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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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So weit das Tagebuch, welches bedauerlicher Weise über den weitern Ver¬
lauf des Kampfes, namentlich über die Gefechte bei Missunde und den Sturm
auf Friedrichsstavt nichts enthalt, sondern mit dem Auffliegen des Laboratoriums
in Rendsburg abschließt. Ein Urtheil hinzuzufügen, ist uns nicht gestattet und
auch wohl überflüssig. Wir meinen, daß uneingenommene und billig denkende Le¬
ser sich ein solches aus dem wörtlich den Aufzeichnungen des Generals enthobnen
Stellen recht wohl selbst bilden können.




Eine Episode mis dem nordamerikanischen Kriege.
C. M. Reiseskizzen von
(Fortsetzung.)

Eine eroberte Stadt macht auf den Besucher einen eigenthümlichen Ein¬
druck und erzeugt in ihm, wenn er auf Seiten der Sieger steht, gemischte Em¬
pfindungen. Die Charakteristik, welche ihm aus Allem, was er sieht, entgegen¬
tritt, erregt seine Sympathie für den Besiegten, während er zugleich das trium-
phirende Bewußtsein der Überlegenheit theilt, welches die Besitzergreifung dem
Sieger verleiht.

Derartige Betrachtungen drängten sich mir unwiderstehlich auf, als ich
das Hauptquartier des General Stevens in Beaufort betrat, welches sich in
dem Hause des ersten Geistlichen, Reverend Dr. Smith befand. Hier war ge¬
wissermaßen die Häuslichkeit im Belagerungszustande. Krieg und Frieden waren in
so harmloser Mischung repräsentirt, daß man kaum an Eins oder das Andere glau¬
ben konnte. -- In einem großen Zimmer zur Linken der geräumigen Borhalle,
wo sich das Bureau befand, präsidirte ein Oelbild des frühern Besitzers im priester¬
lichen Ornate und schien mit unwilligem Erstaunen auf die fremden Eindring¬
linge herabzublicken. Der Lehnstuhl, in welchem sich Se. Hochwürden von den
Anstrengungen seiner seelsorgerischen Thätigkeit ausgeruht hatte, diente jetzt
einem profanen Lieutenant, einem Adjutanten des Generals, zum Sitze. Ordon¬
nanzen flegelten sich auf den weichen Polstern, welche offenbar aus allen Winkeln
des Hauses zusammengeschleppt > waren, und in der Ecke stand ein bestäubter
Erardscher Flügel, der sich unter der ungeübten Hand eines New-Uvrker Volon¬
tärs zu patriotischen Productionen hergeben mußte, welche jeden südlichen Ritter
mit Schaudern erfüllt haken würden. Ich durchblätterte die Noten und war


So weit das Tagebuch, welches bedauerlicher Weise über den weitern Ver¬
lauf des Kampfes, namentlich über die Gefechte bei Missunde und den Sturm
auf Friedrichsstavt nichts enthalt, sondern mit dem Auffliegen des Laboratoriums
in Rendsburg abschließt. Ein Urtheil hinzuzufügen, ist uns nicht gestattet und
auch wohl überflüssig. Wir meinen, daß uneingenommene und billig denkende Le¬
ser sich ein solches aus dem wörtlich den Aufzeichnungen des Generals enthobnen
Stellen recht wohl selbst bilden können.




Eine Episode mis dem nordamerikanischen Kriege.
C. M. Reiseskizzen von
(Fortsetzung.)

Eine eroberte Stadt macht auf den Besucher einen eigenthümlichen Ein¬
druck und erzeugt in ihm, wenn er auf Seiten der Sieger steht, gemischte Em¬
pfindungen. Die Charakteristik, welche ihm aus Allem, was er sieht, entgegen¬
tritt, erregt seine Sympathie für den Besiegten, während er zugleich das trium-
phirende Bewußtsein der Überlegenheit theilt, welches die Besitzergreifung dem
Sieger verleiht.

