Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Truppen der Militärgrenze.
i.

Unter den mannigfachen Bewegungen, welche Oestreich in den letzten zwei
Jahren erschütterten, spielte auch die Frage über die Auflösung oder Beibehal¬
tung des Militärgrenzinstitutes eine hervorragende Rolle.

Mit stürmischer Heftigkeit verlangte der kroatisch-slavonische Landtag die
unverzügliche Auflösung des Grenzverbandes und die Vereinigung der verschie¬
denen Regimentsbezirkc mit ihren Nachbarprovinzen, während die Regierung ihr
Terrain mit unerschütterlicher Zähigkeit behauptete, die Fortdauer des dermaligen
Zustandes als mit der Wohlfahrt der Gesammtmonarchie untrennbar verbunden
erklärte, selbst die unbedeutendsten Reformen nur theilweise und zögernd bewil¬
ligte und endlich durch die Auflösung des kroatisch-slavonischen Landtages allen
weitern Debatten und Petitionen, wenigstens für die nächste Zeit, ein Ende
machte. Auch die wenigen aus der Militärgrenze selbst ertönender Stimmen
waren getheilt, und merkwürdiger Weise überwog die Zahl jener, welche sich
als Freunde des Bestehenden erklärten, die Partei der nach einer Aenderung
ihrer Verhältnisse sich Sehnender. Bei näherer Betrachtung mögen freilich die
Anschauungen jener Männer aus der Militärgrenze, welche mit ihrer Meinung
vor die Oeffentlickkeit traten, nicht als unbefangen und vorurtheilsfrei erscheinen.
Denn es waren zumeist Offiziere und Beamte, welche der einer Aenderung
vieles zu verlieren und nichts zu gewinnen glaubten.

Sowohl die Mitglieder des Landtages als auch die Regierung in Wien
nahmen das historische Recht bei der Vertheidigung ihrer Forderungen in An¬
spruch. Außerdem aber wiesen erstere auf die dem Grenzgebiete aufgebürdete
ungerechte "Blutsteuer" (womit man die allgemeine Wehrpflicht bezeichnete), auf
den unerträglichen Zustand des unter dem fürchterlichsten Militärdespotismus
schmachtenden und darum in seiner geistigen und materiellen Entwicklung zurück¬
bleibenden Landes und endlich auf die ungeheuern Mehrabgaben hin, welche
den andern Provinzen durch die Erhaltung der ausschließlich dem Militärdienste
gewidmeten und von fast allen Abgaben befreiten Bevölkerung eines ganzen
Landes erwachse. Den heimlichem und offenen Gegnern der östreichischen Ne-


Grenzboten III. 1862. 1
Die Truppen der Militärgrenze.
i.

Unter den mannigfachen Bewegungen, welche Oestreich in den letzten zwei
Jahren erschütterten, spielte auch die Frage über die Auflösung oder Beibehal¬
tung des Militärgrenzinstitutes eine hervorragende Rolle.

Mit stürmischer Heftigkeit verlangte der kroatisch-slavonische Landtag die
unverzügliche Auflösung des Grenzverbandes und die Vereinigung der verschie¬
denen Regimentsbezirkc mit ihren Nachbarprovinzen, während die Regierung ihr
Terrain mit unerschütterlicher Zähigkeit behauptete, die Fortdauer des dermaligen
Zustandes als mit der Wohlfahrt der Gesammtmonarchie untrennbar verbunden
erklärte, selbst die unbedeutendsten Reformen nur theilweise und zögernd bewil¬
ligte und endlich durch die Auflösung des kroatisch-slavonischen Landtages allen
weitern Debatten und Petitionen, wenigstens für die nächste Zeit, ein Ende
machte. Auch die wenigen aus der Militärgrenze selbst ertönender Stimmen
waren getheilt, und merkwürdiger Weise überwog die Zahl jener, welche sich
als Freunde des Bestehenden erklärten, die Partei der nach einer Aenderung
ihrer Verhältnisse sich Sehnender. Bei näherer Betrachtung mögen freilich die
Anschauungen jener Männer aus der Militärgrenze, welche mit ihrer Meinung
vor die Oeffentlickkeit traten, nicht als unbefangen und vorurtheilsfrei erscheinen.
Denn es waren zumeist Offiziere und Beamte, welche der einer Aenderung
vieles zu verlieren und nichts zu gewinnen glaubten.

Sowohl die Mitglieder des Landtages als auch die Regierung in Wien
nahmen das historische Recht bei der Vertheidigung ihrer Forderungen in An¬
spruch. Außerdem aber wiesen erstere auf die dem Grenzgebiete aufgebürdete
ungerechte „Blutsteuer" (womit man die allgemeine Wehrpflicht bezeichnete), auf
den unerträglichen Zustand des unter dem fürchterlichsten Militärdespotismus
schmachtenden und darum in seiner geistigen und materiellen Entwicklung zurück¬
bleibenden Landes und endlich auf die ungeheuern Mehrabgaben hin, welche
den andern Provinzen durch die Erhaltung der ausschließlich dem Militärdienste
gewidmeten und von fast allen Abgaben befreiten Bevölkerung eines ganzen
Landes erwachse. Den heimlichem und offenen Gegnern der östreichischen Ne-


