Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Madame Reiske zu bezahlen. Wie Ihnen mein Nathan gefällt, wünschte ich
wohl zu wissen. Ich werde alt und sollte mich freylich solcher Arbeit lieber
gänzlich enthalten. Sie müssen indeß wegen des Anlasses, der mich dazu nö¬
thigte, von Ihrer kritischen Strenge schon etwas nachlassen.


Ganz der Ihrige

Braunschweig den 27 April 79.

Lessing.




Vermischte Literatur.
Leben des amerikanischen Generals Johann Kalb von Friedrich Kapp.
Mit Kalbs Portrait. Stuttgart. Cottascher Verlag. 1862.

Fleißiges Studium und geschickte Benutzung der Quellen, ein ehrlicher Rea¬
lismus und eine durchweg achtungswerthe Auffassung der politischen und socialen
Verhältnisse vereinigen sich mit einer glücklichen Begabung zum Erzählen und
Schildern, um diese neueste Arbeit Kapps zu einer der werthvollsten Bereicherungen
der Geschichte des großen amerikanischen Unabhängigkcitskampfes und des vori¬
gen Jahrhunderts überhaupt zu machen. Sie ist dies um so mehr, als man über
Kalb bisher nur sehr ungenügend unterrichtet war, nicht einmal seinen Namen
übereinstimmend schrieb, ihn bald einen Elsässer, bald einen Schweizer, bald in dem,
bald in jenem Jahr geboren sein ließ und von seiner Thätigkeit als geheimer poli¬
tischer Agent Frankreichs in Amerika nur Unzusammenhängendes wußte. Der
"Baron Johann v. Kalb" war im Jahre 1721 zu Hüttendorf im Bayreuthischen
geboren und Sohn eines einfachen Bauern. Später Kellner geworden, verschwindet
er auf einige Zeit, Um im Jahre 1743 als Lieutenant Jean de Kalb in einem der
gewordnen deutschen Regimenter wieder aufzutauchen, die damals einen Theil des
französischen Heeres ausmachten. In dieser Eigenschaft nahm er rühmlichen Antheil
an den Feldzügen in den Niederlanden, den Belagerungen von Menin, Ypern und
Freiburg, an der Schlacht bei Fontenoy und später an dem siebenjährigen Kriege, in
welchem er die Schlachten bei Roßbach und bei Bergen mitmachte. 1763 mit dem
Rang eines Oberstlieutenants aus der Armee geschieden, vermählte er sich mit der
Tochter eines wohlhabenden Fabrikanten und zog aufs Land. Bald aber regte
sich in ihm wieder der militärische Geist, und er suchte, auf Empfehlungen BroglieS
gestützt, bei Graf Wilhelm von Lippe-Schaumburg Anstellung im portugiesischen
Heer. Der Plan zerschlug sich, aber Choiseul, der seine Augen auf den in den
englischen Colonien Nordamerikas sich vorbereitenden Kampf lichtete, beschloß, Kalb
als Kundschafter dorthin zu senden. Derselbe nahm diese Mission an, unterrichtete


Madame Reiske zu bezahlen. Wie Ihnen mein Nathan gefällt, wünschte ich
wohl zu wissen. Ich werde alt und sollte mich freylich solcher Arbeit lieber
gänzlich enthalten. Sie müssen indeß wegen des Anlasses, der mich dazu nö¬
thigte, von Ihrer kritischen Strenge schon etwas nachlassen.


Ganz der Ihrige

Braunschweig den 27 April 79.

Lessing.




Vermischte Literatur.
Leben des amerikanischen Generals Johann Kalb von Friedrich Kapp.
Mit Kalbs Portrait. Stuttgart. Cottascher Verlag. 1862.

