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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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Ein städtisches Gemeinwesen im 14. Zahrhnndert*).

Es war ohne Zweifel ein sehr glücklicher Gedanke, daß die von dem König
Max von Bayern ins Leben gerufene historische Commission als eine der ersten
Aufgaben eine Sammlung deutscher Städtechroniken ins Auge faßte. Denn
wie sehr sich auch seit dem 14. Jahrhundert die Bedeutung der städtischen Ge¬
meinwesen in Deutschland gehoben hatte, war doch über ihre Geschichte und
innere Entwickelung wenig genug bekannt. Es war aber vorauszusehen, daß
sich, in ihren Archiven verborgen, eine Menge der bedeutendsten Beiträge zur
Kenntniß ihrer Vergangenheit finden mußte. Daß eine solche Annahme nicht
getäuscht, im Gegentheile alle Erwartung übertroffen hat. beweist der erste
Band dieser Publication, der seit wenigen Wochen vorliegt. Es war beschlossen
worden, die Veröffentlichungen mit den Chroniken der oberdeutschen Städte
zu beginnen und von den dreien, welche hier die Mittelpunkte städtischer Ent¬
wicklung in Bayern, Schwaben und Franken bilden: Regensburg, Augsburg,
Nürnberg, die Chroniken der freien Reichsstadt Nürnberg an die Spitze zu
stellen. Welcher Freund unserer Vergangenheit, den sein Weg jemals durch
diese alte prächtige Stadt geführt hat, sollte es nicht mit Freude begrüßen,
wenn nun über die Geschichte derselben die ursprünglichsten Nachrichten zu
Tage treten? Nachrichten überdies, die doch nicht nur für die Geschichte vereinen
Stadt von wesentlichem Interesse sind. Die Aufzeichnungen selbst allerdings,
die hier im Originale mitgetheilt werden -- eine Chronik des Rathsherrn
Ulm an Strömer aus dem Ende des 14. Jahrhunderts, eine Chronik aus
Kaiser Sigmunds Zeit bis 1434 -- suchen, so brauchbare Notizen sie auch
zur politischen Geschichte des Reiches beisteuern, ihre hauptsächlichste Bedeutung
in den Nachrichten über städtische Ereignisse; da man aber zur Feststellung des
Thatsächlichen überall aus Urkunden, Acten, Correspondenzen und RechnungS-
vücher zurückging, so wurde daneben ein gewaltiges Material zu Tage gefördert,
das von hohem Werthe für die innere Geschichte nicht nur der zunächst inter-
essirten Stadt, sondern überhaupt für die Culturgeschichte des Jahrhunderts
ist. Kommt daneben noch in Betracht, daß auch die Sprache der Chroniken
von weitgehender Bedeutung für das Studium der deutschen Sprache und ihrer
Mundarten ist, und daß man dieselbe Sorgfalt auf die nach den Grundsätzen



^ Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis in's 16. Jahrhundert. Die Chroniken
der fränkischen Städte. Nürnberg. I. Band. Leipzig. S. Hirzel. 1862. 8. XUI. und
H28 Seiten.
Ein städtisches Gemeinwesen im 14. Zahrhnndert*).

Es war ohne Zweifel ein sehr glücklicher Gedanke, daß die von dem König
Max von Bayern ins Leben gerufene historische Commission als eine der ersten
Aufgaben eine Sammlung deutscher Städtechroniken ins Auge faßte. Denn
wie sehr sich auch seit dem 14. Jahrhundert die Bedeutung der städtischen Ge¬
meinwesen in Deutschland gehoben hatte, war doch über ihre Geschichte und
innere Entwickelung wenig genug bekannt. Es war aber vorauszusehen, daß
sich, in ihren Archiven verborgen, eine Menge der bedeutendsten Beiträge zur
Kenntniß ihrer Vergangenheit finden mußte. Daß eine solche Annahme nicht
getäuscht, im Gegentheile alle Erwartung übertroffen hat. beweist der erste
Band dieser Publication, der seit wenigen Wochen vorliegt. Es war beschlossen
worden, die Veröffentlichungen mit den Chroniken der oberdeutschen Städte
zu beginnen und von den dreien, welche hier die Mittelpunkte städtischer Ent¬
wicklung in Bayern, Schwaben und Franken bilden: Regensburg, Augsburg,
Nürnberg, die Chroniken der freien Reichsstadt Nürnberg an die Spitze zu
stellen. Welcher Freund unserer Vergangenheit, den sein Weg jemals durch
diese alte prächtige Stadt geführt hat, sollte es nicht mit Freude begrüßen,
wenn nun über die Geschichte derselben die ursprünglichsten Nachrichten zu
Tage treten? Nachrichten überdies, die doch nicht nur für die Geschichte vereinen
Stadt von wesentlichem Interesse sind. Die Aufzeichnungen selbst allerdings,
die hier im Originale mitgetheilt werden — eine Chronik des Rathsherrn
Ulm an Strömer aus dem Ende des 14. Jahrhunderts, eine Chronik aus
Kaiser Sigmunds Zeit bis 1434 — suchen, so brauchbare Notizen sie auch
zur politischen Geschichte des Reiches beisteuern, ihre hauptsächlichste Bedeutung
in den Nachrichten über städtische Ereignisse; da man aber zur Feststellung des
Thatsächlichen überall aus Urkunden, Acten, Correspondenzen und RechnungS-
vücher zurückging, so wurde daneben ein gewaltiges Material zu Tage gefördert,
das von hohem Werthe für die innere Geschichte nicht nur der zunächst inter-
essirten Stadt, sondern überhaupt für die Culturgeschichte des Jahrhunderts
ist. Kommt daneben noch in Betracht, daß auch die Sprache der Chroniken
von weitgehender Bedeutung für das Studium der deutschen Sprache und ihrer
Mundarten ist, und daß man dieselbe Sorgfalt auf die nach den Grundsätzen



^ Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis in's 16. Jahrhundert. Die Chroniken
der fränkischen Städte. Nürnberg. I. Band. Leipzig. S. Hirzel. 1862. 8. XUI. und
H28 Seiten.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/500>, abgerufen am 28.04.2024.