Grenzboten III. 1862. 1
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0009" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114323"/>
            </div>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die Truppen der Militärgrenze.</head><lb/>
          <div n="2">
            <head> i.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_7"> Unter den mannigfachen Bewegungen, welche Oestreich in den letzten zwei<lb/>
Jahren erschütterten, spielte auch die Frage über die Auflösung oder Beibehal¬<lb/>
tung des Militärgrenzinstitutes eine hervorragende Rolle.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_8"> Mit stürmischer Heftigkeit verlangte der kroatisch-slavonische Landtag die<lb/>
unverzügliche Auflösung des Grenzverbandes und die Vereinigung der verschie¬<lb/>
denen Regimentsbezirkc mit ihren Nachbarprovinzen, während die Regierung ihr<lb/>
Terrain mit unerschütterlicher Zähigkeit behauptete, die Fortdauer des dermaligen<lb/>
Zustandes als mit der Wohlfahrt der Gesammtmonarchie untrennbar verbunden<lb/>
erklärte, selbst die unbedeutendsten Reformen nur theilweise und zögernd bewil¬<lb/>
ligte und endlich durch die Auflösung des kroatisch-slavonischen Landtages allen<lb/>
weitern Debatten und Petitionen, wenigstens für die nächste Zeit, ein Ende<lb/>
machte. Auch die wenigen aus der Militärgrenze selbst ertönender Stimmen<lb/>
waren getheilt, und merkwürdiger Weise überwog die Zahl jener, welche sich<lb/>
als Freunde des Bestehenden erklärten, die Partei der nach einer Aenderung<lb/>
ihrer Verhältnisse sich Sehnender. Bei näherer Betrachtung mögen freilich die<lb/>
Anschauungen jener Männer aus der Militärgrenze, welche mit ihrer Meinung<lb/>
vor die Oeffentlickkeit traten, nicht als unbefangen und vorurtheilsfrei erscheinen.<lb/>
Denn es waren zumeist Offiziere und Beamte, welche der einer Aenderung<lb/>
vieles zu verlieren und nichts zu gewinnen glaubten.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_9" next="#ID_10"> Sowohl die Mitglieder des Landtages als auch die Regierung in Wien<lb/>
nahmen das historische Recht bei der Vertheidigung ihrer Forderungen in An¬<lb/>
spruch. Außerdem aber wiesen erstere auf die dem Grenzgebiete aufgebürdete<lb/>
ungerechte &#x201E;Blutsteuer" (womit man die allgemeine Wehrpflicht bezeichnete), auf<lb/>
den unerträglichen Zustand des unter dem fürchterlichsten Militärdespotismus<lb/>
schmachtenden und darum in seiner geistigen und materiellen Entwicklung zurück¬<lb/>
bleibenden Landes und endlich auf die ungeheuern Mehrabgaben hin, welche<lb/>
den andern Provinzen durch die Erhaltung der ausschließlich dem Militärdienste<lb/>
gewidmeten und von fast allen Abgaben befreiten Bevölkerung eines ganzen<lb/>
Landes erwachse. Den heimlichem und offenen Gegnern der östreichischen Ne-</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III. 1862. 1</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0009] Die Truppen der Militärgrenze. i. Unter den mannigfachen Bewegungen, welche Oestreich in den letzten zwei Jahren erschütterten, spielte auch die Frage über die Auflösung oder Beibehal¬ tung des Militärgrenzinstitutes eine hervorragende Rolle. Mit stürmischer Heftigkeit verlangte der kroatisch-slavonische Landtag die unverzügliche Auflösung des Grenzverbandes und die Vereinigung der verschie¬ denen Regimentsbezirkc mit ihren Nachbarprovinzen, während die Regierung ihr Terrain mit unerschütterlicher Zähigkeit behauptete, die Fortdauer des dermaligen Zustandes als mit der Wohlfahrt der Gesammtmonarchie untrennbar verbunden erklärte, selbst die unbedeutendsten Reformen nur theilweise und zögernd bewil¬ ligte und endlich durch die Auflösung des kroatisch-slavonischen Landtages allen weitern Debatten und Petitionen, wenigstens für die nächste Zeit, ein Ende machte. Auch die wenigen aus der Militärgrenze selbst ertönender Stimmen waren getheilt, und merkwürdiger Weise überwog die Zahl jener, welche sich als Freunde des Bestehenden erklärten, die Partei der nach einer Aenderung ihrer Verhältnisse sich Sehnender. Bei näherer Betrachtung mögen freilich die Anschauungen jener Männer aus der Militärgrenze, welche mit ihrer Meinung vor die Oeffentlickkeit traten, nicht als unbefangen und vorurtheilsfrei erscheinen. Denn es waren zumeist Offiziere und Beamte, welche der einer Aenderung vieles zu verlieren und nichts zu gewinnen glaubten. Sowohl die Mitglieder des Landtages als auch die Regierung in Wien nahmen das historische Recht bei der Vertheidigung ihrer Forderungen in An¬ spruch. Außerdem aber wiesen erstere auf die dem Grenzgebiete aufgebürdete ungerechte „Blutsteuer" (womit man die allgemeine Wehrpflicht bezeichnete), auf den unerträglichen Zustand des unter dem fürchterlichsten Militärdespotismus schmachtenden und darum in seiner geistigen und materiellen Entwicklung zurück¬ bleibenden Landes und endlich auf die ungeheuern Mehrabgaben hin, welche den andern Provinzen durch die Erhaltung der ausschließlich dem Militärdienste gewidmeten und von fast allen Abgaben befreiten Bevölkerung eines ganzen Landes erwachse. Den heimlichem und offenen Gegnern der östreichischen Ne- Grenzboten III. 1862. 1

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/9
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/9>, abgerufen am 05.05.2024.