Fleißiges Studium und geschickte Benutzung der Quellen, ein ehrlicher Rea¬
lismus und eine durchweg achtungswerthe Auffassung der politischen und socialen
Verhältnisse vereinigen sich mit einer glücklichen Begabung zum Erzählen und
Schildern, um diese neueste Arbeit Kapps zu einer der werthvollsten Bereicherungen
der Geschichte des großen amerikanischen Unabhängigkcitskampfes und des vori¬
gen Jahrhunderts überhaupt zu machen. Sie ist dies um so mehr, als man über
Kalb bisher nur sehr ungenügend unterrichtet war, nicht einmal seinen Namen
übereinstimmend schrieb, ihn bald einen Elsässer, bald einen Schweizer, bald in dem,
bald in jenem Jahr geboren sein ließ und von seiner Thätigkeit als geheimer poli¬
tischer Agent Frankreichs in Amerika nur Unzusammenhängendes wußte. Der
„Baron Johann v. Kalb" war im Jahre 1721 zu Hüttendorf im Bayreuthischen
geboren und Sohn eines einfachen Bauern. Später Kellner geworden, verschwindet
er auf einige Zeit, Um im Jahre 1743 als Lieutenant Jean de Kalb in einem der
gewordnen deutschen Regimenter wieder aufzutauchen, die damals einen Theil des
französischen Heeres ausmachten. In dieser Eigenschaft nahm er rühmlichen Antheil
an den Feldzügen in den Niederlanden, den Belagerungen von Menin, Ypern und
Freiburg, an der Schlacht bei Fontenoy und später an dem siebenjährigen Kriege, in
welchem er die Schlachten bei Roßbach und bei Bergen mitmachte. 1763 mit dem
Rang eines Oberstlieutenants aus der Armee geschieden, vermählte er sich mit der
Tochter eines wohlhabenden Fabrikanten und zog aufs Land. Bald aber regte
sich in ihm wieder der militärische Geist, und er suchte, auf Empfehlungen BroglieS
gestützt, bei Graf Wilhelm von Lippe-Schaumburg Anstellung im portugiesischen
Heer. Der Plan zerschlug sich, aber Choiseul, der seine Augen auf den in den
englischen Colonien Nordamerikas sich vorbereitenden Kampf lichtete, beschloß, Kalb
als Kundschafter dorthin zu senden. Derselbe nahm diese Mission an, unterrichtete