Derartige Betrachtungen drängten sich mir unwiderstehlich auf, als ich
das Hauptquartier des General Stevens in Beaufort betrat, welches sich in
dem Hause des ersten Geistlichen, Reverend Dr. Smith befand. Hier war ge¬
wissermaßen die Häuslichkeit im Belagerungszustande. Krieg und Frieden waren in
so harmloser Mischung repräsentirt, daß man kaum an Eins oder das Andere glau¬
ben konnte. — In einem großen Zimmer zur Linken der geräumigen Borhalle,
wo sich das Bureau befand, präsidirte ein Oelbild des frühern Besitzers im priester¬
lichen Ornate und schien mit unwilligem Erstaunen auf die fremden Eindring¬
linge herabzublicken. Der Lehnstuhl, in welchem sich Se. Hochwürden von den
Anstrengungen seiner seelsorgerischen Thätigkeit ausgeruht hatte, diente jetzt
einem profanen Lieutenant, einem Adjutanten des Generals, zum Sitze. Ordon¬
nanzen flegelten sich auf den weichen Polstern, welche offenbar aus allen Winkeln
des Hauses zusammengeschleppt > waren, und in der Ecke stand ein bestäubter
Erardscher Flügel, der sich unter der ungeübten Hand eines New-Uvrker Volon¬
tärs zu patriotischen Productionen hergeben mußte, welche jeden südlichen Ritter
mit Schaudern erfüllt haken würden. Ich durchblätterte die Noten und war


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[0269] So weit das Tagebuch, welches bedauerlicher Weise über den weitern Ver¬ lauf des Kampfes, namentlich über die Gefechte bei Missunde und den Sturm auf Friedrichsstavt nichts enthalt, sondern mit dem Auffliegen des Laboratoriums in Rendsburg abschließt. Ein Urtheil hinzuzufügen, ist uns nicht gestattet und auch wohl überflüssig. Wir meinen, daß uneingenommene und billig denkende Le¬ ser sich ein solches aus dem wörtlich den Aufzeichnungen des Generals enthobnen Stellen recht wohl selbst bilden können. Eine Episode mis dem nordamerikanischen Kriege. C. M. Reiseskizzen von (Fortsetzung.) Eine eroberte Stadt macht auf den Besucher einen eigenthümlichen Ein¬ druck und erzeugt in ihm, wenn er auf Seiten der Sieger steht, gemischte Em¬ pfindungen. Die Charakteristik, welche ihm aus Allem, was er sieht, entgegen¬ tritt, erregt seine Sympathie für den Besiegten, während er zugleich das trium- phirende Bewußtsein der Überlegenheit theilt, welches die Besitzergreifung dem Sieger verleiht. Derartige Betrachtungen drängten sich mir unwiderstehlich auf, als ich das Hauptquartier des General Stevens in Beaufort betrat, welches sich in dem Hause des ersten Geistlichen, Reverend Dr. Smith befand. Hier war ge¬ wissermaßen die Häuslichkeit im Belagerungszustande. Krieg und Frieden waren in so harmloser Mischung repräsentirt, daß man kaum an Eins oder das Andere glau¬ ben konnte. — In einem großen Zimmer zur Linken der geräumigen Borhalle, wo sich das Bureau befand, präsidirte ein Oelbild des frühern Besitzers im priester¬ lichen Ornate und schien mit unwilligem Erstaunen auf die fremden Eindring¬ linge herabzublicken. Der Lehnstuhl, in welchem sich Se. Hochwürden von den Anstrengungen seiner seelsorgerischen Thätigkeit ausgeruht hatte, diente jetzt einem profanen Lieutenant, einem Adjutanten des Generals, zum Sitze. Ordon¬ nanzen flegelten sich auf den weichen Polstern, welche offenbar aus allen Winkeln des Hauses zusammengeschleppt > waren, und in der Ecke stand ein bestäubter Erardscher Flügel, der sich unter der ungeübten Hand eines New-Uvrker Volon¬ tärs zu patriotischen Productionen hergeben mußte, welche jeden südlichen Ritter mit Schaudern erfüllt haken würden. Ich durchblätterte die Noten und war

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/269>, abgerufen am 29.04.2024.