Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

muthigender, als man erwarten konnte. Zu Hunderten blieben sie an der
Strafe liegen, und in fast aufgelöstem Zustande erreichten die Compagnien ihre
Quartiere. Ich ließ mehre Bataillone in Schleswig an mir Vorbeimarschiren
und war über ihr Aussehen wahrhaft erschrocken. Es schien mir völlig unmög¬
lich, sie so ungeübt und unfähig im Ertragen von Fatiguen einer Aufgabe ent¬
gegenzuführen, deren Gelingen vor Allem in der Fähigkeit lag, große und
schnelle Märsche zu machen und doch noch mit der Kraft zu energischem Angriff
an den Feind zu kommen. Wollte ich mich mit Aussicht auf Erfolg zwischen
die getrennten Theile des dänischen Heeres werfen, so mußte die angestrengte
Bewegung noch für die nächsten Tage fortgesetzt werden. Alle Führer erklärten
das für gewagt, und ich selbst empfand schwere Bedenken, wenn ich an die
Möglichkeit eines schnellen Rückmarsches dachte."

"So änderte ich meinen Entschluß, gab die Offensive auf und beschloß, in
der Stellung von Jdstedt den feindlichen Angriff abzuwarten und aus ihr her¬
aus entweder rin einem kurzen energischen Stoß, der die Eigenschaft, welche
meiner Truppe fehlte, nicht in Anspruch nahm und, nur auf der fußte, welche
ich ihr zutraute, Tapferkeit nämlich, dem Gegner bei passender Gelegenheit in
die Parade zu stoßen oder, wenn sich diese Gelegenheit nicht fände, in der
Stellung eine reine Defensivschlacht zu liefern. Nach Allem, was ich später
erfahren, muß ich diesen Plan noch heute für vollkommen richtig bezeichnen."
(Schluß in nächster Nummer.)




Zwei Briefe G. E. Lcssüigs an C. F. Weiße.

Die folgenden beiden Briefe Lessings., an Christian Felix Weiße sind bis¬
her noch nirgends gedruckt. Sie wurden uns durch die Güte des Herrn Pro¬
fessor C. H. Weiße in Leipzig, der bekanntlich ein Enkel von Christian Felix,
zur Veröffentlichung überlassen. Kenner des Lebensgangs Lessings werden sich
dieselben leicht in die Lücke einordnen können, welche sie ausfüllen sollen.
Orthographie und Jnterpunction des Originals wurden selbstverständlich bei¬
behalten.

liiiU

Liebster Freund,

Es war eine Zeit, da Sie den Verfasser dieses Briefes ihrer Freundschaft


30*

muthigender, als man erwarten konnte. Zu Hunderten blieben sie an der
Strafe liegen, und in fast aufgelöstem Zustande erreichten die Compagnien ihre
Quartiere. Ich ließ mehre Bataillone in Schleswig an mir Vorbeimarschiren
und war über ihr Aussehen wahrhaft erschrocken. Es schien mir völlig unmög¬
lich, sie so ungeübt und unfähig im Ertragen von Fatiguen einer Aufgabe ent¬
gegenzuführen, deren Gelingen vor Allem in der Fähigkeit lag, große und
schnelle Märsche zu machen und doch noch mit der Kraft zu energischem Angriff
an den Feind zu kommen. Wollte ich mich mit Aussicht auf Erfolg zwischen
die getrennten Theile des dänischen Heeres werfen, so mußte die angestrengte
Bewegung noch für die nächsten Tage fortgesetzt werden. Alle Führer erklärten
das für gewagt, und ich selbst empfand schwere Bedenken, wenn ich an die
Möglichkeit eines schnellen Rückmarsches dachte."

„So änderte ich meinen Entschluß, gab die Offensive auf und beschloß, in
der Stellung von Jdstedt den feindlichen Angriff abzuwarten und aus ihr her¬
aus entweder rin einem kurzen energischen Stoß, der die Eigenschaft, welche
meiner Truppe fehlte, nicht in Anspruch nahm und, nur auf der fußte, welche
ich ihr zutraute, Tapferkeit nämlich, dem Gegner bei passender Gelegenheit in
die Parade zu stoßen oder, wenn sich diese Gelegenheit nicht fände, in der
Stellung eine reine Defensivschlacht zu liefern. Nach Allem, was ich später
erfahren, muß ich diesen Plan noch heute für vollkommen richtig bezeichnen."
(Schluß in nächster Nummer.)




Zwei Briefe G. E. Lcssüigs an C. F. Weiße.

Die folgenden beiden Briefe Lessings., an Christian Felix Weiße sind bis¬
her noch nirgends gedruckt. Sie wurden uns durch die Güte des Herrn Pro¬
fessor C. H. Weiße in Leipzig, der bekanntlich ein Enkel von Christian Felix,
zur Veröffentlichung überlassen. Kenner des Lebensgangs Lessings werden sich
dieselben leicht in die Lücke einordnen können, welche sie ausfüllen sollen.
Orthographie und Jnterpunction des Originals wurden selbstverständlich bei¬
behalten.