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0245" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/115097"/>
            <p xml:id="ID_773" prev="#ID_772"> Madame Reiske zu bezahlen. Wie Ihnen mein Nathan gefällt, wünschte ich<lb/>
wohl zu wissen. Ich werde alt und sollte mich freylich solcher Arbeit lieber<lb/>
gänzlich enthalten. Sie müssen indeß wegen des Anlasses, der mich dazu nö¬<lb/>
thigte, von Ihrer kritischen Strenge schon etwas nachlassen.</p><lb/>
            <note type="closer"> Ganz der Ihrige</note><lb/>
            <p xml:id="ID_774"> Braunschweig den 27 April 79.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_775"> Lessing.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Vermischte Literatur.</head><lb/>
          <div n="2">
            <head> Leben des amerikanischen Generals Johann Kalb von Friedrich Kapp.<lb/>
Mit Kalbs Portrait.  Stuttgart. Cottascher Verlag. 1862.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_776" next="#ID_777"> Fleißiges Studium und geschickte Benutzung der Quellen, ein ehrlicher Rea¬<lb/>
lismus und eine durchweg achtungswerthe Auffassung der politischen und socialen<lb/>
Verhältnisse vereinigen sich mit einer glücklichen Begabung zum Erzählen und<lb/>
Schildern, um diese neueste Arbeit Kapps zu einer der werthvollsten Bereicherungen<lb/>
der Geschichte des großen amerikanischen Unabhängigkcitskampfes und des vori¬<lb/>
gen Jahrhunderts überhaupt zu machen. Sie ist dies um so mehr, als man über<lb/>
Kalb bisher nur sehr ungenügend unterrichtet war, nicht einmal seinen Namen<lb/>
übereinstimmend schrieb, ihn bald einen Elsässer, bald einen Schweizer, bald in dem,<lb/>
bald in jenem Jahr geboren sein ließ und von seiner Thätigkeit als geheimer poli¬<lb/>
tischer Agent Frankreichs in Amerika nur Unzusammenhängendes wußte. Der<lb/>
&#x201E;Baron Johann v. Kalb" war im Jahre 1721 zu Hüttendorf im Bayreuthischen<lb/>
geboren und Sohn eines einfachen Bauern. Später Kellner geworden, verschwindet<lb/>
er auf einige Zeit, Um im Jahre 1743 als Lieutenant Jean de Kalb in einem der<lb/>
gewordnen deutschen Regimenter wieder aufzutauchen, die damals einen Theil des<lb/>
französischen Heeres ausmachten. In dieser Eigenschaft nahm er rühmlichen Antheil<lb/>
an den Feldzügen in den Niederlanden, den Belagerungen von Menin, Ypern und<lb/>
Freiburg, an der Schlacht bei Fontenoy und später an dem siebenjährigen Kriege, in<lb/>
welchem er die Schlachten bei Roßbach und bei Bergen mitmachte. 1763 mit dem<lb/>
Rang eines Oberstlieutenants aus der Armee geschieden, vermählte er sich mit der<lb/>
Tochter eines wohlhabenden Fabrikanten und zog aufs Land. Bald aber regte<lb/>
sich in ihm wieder der militärische Geist, und er suchte, auf Empfehlungen BroglieS<lb/>
gestützt, bei Graf Wilhelm von Lippe-Schaumburg Anstellung im portugiesischen<lb/>
Heer. Der Plan zerschlug sich, aber Choiseul, der seine Augen auf den in den<lb/>
englischen Colonien Nordamerikas sich vorbereitenden Kampf lichtete, beschloß, Kalb<lb/>
als Kundschafter dorthin zu senden.  Derselbe nahm diese Mission an, unterrichtete</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0245] Madame Reiske zu bezahlen. Wie Ihnen mein Nathan gefällt, wünschte ich wohl zu wissen. Ich werde alt und sollte mich freylich solcher Arbeit lieber gänzlich enthalten. Sie müssen indeß wegen des Anlasses, der mich dazu nö¬ thigte, von Ihrer kritischen Strenge schon etwas nachlassen. Ganz der Ihrige Braunschweig den 27 April 79. Lessing. Vermischte Literatur. Leben des amerikanischen Generals Johann Kalb von Friedrich Kapp. Mit Kalbs Portrait. Stuttgart. Cottascher Verlag. 1862. Fleißiges Studium und geschickte Benutzung der Quellen, ein ehrlicher Rea¬ lismus und eine durchweg achtungswerthe Auffassung der politischen und socialen Verhältnisse vereinigen sich mit einer glücklichen Begabung zum Erzählen und Schildern, um diese neueste Arbeit Kapps zu einer der werthvollsten Bereicherungen der Geschichte des großen amerikanischen Unabhängigkcitskampfes und des vori¬ gen Jahrhunderts überhaupt zu machen. Sie ist dies um so mehr, als man über Kalb bisher nur sehr ungenügend unterrichtet war, nicht einmal seinen Namen übereinstimmend schrieb, ihn bald einen Elsässer, bald einen Schweizer, bald in dem, bald in jenem Jahr geboren sein ließ und von seiner Thätigkeit als geheimer poli¬ tischer Agent Frankreichs in Amerika nur Unzusammenhängendes wußte. Der „Baron Johann v. Kalb" war im Jahre 1721 zu Hüttendorf im Bayreuthischen geboren und Sohn eines einfachen Bauern. Später Kellner geworden, verschwindet er auf einige Zeit, Um im Jahre 1743 als Lieutenant Jean de Kalb in einem der gewordnen deutschen Regimenter wieder aufzutauchen, die damals einen Theil des französischen Heeres ausmachten. In dieser Eigenschaft nahm er rühmlichen Antheil an den Feldzügen in den Niederlanden, den Belagerungen von Menin, Ypern und Freiburg, an der Schlacht bei Fontenoy und später an dem siebenjährigen Kriege, in welchem er die Schlachten bei Roßbach und bei Bergen mitmachte. 1763 mit dem Rang eines Oberstlieutenants aus der Armee geschieden, vermählte er sich mit der Tochter eines wohlhabenden Fabrikanten und zog aufs Land. Bald aber regte sich in ihm wieder der militärische Geist, und er suchte, auf Empfehlungen BroglieS gestützt, bei Graf Wilhelm von Lippe-Schaumburg Anstellung im portugiesischen Heer. Der Plan zerschlug sich, aber Choiseul, der seine Augen auf den in den englischen Colonien Nordamerikas sich vorbereitenden Kampf lichtete, beschloß, Kalb als Kundschafter dorthin zu senden. Derselbe nahm diese Mission an, unterrichtete

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/245
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/245>, abgerufen am 29.04.2024.