschraubt worden. Da inzwischen die deutschen Stämme einander nicht mit Krieg überzogen haben, auch von keinem äußern feinde in ihren Bundesgrenzen angefallen worden sind; da die Bundesacte sie nicht verhindert hat, Zollschranken aufzu¬ heben, Landesverfassungen einzuführen, Wechsel und Handelsgesetze zu erlassen, Eisenbahn- und Telegraphen-Verträge, ja sogar Handelsverträge mit China und Japan abzuschließen: so konnte man denken, daß die Verfassung des Bundes ihre Schuldigkeit ausreichend gethan habe und einer Verbesserung nicht dringend ' bedürfe. Dieser Ansicht steht außerdem die Erfahrung zur Seite, welche lehrte, daß nach dem mißlungenen Versuche, eine Reichsverfassung einzuführen, der Bundestag sich wieder einfand. „Er zählt die Häupter seiner Lieben, und sieh', ihm fehlt kein theures Haupt." Fragt man endlich die Bundesglieder selbst, die souveränen Fürsten und freien Städte, so werden gewiß nur sehr wenige, wenn sie aufrichtig sein wol¬ len, eine starke Sehnsucht nach einer neuen Bundesverfassung kund geben. Die hohen Senate von Hamburg, Bremen, Lübeck und Frankfurt würden, wenn

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/20>, abgerufen am 05.05.2024.