liiiU

Liebster Freund,

Es war eine Zeit, da Sie den Verfasser dieses Briefes ihrer Freundschaft


30*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0243" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/115095"/>
            <p xml:id="ID_758" prev="#ID_757"> muthigender, als man erwarten konnte. Zu Hunderten blieben sie an der<lb/>
Strafe liegen, und in fast aufgelöstem Zustande erreichten die Compagnien ihre<lb/>
Quartiere. Ich ließ mehre Bataillone in Schleswig an mir Vorbeimarschiren<lb/>
und war über ihr Aussehen wahrhaft erschrocken. Es schien mir völlig unmög¬<lb/>
lich, sie so ungeübt und unfähig im Ertragen von Fatiguen einer Aufgabe ent¬<lb/>
gegenzuführen, deren Gelingen vor Allem in der Fähigkeit lag, große und<lb/>
schnelle Märsche zu machen und doch noch mit der Kraft zu energischem Angriff<lb/>
an den Feind zu kommen. Wollte ich mich mit Aussicht auf Erfolg zwischen<lb/>
die getrennten Theile des dänischen Heeres werfen, so mußte die angestrengte<lb/>
Bewegung noch für die nächsten Tage fortgesetzt werden. Alle Führer erklärten<lb/>
das für gewagt, und ich selbst empfand schwere Bedenken, wenn ich an die<lb/>
Möglichkeit eines schnellen Rückmarsches dachte."</p><lb/>
            <p xml:id="ID_759"> &#x201E;So änderte ich meinen Entschluß, gab die Offensive auf und beschloß, in<lb/>
der Stellung von Jdstedt den feindlichen Angriff abzuwarten und aus ihr her¬<lb/>
aus entweder rin einem kurzen energischen Stoß, der die Eigenschaft, welche<lb/>
meiner Truppe fehlte, nicht in Anspruch nahm und, nur auf der fußte, welche<lb/>
ich ihr zutraute, Tapferkeit nämlich, dem Gegner bei passender Gelegenheit in<lb/>
die Parade zu stoßen oder, wenn sich diese Gelegenheit nicht fände, in der<lb/>
Stellung eine reine Defensivschlacht zu liefern. Nach Allem, was ich später<lb/>
erfahren, muß ich diesen Plan noch heute für vollkommen richtig bezeichnen."<lb/>
(Schluß in nächster Nummer.)</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Zwei Briefe G. E. Lcssüigs an C. F. Weiße.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_760"> Die folgenden beiden Briefe Lessings., an Christian Felix Weiße sind bis¬<lb/>
her noch nirgends gedruckt. Sie wurden uns durch die Güte des Herrn Pro¬<lb/>
fessor C. H. Weiße in Leipzig, der bekanntlich ein Enkel von Christian Felix,<lb/>
zur Veröffentlichung überlassen. Kenner des Lebensgangs Lessings werden sich<lb/>
dieselben leicht in die Lücke einordnen können, welche sie ausfüllen sollen.<lb/>
Orthographie und Jnterpunction des Originals wurden selbstverständlich bei¬<lb/>
behalten.</p><lb/>
          <div n="2">
            <head> liiiU </head><lb/>
            <note type="salute"> Liebster Freund,</note><lb/>
            <p xml:id="ID_761" next="#ID_762"> Es war eine Zeit, da Sie den Verfasser dieses Briefes ihrer Freundschaft</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> 30*</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0243] muthigender, als man erwarten konnte. Zu Hunderten blieben sie an der Strafe liegen, und in fast aufgelöstem Zustande erreichten die Compagnien ihre Quartiere. Ich ließ mehre Bataillone in Schleswig an mir Vorbeimarschiren und war über ihr Aussehen wahrhaft erschrocken. Es schien mir völlig unmög¬ lich, sie so ungeübt und unfähig im Ertragen von Fatiguen einer Aufgabe ent¬ gegenzuführen, deren Gelingen vor Allem in der Fähigkeit lag, große und schnelle Märsche zu machen und doch noch mit der Kraft zu energischem Angriff an den Feind zu kommen. Wollte ich mich mit Aussicht auf Erfolg zwischen die getrennten Theile des dänischen Heeres werfen, so mußte die angestrengte Bewegung noch für die nächsten Tage fortgesetzt werden. Alle Führer erklärten das für gewagt, und ich selbst empfand schwere Bedenken, wenn ich an die Möglichkeit eines schnellen Rückmarsches dachte." „So änderte ich meinen Entschluß, gab die Offensive auf und beschloß, in der Stellung von Jdstedt den feindlichen Angriff abzuwarten und aus ihr her¬ aus entweder rin einem kurzen energischen Stoß, der die Eigenschaft, welche meiner Truppe fehlte, nicht in Anspruch nahm und, nur auf der fußte, welche ich ihr zutraute, Tapferkeit nämlich, dem Gegner bei passender Gelegenheit in die Parade zu stoßen oder, wenn sich diese Gelegenheit nicht fände, in der Stellung eine reine Defensivschlacht zu liefern. Nach Allem, was ich später erfahren, muß ich diesen Plan noch heute für vollkommen richtig bezeichnen." (Schluß in nächster Nummer.) Zwei Briefe G. E. Lcssüigs an C. F. Weiße. Die folgenden beiden Briefe Lessings., an Christian Felix Weiße sind bis¬ her noch nirgends gedruckt. Sie wurden uns durch die Güte des Herrn Pro¬ fessor C. H. Weiße in Leipzig, der bekanntlich ein Enkel von Christian Felix, zur Veröffentlichung überlassen. Kenner des Lebensgangs Lessings werden sich dieselben leicht in die Lücke einordnen können, welche sie ausfüllen sollen. Orthographie und Jnterpunction des Originals wurden selbstverständlich bei¬ behalten. liiiU Liebster Freund, Es war eine Zeit, da Sie den Verfasser dieses Briefes ihrer Freundschaft 30*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/243
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/243>, abgerufen am 29.04.2024.