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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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wir sie anders recht kennen, lieber von den alten Bundespflichten, als da sind
Matricularbeiträge. Contingente u, drgl. etwas abgeben, als neues hinzu¬
nehmen, was größere Leistungen zur Folge haben könnte. Die Könige der
Niederlande und von Dänemark würden lieber heute als morgen Holstein-
Laucnburg und Luxemburg-Limburg aus dem deutschen Verbände ziehen, und
wenn sie ihre geringen Beiträge in die Bundcscasse zahlen, so weiß doch nie¬
mand besser als die Bundes-Militär-Commission. daß aus die betreffenden Kon¬
tingente bei einem Aufgebote nicht zu zählen ist, wenn man sich nicht in der
Lage befindet, sie mit Gewalt herbeizuholen. Der Kaiser von Oestreich und
der König von Preußen brauchen den Bund zur Stärkung ihrer europäischen
Machtstellung, jeder wünscht, die Mehrheit am Bundestag für sich zu haben,
keiner von beiden läßt Mehrheitsbeschlüsse gegen sich gelten. Für dieses Ver¬
hältniß gibt es keine bessere Verfassung als die alte Bundesacte. Auch die
übrigen Könige und Fürsten mit sehr wenigen Ausnahmen, sehen das hohe
Gut der Souveränetät am besten in diesem Documente gewahrt. Früher ha¬
ben sie ihre Gesandten in Frankfurt mit der Unterdrückung liberaler Bestre¬
bungen, mit der Verfolgung von Professoren, Studenten und Handwerksburschen
beschäftigt; gegenwärtig scheinen sie nicht abgeneigt, dem Bundestag einen Zu¬
satz von Volksvertretern zugeben, um damit den großgewachsenen Liberalismus
abzufinden, und das Wesentliche des Bundesvertrags, die Louvsrlunete Mins
et enkiöl'L, wie man sich >"!5 in Wien ausdrückte, zu retten. Es ist sogar
bequem für die Minister, wenn Geldbewilligungen für Bundcszwecke. Be¬
rathungen über gemeinsame Gesetze und Einrichtungen den Einzelkammern ent¬
zogen und einer aus ihnen heraussiltrirten Versammlung in Frankfurt über¬
tragen würden, in welcher die Stämme auf einander platzen und sich gegenseitig
neutralisiren.

Im Art. 13 der Bundesacte sind den Völkern Deutschlands landständische
Verfassungen zugesichert. Die Reue über diese Concession trat schon bei den
Karlsbader Konferenzen zu Tage, und man berieth über die Mittel, den Gefah¬
ren derselben vorzubeugen, nämlich der Volkssouveränetät und dem Aufkommen
von Demagogen. Nur der würtenbergische Minister'des Auswärtigen. Herr
v. Winzingerode, äußerte in einer Erläuterung, die er vorlas, die aber nicht
zu Protokoll genommen wurde, die Regierungen hätten selbst die Anerkennung
der Volkssouveränetät ausgesprochen, gegen diese Gefahr gebe es kein Mittel
mehr. "Die Partie ist angefangen, die Regierungen haben diesen polirt ver¬
geben zu können geglaubt, die Partie muh ausgespielt werden." Dies
ist denn auch geschehen, die beiden Großstaaten, welche den Art. 13 ein
Menschenalter und länger ignorirt hatten, sind in die Reihe der constitutionellen
Staaten eingetreten, andern waren schon früher Verfassungen abgetrotzt wor¬
den, die ersten, welche sofort aus freien Stücken dem Artikel 13 Folge ge-


wir sie anders recht kennen, lieber von den alten Bundespflichten, als da sind
Matricularbeiträge. Contingente u, drgl. etwas abgeben, als neues hinzu¬
nehmen, was größere Leistungen zur Folge haben könnte. Die Könige der
Niederlande und von Dänemark würden lieber heute als morgen Holstein-
Laucnburg und Luxemburg-Limburg aus dem deutschen Verbände ziehen, und
wenn sie ihre geringen Beiträge in die Bundcscasse zahlen, so weiß doch nie¬
mand besser als die Bundes-Militär-Commission. daß aus die betreffenden Kon¬
tingente bei einem Aufgebote nicht zu zählen ist, wenn man sich nicht in der
Lage befindet, sie mit Gewalt herbeizuholen. Der Kaiser von Oestreich und
der König von Preußen brauchen den Bund zur Stärkung ihrer europäischen
Machtstellung, jeder wünscht, die Mehrheit am Bundestag für sich zu haben,
keiner von beiden läßt Mehrheitsbeschlüsse gegen sich gelten. Für dieses Ver¬
hältniß gibt es keine bessere Verfassung als die alte Bundesacte. Auch die
übrigen Könige und Fürsten mit sehr wenigen Ausnahmen, sehen das hohe
Gut der Souveränetät am besten in diesem Documente gewahrt. Früher ha¬
ben sie ihre Gesandten in Frankfurt mit der Unterdrückung liberaler Bestre¬
bungen, mit der Verfolgung von Professoren, Studenten und Handwerksburschen
beschäftigt; gegenwärtig scheinen sie nicht abgeneigt, dem Bundestag einen Zu¬
satz von Volksvertretern zugeben, um damit den großgewachsenen Liberalismus
abzufinden, und das Wesentliche des Bundesvertrags, die Louvsrlunete Mins
et enkiöl'L, wie man sich >«!5 in Wien ausdrückte, zu retten. Es ist sogar
bequem für die Minister, wenn Geldbewilligungen für Bundcszwecke. Be¬
rathungen über gemeinsame Gesetze und Einrichtungen den Einzelkammern ent¬
zogen und einer aus ihnen heraussiltrirten Versammlung in Frankfurt über¬
tragen würden, in welcher die Stämme auf einander platzen und sich gegenseitig
neutralisiren.

Im Art. 13 der Bundesacte sind den Völkern Deutschlands landständische
Verfassungen zugesichert. Die Reue über diese Concession trat schon bei den
Karlsbader Konferenzen zu Tage, und man berieth über die Mittel, den Gefah¬
ren derselben vorzubeugen, nämlich der Volkssouveränetät und dem Aufkommen
von Demagogen. Nur der würtenbergische Minister'des Auswärtigen. Herr
v. Winzingerode, äußerte in einer Erläuterung, die er vorlas, die aber nicht
zu Protokoll genommen wurde, die Regierungen hätten selbst die Anerkennung
der Volkssouveränetät ausgesprochen, gegen diese Gefahr gebe es kein Mittel
mehr. „Die Partie ist angefangen, die Regierungen haben diesen polirt ver¬
geben zu können geglaubt, die Partie muh ausgespielt werden." Dies
ist denn auch geschehen, die beiden Großstaaten, welche den Art. 13 ein
Menschenalter und länger ignorirt hatten, sind in die Reihe der constitutionellen
Staaten eingetreten, andern waren schon früher Verfassungen abgetrotzt wor¬
den, die ersten, welche sofort aus freien Stücken dem Artikel 13 Folge ge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/21>, abgerufen am 24.05.2024.